Das grosse Formel-1-ABC: Endspurt bis zur Zielflagge
Max Verstappen mit funkensprühendem Rennwagen in Spa-Francorchamps
Viel hat sich verändert in der Formel 1, und es war höchste Eisenbahn, wieder einmal die wichtigsten Fachbegriffe aus der Königsklasse zu präsentieren. Zahlreiche davon werden auch in anderen Rennkategorien verwendet.
Im ersten Teil ging es von A bis D, von Abbau bis DRS (drag reduction system), im zweiten Teil haben wir uns um E bis I gekümmert, von der ECU (electronic control unit) bis zu Intermediate-Reifen. Im dritten Teil behandelten wir in der Folge K wie Kerb bis Q wie Qualifying, nun machen wir uns gewissermassen auf die Socken Richtung Z wie Zielflagge.
Radaufhängung
Die bewegliche Verbindung zwischen den Rädern und dem Chassis.
R&D
Steht für «research and development», also Forschung und Entwicklung. Formel-1-Ingenieure sprechen oft davon, ihre R&D-Abteilung habe dies getan und jenes.
Reifenmischung
Formel-1-Alleinausrüster Pirelli setzt in der Formel 1 fünf Reifentypen ein: Intermediates für Mischverhältnisse sind an der Flanke grün markiert, Regenreifen blau, die profillosen (s.) Slicks für trockene Fahrbahn weiss (harte Mischung), gelb (mittelhart) oder rot (weich). Von den Slicks haben die Mailänder für die Saison 2020 fünf verschiedene Mischungen gebaut, von C1 (hart) bis C5 (weich). Je nach Pistentyp und Umgebungstemperatur werden von diesen fünf Mischungen drei zu einem WM-Lauf gebracht. Reifen werden aus so unterschiedlichen Materialien wie Gummi, Stahl und Textil zusammengesetzt. Der Hauptbestandteil ist aber Gummi. Reifen bestehen zu rund 40 Prozent aus Kautschuk. Dabei verwenden die Reifenhersteller sowohl natürliche als auch künstlich hergestellte Stoffe. In der Reifenmischung sind zudem Füllstoffe, Weichmacher sowie Chemikalien enthalten. Ein Reifen kann aus mehr als zehn Gummimischungen bestehen. Die unterschiedliche Zusammensetzung der Gummimischungen ist abhängig von den verschiedenen Anforderungen, die an die einzelnen Bauteile des Reifens gestellt werden. Entscheidend für die Qualität des Reifens ist das Mischungsverhältnis.
Rennkommissar
s. Steward
Re-Start
Wiederaufnahme des Rennens nach einer Unterbrechung, sei dies nach einer (s.) Safety-Car-Phase oder nach einem Rennabbruch.
Roll-out
Erste Probefahrt eines neuen Rennwagens. Wird oft auch als Shakedown bezeichnet.
Safety-Car
Führungswagen des Autosport-Weltverbands FIA vom Typ Mercedes-AMG GT R mit 585 PS, pilotiert von Bernd Mayländer. Der Deutsche geht immer dann auf die Bahn, wenn die Bedingungen schwierig sind (Regen) oder nach Zwischenfällen verschiedener Art. Bei misslichen Verhältnissen kann es vorkommen, dass ein Rennen hinter dem Safety-Car beginnt oder wiederaufgenommen wird. Die Zeitspanne, wenn der Führungswagen auf der Bahn ist, wird als Safety-Car-Phase bezeichnet.
Schikane
Enge, meist S-förmige Pistenpassage, welche das Tempo verlangsamt.
Schwerpunkt
Auch Massemittelpunkt – jener Punkt eines Körpers, in unserem Fall ein Rennwagen, an welchem die auf ihn einwirkenden Kräfte zusammentreffen. Für ein Rennauto gilt, je tiefer der Schwerpunkt, desto besser die Kurvenlage.
Seitenkästen
Englisch «sidepods»: Sie flankieren die Fahrerzelle zwischen Vorder- und Hinterrädern, in ihnen sind die Kühler für Motor und Getriebe untergebracht.
Set-up
Englische Bezeichnung für die Abstimmung des Rennwagens – wie der Rennwagen anhand zahlreicher Verstellmöglichkeiten ideal auf eine Strecke getrimmt wird.
Seven post rig
Eine Siebenstempel-Anlage ist ein (s.) Prüfstand fürs Fahrwerk, der mit Daten von der Rennstrecke gefüttert wird. Die Daten werden auf Stossdämpfer übertragen und schütteln den Wagen durch, als würde er tatsächlich auf einer Strecke fahren.
