Formel-1-Sportswashing? Verantwortliche wehren sich
In Saudi-Arabien soll eine Top-Rennstrecke entstehen
Ende November will die Formel 1 ihre GP-Premiere in Saudi-Arabien feiern, der WM-Lauf auf dem Strassenkurs von Dschidda soll als Nacht-GP ausgetragen werden, längerfristig ist dann der Umzug auf eine permanente Rennstrecke geplant, die südwestlich von Riad entsteht. Der Qiddiya-Rundkurs, dessen Design vom österreichischen F1-Veteranen und ORF-Experten Alex Wurz stammt und den strengsten FIA-Standards genügen wird, soll ab 2023 bereit sein.
Der Tiroler Heinz Kinigadner, zweifacher Motocross-Weltmeister und achtfacher Dakar-Rallye-Teilnehmer, konnte sich als KTM-Berater nach der letzten Ausgabe der härtesten Rallye der Welt selbst vom ehrgeizigen Projekt überzeugen. Der saudiarabische Prinz Abdulaziz bin Turki Al Faisal, der seit Februar 2020 das Amt des Sportministers im Königreich bekleidet, zeigte ihm das Gelände, auf dem die neue GP-Piste im Rahmen eines grossen Geländes entsteht. «Er zeigte mir das ganze Areal, das war damals noch eine Wüste», erinnert sich der 60-Jährige. «Bei der Dakar-Rallye-Zielankunft 2020 waren ja auch einige Formel-1-Piloten zusammen mit Wurz in Saudi-Arabien dabei.»
«Der Minister zeigte mir alles und erzählte mir von einem geplanten Tunnel und anderen Wahnsinnsprojekten, die da entstehen sollen, auch rundherum, das kann man sich gar nicht vorstellen», staunt Kinigadner über das Projekt. «Der Prinz ist sehr aktiv im Motorsport, er fuhr auch Rennen und gewann in der Middle East Porsche GT3 Cup Challenge Serie. Eine Zeit lang war er auch Red Bull-Sportler», erzählt er.
Doch nicht alle Menschen reagieren positiv auf die saudischen Formel-1-Pläne. Die Menschenrechts-Organisation Amnesty International spricht etwa von «Sportswashing», eine Wortkreation von Sports und Whitewashing, wenn reiche, autokratisch geführte Länder grosse Sportveranstaltungen dazu missbrauchen, um sich in der Öffentlichkeit besser darzustellen und von grundlegenden Themen wie Menschenrechtsverletzungen abzulenken. Auch die WM-Läufe in Bahrain, Sotschi und Schanghai sorgen in dieser Hinsicht immer wieder für Kritik, doch diese wollen die Formel-1-Verantwortlichen nicht einfach hinnehmen.
So erklärte der bisherige Formel-1-CEO Chase Carey, der das Zepter nach 2020 an Stefano Domenicali überreicht hat, im CNN-Interview: «Wir sind keine politische Institution, wir sind keine Untersuchungsbehörde. Aber wir führen mit unseren Partner ehrliche Gespräche über unsere Werte und darüber, was uns wichtig ist.»
«Diese Gespräche drehen sich um die Kernrechte jedes Einzelnen, die respektiert werden müssen, um die Möglichkeiten des Menschen, sein Leben zu verbessern. Es ist zum Beispiel klar festgehalten worden, dass Frauen in Saudi-Arabien mehr Rechte erhalten. Wir halten Saudi-Arabien für ein Land, das gewillt ist, den Menschen mehr Gelegenheiten zu geben», stellte der Amerikaner klar.
«Sport bietet die Möglichkeit, Dinge zum Besseren zu wenden. Sport hat Grenzen überbrückt, Menschen und Kulturen zusammengebracht. Die Welt hat einige Orte, die man boykottieren könnte. Aber die Welt kann zusätzliche Orte brauchen, wo Gutes getan wird, durch Ermutigung, durch Bestärkung – nicht durch Proteste und Boykott», ist sich Carey sicher.
Provisorischer Formel-1-Kalender 2021
21. März: Melbourne, Australien
28. März: Sakhir, Bahrain
11. April: Schanghai, China
25. April: Austragungsort noch offen
09. Mai: Barcelona, Spanien
23. Mai: Monte Carlo, Monaco
06. Juni: Baku, Aserbaidschan
13. Juni: Montreal, Kanada
27. Juni: Le Castellet, Frankreich
04. Juli: Spielberg, Österreich
18. Juli: Silverstone, Grossbritannien
01. August: Budapest, Ungarn
29. August: Spa, Belgien
05. September: Zandvoort, Niederlande
12. September: Monza, Italien
26. September: Sotschi, Russland
03. Oktober: Singapur, Singapur
10. Oktober: Suzuka, Japan
24. Oktober: Austin, USA
31. Oktober: Mexiko-Stadt, Mexiko
14. November: São Paulo, Brasilien
28. November: Dschidda, Saudi-Arabien
05. Dezember: Yas Marina, Abu Dhabi