Sebastian Vettel legt nach: «Vom Wahnsinn besessen»
Sebastian Vettel am letzten Testtag
Viele Formel-1-Fans sind der Ansicht, die heutigen Fahrer hätten nicht die Ecken und Kanten der früheren Haudegen, der moderne Pilot sei nur noch eine Marionette weltweit operierender Konzerne, mit stromlinienförmigen, politisch korrekten, banalen Aussagen. Ich erlaube mir zu widersprechen: Denn ein Sebastian Vettel hatte als erster Pilot den Mumm in den Knochen, zum Thema Russland deutsch und deutlich die Meinung zu sagen.
Der vierfache Formel-1-Weltmeister sprach sich sofort nach dem Einmarsch der Russen in die Ukraine klar gegen die Austragung eines Grossen Preises in Sotschi aus, die F1-Leitung zog einen Tag später nach. Sebastian hatte gesagt: «Es ist ja ein Rennen in Russland geplant, aber ich für meinen Teil habe bereits beschlossen – ich werde dort nicht fahren. Es ist schlicht falsch, in solch einem Land anzutreten. Unschuldige Menschen werden ihr Leben verlieren, aus merkwürdigen, dummen Gründen einer verrückten Landesführung. Ich werde das in der Fahrervereinigung GPDA gewiss thematisieren. Aber mein Entschluss steht fest.»
Vettel musste keinen weiteren Druck machen. Zur Mittagszeit teilte die Formel 1 mit, ein WM-Lauf in Sotschi sei unter den gegenwärtigen Umständen unmöglich.
Zu diesem Zeitpunkt hatte Vettel bereits nachgelegt. In einer Runde mit Kollegen verschiedener Fernsehsender sagt der 53-fache GP-Sieger, ohne das Wort Putin in den Mund nehmen zu müssen: «Manche Leute scheinen vom Wahnsinn besessen zu sein. Sie haben, glaube ich, ihre eigene Wahrheit und eigene Realität. Dass dann Andere dafür leiden müssen, das ergibt für mich keinen Sinn.»
«Wir alle hatten ein Leben, in dem wir ohne Konfrontationen aufgewachsen sind, ohne Kriege. Es gab Ende der 1990er-Jahre mal eine Phase, aber da war ich noch ein kleines Kind und habe wenig mitbekommen oder verstanden. Das jetzt so mitzuerleben und zu hören, wie Leute an die Front geschickt werden und sich in Lebensgefahr begeben müssen, wie viele Menschen schon gestorben sind – das ist furchtbar.»
«Manchmal bewegen wir uns in der Formel 1 in unserer Blase und scheren uns nur um Grip und Reifen. Wir dürfen aber nicht vergessen: Wir alle sind Erdenbürger.»