Simulator
Hochgestochenes, technisches Gerät, das dank entsprechender Software zum Simulieren des Fahrprozesses verwendet wird – bei den meisten Teams eine Fahrerzelle samt Lenkrad und Pedalerie mit Leinwand. Die Piloten bereiten sich im Simulator auf ihre Einsätze vor, können das Fahrverhalten des Autos auf einer bestimmten Strecke spüren oder eine neue Bahn virtuell kennenlernen.
Slick
Profilloser Trockenreifen.
Speed-Limiter
Wird am Lenkrad per Knopf aktiviert, wenn der Fahrer in der Boxengasse eine Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h (selten 60 km/h) nicht überschreiten darf.
Spur
Oder Radspur: Die Stellung von linkem und rechtem Rad zueinander – nicht ganz parallel in Fahrtrichtung. Die Spur beschreibt die Längendifferenz, um welche die beiden Räder einer Achse vorne näher zusammenstehen als hinten. Sind die Räder vorne näher zusammen, so spricht man von positiver Spur oder Vorspur, umgekehrt von negativer Spur oder Nachspur. Im Rennwagen verbessern Änderungen an der Spur Fahrverhalten und Aerodynamik. Der Kniff für einen Formel-1-Renner: Das Auskühlen der Reifen auf den Geraden kann minimiert werden, denn ein leicht nach innen zeigender Reifen heizt sich stärker auf. Mercedes hat das im Winter 2020 mit DAS perfektioniert (dual axis steering, Zweiachsenlenkung) – ein geniales System, mit welchem die Mercedes-Fahrer Lewis Hamilton und Valtteri Bottas während der Fahrt die Spur ihres Rennwagens ändern können.
Steward
Englische Bezeichnung für einen Rennoffiziellen oder einen Rennkommissar. An einem GP-Wochenende stellt der Autosport-Weltverband FIA immer vier Kommissare, welche die Einhaltung der Regeln überwachen und allfällige Vergehen ahnden. Einer muss dabei aus dem Land des GP-Veranstalters kommen, einer ist immer ein ehemaliger Rennfahrer.
Stop-and-go-Strafe
Der Fahrer muss nach einem Vergehen (wie Frühstart, Blockieren eines Gegners, zu schnellem Fahren in der Boxengasse und Ähnliches) an die Box kommen und dort diese Strafe absitzen. In der Zeitspanne von zehn Sekunden (seltener fünf oder zwanzig) darf nicht am Wagen gearbeitet werden.
Streckenposten
Sie zeigen nicht nur Flaggensignale, sondern räumen auch Autos und Trümmerteile von der Bahn. Sie arbeiten in der Regel ehrenamtlich. Oft auch als Marshal bezeichnet.
Sturz
Oder Radsturz – der Winkel zwischen der Radmittelebene und einer Senkrechten auf der Fahrbahn. Bei einem negativen Sturz ist das Rad nach innen geneigt, bei einem positiven nach aussen. Die Arbeit mit dem Radsturz gehört zum Handwerkszeug beim (s.) Set-up.
Superlizenz
Der Führerschein eines Formel-1-Fahrers. Um diese Lizenz zu erlangen, muss ein Fahrer innerhalb von drei Jahren mindestens 40 Punkte sammeln. Punkte gibt es für gute Platzierungen in zahlreichen Rennserien.
T-Car
Von «training car», englischer Begriff für das Ersatzfahrzeug. Früher standen drei oder gar vier Autos in der Box eines Teams. Aus Spargründen sind es heute nur noch zwei. Geht ein Einsatzfahrzeug kaputt, müssen die Mechaniker ein neues aufbauen.
Telemetrie
Altgriechisch für Fernmessung, die Übertragung von Messwerten auf drahtlosem Weg. In der Formel 1 geht es um die Daten von zahlreichen Sensoren, welche den Fahrbetriebszustand erfassen. Das Formel-1-Reglement erlaubt lediglich die Übertragung von Daten vom Fahrzeug an die Box, nicht umgekehrt. Der Fahrer an Bord hat hingegen Zugang zu zahlreichen Informationen über den Zustand seines Renners.
Traktion
Die Kraftübertragung beim Beschleunigen. Wenn die Hinterräder zu stark durchdrehen, sprechen die Fahrer von schlechter Traktion.
