Heisse Runden mit Toyota-LMP1-Pilot Mike Conway
Zusammen im Toyota TMG GT86 CS-V3 mit LMP1-Pilot Mike Conway
Es ist Donnerstagnachmittag. Mit Rucksack bepackt schlendere ich ins Fahrerlager des Nürburgrings. Eine Begrüssung hier, ein kleiner Plausch dort. Die Vorfreude ist riesig, denn am Wochenende steht das 6-Stunden-Rennen der Sportwagen-WM in der Eifel an. Gerade als ich in Richtung Boxengasse abbiegen will, kommt die Pressedame von Toyota auf mich zu. Kuss links, Kuss rechts und gleich die direkte Frage: «Wir haben die Tage an Dich gedacht. Hast du Lust auf 'Hot Laps'?» Ich schaue sie wohl etwas fragend an, denn sie klärt mich sofort auf: «Ja 'Hot Laps'. Also schnelle (heisse) Runden in einem Rennwagen. Und am Steuer sitzt einer unserer LMP1-Werksfahrer.» «Ach so. Ja klar, da bin ich natürlich dabei», sage ich prompt zu. Im Rennauto über den Nürburgring gefahren werden; so etwas kann man sich nicht entgehen lassen. Steigen soll das Ganze am Samstag zwischen drittem freien Training und der Qualifikation der FIA WEC.
Szenenwechsel. Es ist Samstag 12:30 Uhr. Ich stehe, wie verabredet, im Parc Fermé des Nürburgrings und warte auf meinen Chauffeur. Den Helm habe ich schon in der Hand; unzählige Enthaftungserklärungen sind auch bereits unterschrieben. Ich erspähe auch schon Pressedame Evelyn, wie sie zusammen mit Toyota-Werksfahrer Mike Conway in meine Richtung läuft. «Schön, dass Ihr da seid. Aber Ihr habt den Rennwagen vergessen», rufe ich Beiden scherzhaft zu. «Keine Angst, der kommt gleich», bekomme ich flott geantwortet. Nach zwei bis drei Sätzen über Wetter, Nürburgring und das anstehende 6-Stunden-Rennen bollert es auf einmal in meinen Ohren. Grund: Unser 'Hot-Lap-Fahrzeug' wird vorgefahren und erregt nicht nur durch den Sound das Interesse der anwesenden Zuschauer. Es ist ein TMG GT86 CS-V3. Damit können Kundenteams beispielsweise im Rahmen der VLN Langstreckenmeisterschaft auf der Nordschleife Gas geben.
«Schau mal», merkt Mike Conway an, «der hat ja sogar Slicks drauf!» Ungläubig gehe ich auf den Wagen zu und schaue mit prüfendem Blick in den Radkasten. Tatsächlich, es sind profillose 17-Zoll-Reifen montiert. «Na das wird ja ein Spass», freue ich mich. Bevor ich in den grau-weiss-roten Wagen steige, schiele ich noch einmal schnell in Richtung Chassis-Nummer. Diese steht im Türrahmen und zeigt: 0001. Es ist also der Toyota-Werkswagen, in welchem ich um den Kurs kutschiert werden soll.
Obwohl ich grundsätzlich recht sportlich bin, hätten mir beim Einsteigen in den Wagen sicher ein paar Yoga-Stunden gut getan. Doch es klappt letztendlich ohne Zwischenfälle. Im Cockpit ist alles sehr spartanisch; wie halt in einem richtigen Rennwagen. Und schon geht es los. Conway zündet die Rakete und wird durch das Fahrerlager in Richtung der letzten Kurve vor Start/Ziel gewinkt. «Bist Du die Kiste schon mal gefahren?», frage ich ihn währenddessen. «Nein, noch nie. Aber das bekommen wir schon hin», bleibt er cool. Auf der Rennstrecke angekommen, gibt es für Conway nur noch ein Motto: Pedal to the metal. Oder auf deutsch, volle Lotte in Richtung erste Kurve. Mein Adrenalinspiegel steigt und meine Blicke gehen in Richtung des Piloten. Ich frage mich, ob es die richtige Entscheidung gewesen ist, meine Gesundheit in die Hände eines Anderen zu legen – vor allem als wir die 300-Meter-Marke vor der ersten Kurve mit Vollgas passieren. «Also ich würde jetzt mal bremsen», denke ich mir. Zumal Conway den Hobel doch gar nicht kennt. Woher will er denn wissen, wie gut oder schlecht die Bremsen sind? Ausserdem hat die erste Kurve doch fast 180 Grad...
