Lewis Hamilton: Worte auf dem Weg zu Titel Nr. 7
Lewis Hamilton nach seinem ersten GP-Sieg, in Kanada 2007
Ich hatte einige Male die Möglichkeit, mit Lewis Hamilton Interviews zu führen. Allgemein gilt für unsereines: «Die Rache des Journalisten ist das Archiv», nicht nur im Umgang mit Politikern. Im Falle von Lewis Hamilton ist das hier keine Rache, vielmehr eine Dokumentation, ein Rückblick der anderen Art.
7. Juni 2007: Circuit Gilles Villeneuve, Montreal
Lewis Hamilton war damals ein Rookie, noch ohne Volltreffer in der Formel 1, schien aber siegfähig im McLaren-Mercedes und führte sogar mit seinem Teamkollegen Fernando Alonso die WM-Tabelle an. Am Sonntag gewann Lewis seinen ersten von nunmehr 94 Grands Prix.
Hamilton sagte mir damals unter Anderem: «Ich liebe Strassenkurse und habe in Melbourne gute Erfahrungen gemacht. Ich denke, ich lerne neue Strecken sehr schnell. Ich hoffe, wir können die Leistung von Monaco wiederholen. An jedem Rennwochenende tauchen neue Dinge auf, die ich verbessern kann. Ich habe nicht mit einem dritten und vier zweiten Plätzen gerechnet. Mein bestes Rennen war Melbourne, weil es mein erstes in der Formel 1 war, und ich landete auf Anhieb unter den ersten Drei. Das war nicht zu erwarten. Ich bin doch erst 22, da wird noch viel kommen. Michael Schumacher hörte mit 38 bei Ferrari auf, ich habe also viel Zeit. Ich muss Schritt für Schritt machen. Und dabei muss alles passen. Meine Zeit wird sicher kommen. Klar bin ich nicht hier, um Zweiter zu werden.»
19. Juni 2014: Red Bull Ring, Spielberg
Drei Tage vor dem Comeback des Österreich-Grand Prix war bereits klar, dass Mercedes in der damals neuen Hybridformel dominiert und Lewis um seinen zweiten WM-Titel kämpfen würde. Er erklärte auf meine Frage, wie lange die neue Mercedes-Überlegenheit anhalten könnte: «Ich kann dir sagen, was wir planen – dass sie sehr lang anhalten wird!»
Über die härteste Konkurrenz meinte er: «Sicher machen Ricciardo und Vettel ihre Jobs sehr gut, aber es wird wohl Nico Rosberg sein.» Wenn zwei Rivalen um den Titel kämpfen, können sie dennoch Freunde bleiben? Lewis: «Was Nico und mich betrifft – wir kennen uns, seit wir 13 Jahre alt waren, wir fuhren in diversen Klassen gegeneinander. Wir haben an den Rennstrecken ein kollegiales Verhältnis aufgebaut. Wenn du im Rennen einen Gegner hast, bist du in dieser Situation sicher nicht mehr sein Freund. Aber du kannst das ausserhalb der Rennstrecken sein, obwohl da natürlich jeder seinen eigenen Freundeskreis hat.»
28. September 2017: Sepang International Circuit, Kuala Lumpur
Hamilton hatte drei Siege in Folge gefeiert, lag in der WM 28 Punkte vor dem Ferrari-Piloten Sebastian Vettel. Über den Wendepunkt der Saison und die Erwartungen: «Der Sieg in Silverstone war Wendepunkt, vermute ich mal. Und nach der Sommerpause lief es auch sehr gut weiter, mit drei Erfolgen seither.»
Ob er in Bestform seiner Karriere wäre? «Ich würde sagen, ich bin derzeit am ausgeglichensten.» Und über die Zeit nach 2018, da lief der damalige Vertrag aus: «Ich weiss noch nicht, was dann passiert. Ich werde sicher weiter Rennen fahren und die Zukunft rechtzeitig besprechen. Ich habe eigentlich überhaupt kein Verlangen, andere Rennautos als Formel 1 zu fahren. Nicht, dass ich keinen Respekt für andere habe, mir fehlt dafür nur die Leidenschaft. Die Formel E ist für mich auf einem Niveau unterhalb der Formel Ford oder Renault! Die Formel E ist ja noch langsamer.»
Zum Führungsstil seiner Chefs Niki Lauda und Toto Wolff meinte Hamilton damals: «Sie sind die besten Chefs, die man sich vorstellen kann. Alles, was man hier im Team sieht, ist ihr Verdienst. Mit ihnen zu arbeiten ist grossartig.»