Turbo
Turbolader oder Abgasturbolader – Bauteil zur Erzeugung von mehr Motorleistung. Und so geht’s: Ein Teil der Motorabgase wird genutzt, um eine Turbine anzutreiben, diese Turbine ist mit einem Verdichter verbunden, der die Luft komprimiert. Die komprimierte Luft wird dem Verbrennungsmotor zugeführt. Auf diese Weise lässt auch auch aus Triebwerken mit wenig Hubraum viel Leistung holen. In der Formel 1 wird mit 1,6-Liter-Motoren und Einzel-Turbo gearbeitet. Das Drehzahllimit eines Formel-1-Turbo liegt bei 125.000/min. Moderne Formel-1-Antriebseinheiten leisten rund 1000 PS.
Übersteuern
Das Heck des Wagens neigt in der Kurve zum Ausbrechen, er rutscht also zu stark über die Hinterachse. Das Gegenteil von (s.) Untersteuern.
Undercut
Unterschneiden, das Gegenteil des so genannten «overcut». Ein Fahrer geht in der Phase der Boxenstopps früher als sein direkter Gegner an die Box, um frische Reifen zu holen. Er hofft, mit schnellen Runden nach seinem Wechsel so viel Zeit herauszuholen, dass der Gegner nach dessen Stopp hinter ihm zu liegen kommt. Beim Overcut ist es genau umgekehrt.
Untersteuern
Der Wagen schiebt in der Kurve über die Vorderachse und lenkt unwillig, Gegenteil von (s.) Übersteuern.
Unterboden
Eines der wichtigsten Elemente des modernen GP-Renners, um die Aerodynamik des Wagens zu verbessern. Besteht aus Verbundstoff mit Metall-Einlegern und einer Schutzplatte des Einsitzers, die mit Titanblöcken versehen ist. Diese Platte schützt die Fahrerzelle und darf nur bis zu einem bestimmten Grad abgeschliffen werden, die Titanblöcke erzeugen dabei einen spektakulären Funkenflug. Das aufsteigende Ende des Bodens wird Diffusor genannt, er erzeugt den grössen Anteil des Abtriebs am Heck.
V
Die Zylinderbank-Anordnung eines Motors, wird mit der Zylinderzahl kombiniert, in der Formel 1 haben wir V6-Aggregate. Der Zylinderöffnungswinkel ist dabei vorgeschrieben und beträgt 90 Grad.
Virtuelle Safety-Car-Phase (VSC)
Wurde nach dem schweren Unfall von Jules Bianchi 2014 in Suzuka eingeführt. In einer VSC werden die Abstände zwischen den Piloten eingefroren, sie rollen alle in stark vermindertem Tempo um die Bahn. In dieser Zeit können Streckenposten Trümmerteile wegräumen oder kaputte Autos.
Vorstart
Die Piloten begeben sich von ihren Startplätzen auf eine Einführungs- oder Aufwärmrunde, bevor der richtige Start stattfindet.
Warm-up
Aufwärmphase von Motor, Fahrzeug oder Reifen.
Wheelspin
Das Durchdrehen der Hinterräder. Kann ein Pilot die Kraft seines Autos nicht ideal auf den Boden bringen und die Räder drehen durch, dann mangelt es an (s.) Traktion.
Windkanal
Unerlässliches Werkzeug der Formel-1-Aerodynamiker. Mit Modellen im Massstab 2:5 werden jüngste Entwicklungen ausprobiert, um den Abtrieb zu erhöhen und den Luftwiderstand zu verringern.
Windschatten
Englisch «slipstream»: Eine Zone geringeren Luftwiderstands direkt hinter einem Gegner. Der Fahrer setzt sich in den Windschatten seines Rivalen, um einen Geschwindigkeitsvorteil zu erlangen und so leichter an ihm vorbeizugehen. In der Formel 1 ist dies aufgrund der komplexen Aerodynamik schwieriger als beispielsweise bei NASCAR-Tourenwagen in den USA. Abhilfe schafft beim GP-Renner das so genannte DRS (drag reduction system), das dank eines flach gestellten Heckflügel-Elements den Luftwiderstand verringert.
Zielflagge
Die schwarz-weiss karierte Flagge, die einem Piloten anzeigt – das Rennen ist zu Ende. Aber wieso eigentlich dieses Muster? Legenden gehen zurück auf die Kultur der Indianer, auf Pferderennen, auf Radsport in Frankreich, sogar auf Flaggenzeichen in der Schifffahrt oder bei der Eisenbahn. Eine Legende besagt, dass im mittleren Westen der USA mit einem karierten Tischtuch den Teilnehmern von Pferdewettkämpfen angezeigt wurde – abbrechen, denn das Essen ist fertig! Vielleicht ging es im Frühstadium des Autosports, als auf staubigen Pisten gegeneinander gefahren wurde, aber auch nur darum, dass eine Flagge aus weissen und schwarzen Karos im ganzen Staub wohl am leichtesten zu erkennen ist.