Mercedes-Benz: Auch bei den Boxenstopps Weltmeister
Boxenstopp von Lewis Hamilton
Nicht nur die Fahrer haben für die neue, schnellere Formel 1 ihr Training intensiviert: Die flinken Schrauber müssen 2017 mehr Gewicht stemmen – einer der breiteren Vorderreifen ist 800 Gramm schwerer, einer der Hinterreifen 1800 Gramm. Das klingt nach wenig, geht aber tüchtig in die Arme, wenn dutzendfach Reifenwechsel geübt werden.
Formel-1-Logistiker DHL misst jeweils die schnellsten zehn Stopps eines Grand Prix, es zählt immer der schnellere Halt eines Piloten (falls mehrfach Reifen gewechselt werden), am Ende einer Saison wird dann die flinkste Truppe errechnet – Punkte werden dabei wie bei einem Rennen vergeben. Mercedes ist auch hier Weltmeister.
DHL-Trophy 2017 (vor Abu Dhabi)
1. Mercedes 465 Punkte
2. Williams 414
3. Red Bull Racing 319
4. Ferrari 237
5. Force India 155
6. Toro Rosso 140
7. Haas 126
8. McLaren 54
9. Renault 8
10. Sauber 1
Was macht Mercedes bei den Boxenstopps so gut?
Die Grundlage für den Gewinn der DHL-Trophäe wurde in den Wintermonaten gelegt. Das Training für die neue Saison begann unmittelbar, nachdem das Rennteam aus der Weihnachtspause zurückgekehrt war. Drei Programme mit 20 Boxenstopp-Übungen pro Woche brachten die Crew wieder in Schwung.
An jedem Wochenende absolviert die Crew von Donnerstag bis Samstag täglich 15 Stopps. Darauf folgen am Sonntagvormittag fünf oder mehr letzte Checks der Ausrüstung. Ein Rennen vor dem Saisonende hat das Team in diesem Jahr bereits erstaunliche 891 Boxenstopp-Übungen absolviert.
Dazu gehören 70 Wechsel der Fahrzeugnase – zwei davon unter Rennbedingungen. In Mexiko benötigte die Mannschaft nur 9,1 Sekunden, um die beschädigte Fahrzeugnase am Auto von Lewis zu wechseln und einen kaputten Reifen zu ersetzen. Und schon konnte er sich auf dem Weg zum Titelgewinn wieder auf die Jagd nach Vettel machen. Ein Doppelstopp, wenn Lewis und Valtteri in der gleichen Runde hintereinander an die Box kommen, ist ein weiterer Moment, in dem ein hoher Druck auf dem Team lastet. In diesem Jahr war dies fünf Mal der Fall, also bei insgesamt zehn Stopps. Zusammen mit der Fünf-Sekunden-Strafe für Lewis in Bahrain und dem Zwischenfall mit der Cockpitumrandung in Baku sind das jede Menge Stopps.
Das hohe Wettbewerbsniveau der vergangenen Jahre hat alle Teams dazu gezwungen, die Messlatte höher zu legen. Wenn jedes Team regelmässig niedrige Zwei-Sekunden-Stopps anpeilt, liegt umso mehr Druck darauf, schnell zu arbeiten. Gleichzeitig treibt es die Weiterentwicklung der Teams an. Da die Abstände von Jahr zu Jahr geringer werden, ist es umso wichtiger, konstante und saubere Stopps abzuliefern.
Das war die Aufgabe für die Mercedes-Crew in der Saison 2017. Das Team erzielte mit Lewis in Belgien einen blitzschnellen Stopp mit 2,35 Sekunden Standzeit. Den schnellsten Boxenstopps des Jahres absolvierte die Williams-Mannschaft bei Felipe Massa in Silverstone in 2,02 Sekunden.
Bei bislang 49 Stopps in 19 Grands Prix haben die Silberpfeile in dieser Saison neun Mal die schnellste Gesamtzeit in der Boxengasse erzielt. Hinzu kommen sechs Bestwerte bei den Standzeiten. Noch beeindruckender ist jedoch, dass das Team zwölf Mal in dieser Saison die beste Durchschnittszeit für beide Autos in der Boxengasse erzielt hat. Ebenso bemerkenswert ist, dass das Team 17 Mal in den Top-3 der Durchschnittszeiten platziert war. Damit verpassten sie diese nur zwei Mal, nämlich in China und Bahrain. Beide Male waren fehlerhafte Ausrüstungsgegenstände dafür verantwortlich. Anders ausgedrückt: Kein Team war 2017 in der Boxengasse konstanter.
Bei den von DHL ausgewiesenen Standzeiten während der Rennen führt Mercedes das Feld mit einem Mittelwert von 2,55 Sekunden über das Jahr hinweg an. Dabei gilt es zu bedenken, dass diese Leistungen unter sehr hohem Druck abgeliefert werden. In der Formel 1 ist dies allgegenwärtig, aber wenn die Autos an der Spitze liegen, kann man mit einem Fehler alles verlieren. Ein vermasselter Boxenstopp schreibt stets Schlagzeilen, aber einem sauberen Stopp wird selten Beachtung geschenkt – ausser er bringt ein Auto direkt vor einen Gegner. Aber selbst dann wird fast schon vorausgesetzt, dass der Stopp gut verläuft.
Auf der Suche nach Spitzenleistungen können Fehler unterlaufen, ebenso wie Defekte an Ausrüstungsgegenständen, wie sie das Team in China und Bahrain erlebte. Zum Glück arbeitet die Crew eng mit der Strategie-Abteilung und dem Design-Büro zusammen und wird von diesen unterstützt. Die vorderen und hinteren Wagenheber werden zum Beispiel alle im Haus entworfen. Und sollte einer davon versagen, wie es in China der Fall gewesen ist, wird dies genauso ernst genommen wie bei einem Teil des Autos. Jeder einzelne Stopp trägt zur Lernkurve bei. Jedes einzelne Teammitglied hat einen Anteil am Ablauf des Stopps und sie alle geben ständig Feedback für die Daten-Analysen, die vom Strategie-Team durchgeführt werden.