Zum Thema Freizeitgestaltung fiel ihm ein: «Ich bin in der glücklichen Lage, sehr viel Energie in mir zu haben. Sogar wenn ich einmal einen freien Tag habe, frage ich mich: ‚Warum machst du nicht das? Kann ich da vielleicht noch etwas reinpacken?’ Mir ist lieber, ich bin produktiv als herumzusitzen.»
«Wieder zu Hause in Monaco lasse ich mein Gepäck an der Tür fallen und atme einmal durch. Und ich schalte das Fernsehgerät ein; in der Küche, da schaue ich mehr als im Wohnzimmer. Ich liebe Filme. Ansonsten bin ich gern im Freien – Motorradfahren oder im Winter Snowboarden.»
«Ich bin überhaupt kein politischer Mensch, aber ich habe meine Meinung und stehe dazu. Klar schaue ich mir Nachrichten an, aber manchmal finde ich Politik richtig langweilig. Es gibt jetzt komische Typen in Amerika und anderswo, und der Brexit scheint komplett aus dem Ruder zu laufen. Ich weiss nicht, wie das alles ausgehen wird. Aber es soll jeder zu seiner Meinung stehen. Wenn ich etwas poste, erwarte ich nicht, dass alle meine Ansicht teilen. Aber ich will meinen Standpunkt zeigen.»
Sportler-Proteste waren auch 2017 in den USA schon aktuell, ob ein solcher auch für ihn vorstellbar wäre? «Ja, das ist zu überlegen. Freilich ist die Hymne, die vor dem Rennen in Austin gespielt wird, nicht die meinige. Ich habe noch nie gewählt. Ich kann mit meiner einzelnen Stimme ohnedies nichts bewegen.»
28. Juni 2018: Red Bull Ring, Spielberg
Über die anstehende Vertragsverlängerung und ob sie seine letzte in der Formel 1 sein werde, dazu über seinen Teamkollegen Valtteri Bottas: «Das habe ich noch nicht entschieden. Es ist auch für mich nicht klar. Ich hoffe aber nicht, dass es der letzte sein wird. Präferenz bezüglich meines künftigen Teamkollegen? Ja. Meinen derzeitigen, ganz klar. Wir arbeiten gut zusammen, er pusht mich ans Limit. Es ist perfekt.»
Hat Hamilton keine Angst vor Rückschlägen? «Nein, das wäre eine negative Einstellung. Ich versuche, so etwas aus meinen Gedanken herauszuhalten. Mir ist aber absolut bewusst, dass das passieren kann.»
«Nicht jeder Traum ist wahr geworden. Und du träumst immer wieder von Neuem. Ich vermisse im Moment die Nummer 5 (damals den fünften Titel, G.K.). Sie ist derzeit die grösste Herausforderung.»
Ob er Schumachers Rekord von sieben Weltmeisterschaften einstellen oder gar überbieten könne? «Eher nicht, weil ich nicht weiss, ob ich überhaupt so lang Rennen fahren werde. Ich denke, dass vier Titel mit Mercedes bis jetzt schon ein toller Meilenstein sind. Und es wäre grossartig, Fangio mit seinen fünf Titeln einzuholen.»
Über Zustand und Zukunft der Formel 1: «Es ist ein zu grosser Unterschied zwischen den Teams punkto finanziellen Basis. Ferrari kann machen, was sie wollen. Die Formel 1 ist definitiv nicht perfekt aufgestellt. Ich hoffe, dass talentierte junge Fahrer eine bessere Chance bekommen als jene mit viel Geld. Das gilt auch für andere Serien. Ich würde mir die Struktur der Formel 1 genauer ansehen, müsste ich bestimmen. Und würde einige Personen ersetzen. In grossen Unternehmen werden Verantwortliche, die keinen Erfolg haben, gefeuert. Mit Rennfahrern passiert das auch. Im Management unseres Sports ist das nicht so. Ich würde mir das genauer ansehen.»
«Zuerst die Struktur, die Basis der Teams, dann das Auto und die Technik. Wie könnten wir unsere Rennen so machen wie im Kartsport oder bei Tourenwagen, Rad-an-Rad, enge Zweikämpfe? Real Racing halt, das wäre super aufregend – für Fahrer und Zuschauer. Es gibt nur beschränkte Reifensätze, die Autos klingen nicht gut – es ging irgendwie in die falsche Richtung. Hmmm, ich merke gerade, das ist eine ziemlich lange Liste! Ich schätze, ich würde einen wie Toto Wolff engagieren, um die Formel 1 zu lenken.»