200, 150, 100 Meter. Die Kurve kommt immer näher. Ich weiss nicht, was in Conways Kopf vorgeht, doch ans Verzögern des Autos denkt er wohl immer noch nicht. Auf einmal, wie aus dem Nichts, hänge ich in meinem Gurt; die Nase klebt gefühlt an der Frontscheibe. «Ah ja, so geht das also», verstehe ich jetzt.
Volle Granate heizen wir durch die Mercedes-Arena. Immer wieder bricht das Auto aus und steht quer. Doch der LMP1-Werkspilot lenkt jedes Mal gekonnt gegen und fängt den GT86 souverän ab. Man merkt es ihm an: Mike Conway hat richtig Spass; er ist in seinem Element. Doch ich bin noch etwas skeptisch. Auch wenn es eigentlich ja gar Nichts bringt: Ich entschliesse mich spontan dazu, mich nicht nur auf den 6-Punkt-Sicherheitsgurt und den Schalensitz zu verlassen, sondern halte mich auch mit beiden Händen am Sitz fest. Nach unzähligen weiteren Drifts, vor allem in der Ford-Kurve, geht es volle Power auf die Dunlop-Kehre zu. Jetzt wartet Conway sogar bis zur 50-Meter-Marke, bevor er den Anker wirft. Doch alles geht gut und wir fahren wie auf Schienen durch die tiefste Stelle des Rings. «Da sitzt ein echter Könner neben mir», sagt mir mein Verstand.
Zurück durch das Schumacher-S und die links-rechts Kombination geht es in den Hatzenbach-Bogen. Immer wieder quietschen die Reifen. Vor der letzten Schikane tippt er die Bremse nur kurz an, brettert unbeirrt über die Kerbs und gibt sofort wieder Gas. «Das ist meine Lieblingsstelle am Nürburgring», ruft er mir rüber. Er hätte es nicht sagen müssen, denn man hat es Mike Conway angemerkt.
Als wir durch die letzte Kurve fahren, sehen wir auf Start/Ziel schon einen Menschen, der uns zuwinkt. «Wartet mal kurz, bevor es weitergeht», ruft er uns ins Seitenfenster. Währenddessen macht sich auf dem Fahrersitz Unruhe breit. Conway wirkt aufgewühlt und scheint irgendetwas zu suchen. «Wo geht denn die Traktionskontrolle aus?», brüllt er mich an. «In der zweiten Runde mit Dir will ich es doch richtig fliegen lassen.» Zusammen suchen wir den Schalter. Erst als wir erfolgreich gewesen sind, ist Conway beruhigt. «OK, mach Dich bereit. Denn jetzt geht es erst richtig los», zwinkert er mir zu und gibt wieder Vollgas. Dieses Mal dauert es sogar bis zur 50-Meter-Marke bis es meinem Chauffeur in den Sinn kommt, Kurve 1 anzubremsen. In ähnlichem Masse verschiebt sich auch der Bremspunkt jeder andern Kurve nach hinten.
Und jedes Mal, wenn ich denke, dass wir gleich von der Strecke rutschen, fängt der LMP1-Pilot den Wagen wieder routiniert ab. Von Kurve zu Kurve gehen meine Mundwinkel immer weiter nach oben. Die Zeit im Auto wird für mich als Beifahrer zum echten Genuss. Ich fühle mich wie in einem Flow, der am besten gar nicht mehr zu Ende gehen soll. Was für ein irres Erlebnis! Doch dann ist das Vergnügen auch schon wieder vorbei. Auf Start/Ziel werden wir heraus gewinkt. Conway klatscht mich ab, und freut sich, mir es mal ordentlich gezeigt zu haben. Als ich aussteige merke ich, dass mein eigentlich gerade gewaschenes, blaues Lieblings-T-Shirt nicht mehr ganz so frisch riecht... Aber was solls. Vom dem, was ich da eben erlebt habe, werde ich noch ein paar Tage zehren können und ein neues Hemd habe ich ja auch im Rucksack.
Am Abend treffen wir beide uns wieder. Conway kommt auf mich zu und fragt, wie es mir denn ginge. Ich grinse ihn freudestrahlend an und bedanke mich nochmals für die Runden. Doch eine Frage habe ich noch: «Wie viel von dem was geht, hast Du denn vorhin im GT86 gezeigt?», will ich wissen. «Ja gut, ich wollte Dich am Leben lassen. Aber das waren sicher 95 Prozent, was ich aus dem Wagen herausgeholt habe», ist seine spontane Antwort. Das habe ich ihm genauso abgenommen. Denn während der Runden habe ich festgestellt, dass es Gründe dafür gibt, warum ich hinter den Computer und Mike Conway hinter das Steuer eines Rennwagens gehört. Chapeau Mike, das war absolut beeindruckend.