Tückischer Singapur-GP: Die Piloten spüren Hassliebe
Bitte anschnallen, die Air Kobayashi hebt ab
Erinnern Sie sich noch an die «Air Kobayashi»? Der japanische Draufgänger Kamui Kobayashi verschätzte sich in Singapur 2011 mit seinem Singapur ausgerechnet in jener Links-Rechts-Links-Kombination, die nach dem weltberühmten Drink «Singapore Sling» (Singapur-Schleuder) benannt worden ist. Sein Luftsprung verschob das gepflegte Randsteinhüpfen in eine ganz neue Dimension. Mit einer Flugshow wie damals ist in jener Kurve Schluss, seit die Passage durch eine sanfte Linkskurve ersetzt worden ist.
Dennoch ist die spektakuläre Einlage von Kobayashi ein gutes Beispiel dafür, was einem Piloten in Singapur blüht, wenn er für einen Moment lang die Konzentration verliert. Denn der 15. Lauf zur Formel-1-WM stellt Piloten und Teams auf den härtesten Prüfstand – Singapur ist eine einmalige Kombination aus Höchstanforderungen. So heiss wie Malaysia, mental so hart wie Monte Carlo. Dazu kommt die Zeitumstellung. Da können die Piloten noch so versuchen, nach europäischer Zeit zu leben (also in Singapur bis in den Nachmittag schlafen und bis spätnachts arbeiten). Nico Hülkenberg dampft das auf zwei Worte ein: «Singapur schlaucht.»
In Singapur haben die Fahrer ein wenig mehr Raum als in Monaco, um ihre Autos zu manövrieren und einen Mauerkontakt zu verhindern. Dennoch fahren sie auch hier an vielen Stellen rund um den Marina Bay Circuit nur wenige Zentimeter den Leitplanken und Betonelementen entlang. Spielraum für Fehler bleibt da kaum. Zumal die Geschwindigkeiten viel höher sind als am Mittelmeer.
Die Fahrer verspüren für den Nacht-GP eine innige Hassliebe: Es ist aufgrund der Konzentration, der Wärme und der hohen Luftfeuchtigkeit gemäss Daniel Ricciardo «das härteste Rennen des Jahres, denn du hast kaum Zeit, dich zu erholen, die Piste ist buckelig, du kannst kaum atmen». Gleichzeitig taucht Singapur fast bei allen Piloten unter ihren favorisierten Strecken auf – eben genau weil ein Vollblut-Racer eine solche Herausforderung liebt.
Ähnlich wie in Monte Carlo ist es für die Fahrer wichtig, die Fahrzeit in den Trainings voll auszunutzen, um während des Wochenendes in einen guten Rhythmus zu kommen. In Singapur brauchen die Piloten jede Runde, um das Handling der Autos zu verstehen und das Limit auszuloten. Jene Fahrer, deren Fahrzeiten limitiert sind, könnten dadurch eingeschränkt werden.
Auf der Strecke ist noch häufiger als auf anderen Pisten Funkenschlag zu beobachten, wenn also der Unterboden des Autos den Asphalt berührt. Der Funkenflug wird durch die unebene Bahn begünstigt und in der Nacht besonders auffällig. Singapur ist eine der extremsten Pisten in dieser Hinsicht. Wenn das Auto den Boden berührt, wird es unruhig. Die Fahrer müssen also einen Kompromiss bei der Fahrzeugabstimmung finden: Nicht zu niedrig, um zu häufiges Aufsetzen zu verhindern; aber nicht zu hoch, um keine allzu grossen Kompromisse bei der aerodynamischen Effizenz einzugehen.
Die Rennställe werden zum Nachtrennen von Singapur vom 16. September eine Reifenmischungs-Kombination erhalten, wie es sie 2018 bislang noch nicht gab: den weichen Pirelli (gelb markiert), dazu die ultraweichen (violett) und hyperweichen (pink).
Ein interessanter Aspekt in Singapur ist, dass sich die Streckentemperatur beim Sonnenuntergang auf dem Niveau der Umgebungstemperatur einpendelt. Zu dieser Jahreszeit beträgt diese normalerweise 30 Grad. Obwohl es sich hierbei nicht um einen besonders hohen Wert handelt, neigen die Reifen zum Überhitzen. Der Grund dafür sind eine Reihe von Kurven, welche die Reifen stark belasten, gepaart mit nur wenigen Geraden, so dass sich die Reifenoberfläche kaum abkühlen kann.