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Peter Bayer (FIA): Folgen der Abu Dhabi-Kontroverse

Von Gerhard Kuntschik
FIA-Generalsekretär Peter Bayer (50) leitet eine Untersuchung des kontroversen WM-Finales von Abu Dhabi 2021. Der Österreicher aus Au im Bregenzerwald (Österreich) spricht exklusiv über den Stand der Dinge.

Formel-1-Reformen als Konsequenzen aus dem turbulenten Finale in Abu Dhabi, die Sprint-Qualifyings dieser Saison, Entlastung der Rennleitung – das alles sind Baustellen, um die sich der neue Chef der FIA-Monopostoserien kümmern muss.

Peter, welche Hauptaufgaben stehen derzeit für dich an?

Die globale Organisation des Sports, dabei gehen wohl 90 Prozent der Zeit für die Formel 1 auf. Unter dem neuen Präsidenten Mohammed Ben Sulayem planen wir in enger Zusammenarbeit mit dem kommerziellen Formel-1-Chef Stefano Domenicali die Ausrichtung der Formel 1 für die nächsten Jahre.

Dazu gehören die neue Antriebseinheit ab 2026, die jetzt festzuschreiben ist, sowie Reglemententscheidungen wie die Sprintqualifyings – Anzahl, Punktvergabe und so fort. Und natürlich arbeiten wir auch die letzte Saison der Formel 1, insbesondere das hoch emotionale Finalrennen, auf.

Welche Konsequenzen wird das Rennen in Abu Dhabi haben?

Wir verfolgten die Situation schon das ganze Jahr über intensiv. Wir haben in der Organisation Aufholbedarf.

Du sprichst auch den heftig kritisierten Renndirektor Michael Masi an.

Er hatte in diesen Sekunden, in denen er entscheiden musste, mehrere Optionen, alle nach Reglement. Er hätte das Rennen hinter dem Safety-Car beenden können, er hätte abbrechen können, doch der Unfall Nicholas Latifis hätte das nicht gerechtfertigt. Oder er hätte machen können, was er machte, nämlich da irgendwie herauszukommen.

Ich vergleiche die Situation immer mit einem Fußball-Schiedsrichter bei einem umstrittenen Elfmeter, der gegeben wurde oder nicht. Es geht auch darum, Respekt vor dem Renndirektor zu haben.

Was planst du konkret?

Die Aufteilung der vielfältigen Aufgaben des Renndirektors, der ja auch Sportdirektor, Sicherheits- und Streckendelegierter ist – das war einfach zu viel, diese Rollen werden aufgeteilt auf mehrere Personen. Damit wird die Belastung des Renndirektors reduziert.

Zweiter Punkt ist das Hinterfragen des aktuellen Reglements, speziell des Themas Safety-Car. Die NASCAR-Serie etwa beendet, wenn eine Neutralisation in den letzten zwei Rennrunden nötig ist, das Rundenzählen und hängt die Runden am Ende der Safety Car-Phase an. Das könnte jedoch in der F1 ein Spritproblem hervorrufen, deswegen wird das noch genauer angeschaut.

Drittes Thema ist die Idee, eine ständige Verbindung während des Rennens zu einer «Mission Control» zu schaffen – also wie sie die Teams zu ihren Fabriken unterhalten. Wir überlegen, ein Backup-Team in Genf zu etablieren, das die Rennleitung unterstützen kann.

Der vierte Punkt ist der ständige Funkverkehr. Da werden wir den Leidensweg der Rennleitung abschaffen und massiv etwas ändern. Die Teamchefs werden sich auf diesem Kanal nicht mehr einschalten können, die Teammanager weiterhin schon, die müssen ja rückfragen können. Wir wollen da einen Puffer mit einem Mitarbeiter einbauen, der diese Anfragen entgegennimmt. Der Renndirektor wird sich in Hinkunft auf seine Aufgabe konzentrieren können und wird nicht mehr abgelenkt.

Wird Michael Masi im neuen Team dabei sein?

Das ist noch nicht entschieden. Michael hat in vielerlei Hinsicht einen Superjob gemacht. Wir möchten ihn definitiv nicht verlieren. Wir haben ihm das mitgeteilt, aber auch, dass die Möglichkeit besteht, dass es einen neuen Renndirektor geben kann. Ich kann nur Vorschläge an den Weltrat unterbreiten, und die werden definitiv Michael beinhalten.

Hat sich Masi selbst geäußert, ob er überhaupt weitermachen will?

Er hat gegen die Angriffe einzelner Teams eine relativ dicke Haut entwickelt. Wenn man bei der FIA arbeitet, muss man sich bewusst sein, dass man bei der Sportpolizei arbeitet. Der Polizist bekommt selten Sympathien, wie im täglichen Leben. Was unerträglich wurde, sind Reaktionen in sozialen Medien, da wird vor nichts zurückgeschreckt, wie man an den Morddrohungen gegen Williams-Fahrer Latifi gesehen hat.

Michael hat keinen Social-Media-Account, aber die Anfeindungen in anderen Kanälen haben ihn wirklich getroffen. Ich habe Michael in unseren Gesprächen den Rückhalt des Verbandes zugesichert und ihn wissen lassen: Wir wollen weiter mit dir arbeiten, ich brauche aber auch dein Verständnis, dass wir uns mit dem Thema auseinandersetzen müssen.

Peter Bayer (50) stammt aus Au im Bregenzerwald, absolvierte das Gymnasium in Egg und studierte Wirtschaft in Innsbruck. 2009 bis 2012 war er Generalsekretär der Olympischen Winter-Jugendspiele, danach bei verschiedenen Hochseesegel-Projekten in Lausanne (auch America’s Cup) engagiert. Über Vermittlung eines IOC-Funktionärs wurde er dem FIA-Präsidenten Jean Todt vorgestellt: Seit 2017 ist Bayer Generalsekretär Sport im Automobilverband (FIA) und seit Jahresbeginn Exekutivdirektor der Monopostoserien (operativ verantwortlich für Formel 1, 2, 3 und 4, nicht aber Formel E). Bayer lebt mit seiner Gattin und zwei Söhnen in Lausanne und pendelt in das FIA-Büro in Genf.

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