Nico Hülkenberg: «Ich will im Formel-1-Orbit bleiben»
Nico Hülkenberg: «Wer wagt, gewinnt»
Wie Ende 2019 ist Nico Hülkenberg bei der Vergabe der GP-Stammplätze leer ausgegangen. Der 33jährige Emmericher hat 2020 als Ersatzmann für Sergio Pérez und Lance Stroll bei Force India (heute Aston Martin) bewiesen – auf ihn ist Verlass. Seine Arbeit in Silverstone und auf dem Nürburgring war makellos. Daher ist es wenig verwunderlich, dass der Le Mans-Sieger von 2015 mit Aston Martin über eine Rolle als dritter Fahrer verhandeln soll.
Hülkenberg sagt darüber im Interview mit dem Magazin GQ: «Ich möchte im Formel-1-Orbit bleiben und versuchen, für 2022 vielleicht doch noch ein permanentes Cockpit zu finden. Wer weiß schon, was dieses Jahr passiert. Ich lasse das einfach auf mich zukommen und dann muss ich das eben nochmal so machen wie 2020.»
Nico gibt zu: Nach zehn Jahren erstmals keinen festen Platz in der Königsklasse zu haben, das war gewöhnungsbedürftig: «Es war schon eine krasse Veränderung, nach den vielen Jahren in der Formel 1 so zu entschleunigen. Es fühlte sich fast wie ein neuer Lebensabschnitt an. Und diese Auszeit war auch ein bisschen bewusst gewählt. Insgesamt war 2020 für jeden sicherlich ein sehr herausforderndes Jahr. Ich persönlich bin mit meinem Umgang mit der Pandemie recht zufrieden. Unterm Strich war es wohl ein Spagat aus maximaler Ent- und sehr kurzfristiger Beschleunigung.»
«Es gab für die GP-Saison 2020 zwar Gespräche, aber das hat halt dann nicht zusammengepasst. Darum habe ich mir gesagt: Nicht um jeden Preis irgendwie weitermachen, sondern mal ein Jahr raus – auch auf die Gefahr hin, dass ich gar nicht mehr zurückkomme. Ich habe gute zehn Jahre in der Formel 1 gehabt und bin jetzt nicht der Typ, der mit Ach und Krach da weiterfahren will. Schon gar nicht hinten, nur um dabei zu sein. Ich habe also bewusst nein gesagt und stand an einem Punkt, wo diese Auszeit für mich persönlich ganz willkommen war.»
Und dann kam aus heiterem Himmel der Anruf von Racing Point, um für Sergio Pérez einzuspringen, der positiv auf den Corona-Virus getestet worden war. Nico weiter: «Im ersten Moment haben viele gesagt, dass ich das unbedingt machen muss – ich habe aber auch direkt darauf hingewiesen, dass es nicht ganz so risikofrei ist. Was habe ich zu verlieren? Wenn ich’s nicht umsetzen kann, bin ich verbrannt und meine Comeback-Chancen für 2021 stehen schlechter. Aber: Wer nichts wagt, der kann auch nichts gewinnen. Es gab eh nicht viel Zeit, nachzudenken. Also habe ich gesagt: Komm, mach’s, vertrau auf dich und dein Talent. Dazu kam, dass der Racing Point vergangenes Jahr bekanntermaßen ein gutes Auto war. Am Ende des Tages bin ich Vollblut-Racer, das ist meine Passion und mein Handwerk. Das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten hat beim Abwägen den Ausschlag gegeben.»
GQ vergleicht das mit einem Torwart, der in der 89. Minute ohne Aufwärmen aufs Spielfeld kommt und dann gleich einen Elfmeter halten sollte. Nico weiter: «Es ist auf jeden Fall ein Schock fürs System – und ja, der Vergleich trifft’s ganz gut. Einziger Unterschied: Ich hatte schon etwas Trainingszeit, bevor’s ins Qualifying und Rennen ging. Das hat natürlich geholfen, auch wenn die ersten paar Runden ziemlich eierig waren. Dann habe ich mich aber relativ schnell wieder eingegroovt und ein Gefühl fürs Auto entwickelt. Man darf nicht zu viel nachdenken und zweifeln, sondern einfach machen. Ich bin sowieso ein Typ, der unorthodoxe Herausforderungen mag und das Unmögliche gerne möglich macht.»
«Ich habe zwei Mal die Möglichkeit bekommen, in einem guten Auto, mit einem Team, das ich kenne, das zu tun, was ich am besten kann und was ich liebe. Zu dem gibt’s nicht recht viel zu mehr sagen – einfach machen, nicht viel grübeln. Auch wenn die Umstände schwierig sind: So what? Ich wusste, wenn ich das jetzt gut mache, ist der Gewinn umso größer. Wichtig ist einfach der Glaube und das Vertrauen in sich selbst.»
Natürlich war der WM-Siebte von 2018 frustriert, keinen Stammplatz zu erhalten, aber er sagt auch: «Hier muss man schon ein bisschen differenzieren, zwischen der Spitze und dem Rest des Fahrerfeldes. Im Mittelfeld und hinten ist es teilweise schon so, dass andere Faktoren wie Politik und finanzielle Aspekte bei Entscheidungen reinspielen. Das habe ich selbst erlebt. 2010, direkt nach meinem ersten Jahr, hat mich Williams entlassen, weil sie Finanznöte bekommen haben und Maldonado (Pastor Maldonado, die Redaktion) mit ordentlich Mitgift kam. Natürlich war das bitter und frustrierend, aber das sind Faktoren, auf die ich keinen Einfluss habe. Da kann ich fahren wie ich will, das ist dann höhere Politik und das muss ich so akzeptieren – habe ich dann auch. Ich habe aber relativ schnell wieder nach vorne geschaut, mich neu fokussiert auf die Zukunft und auf die Sachen konzentriert, die ich selbst lenken und beeinflussen kann. Alles andere ist verschwendete Zeit und vergeudete Energie.»