Stefan Bellof: Vor 40 Jahren begann die Traumkarriere
Das Formel-2-Wunder von Hockenheim, an einem denkwürdigen 4. April 1982 auf dem Hockenheimring: Stefan Bellof aus Gießen fuhr sich als junger Newcomer in die Herzen der Fans und startete an diesem Sonntag endgültig durch zu einer grandiosen Karriere. Ein Tag voller Emotionen und Gänsehaut-Feeling. Ich war damals vor Ort als schreibender Journalist, und obwohl das jetzt schon 40 Jahre zurückliegt, kommt mir alles so vor als wäre es gestern gewesen.
Ein freundlicher Frühlingstag, die Tribünen prall gefüllt, Lauf 2 zur Formel-2-EM im Motodrom von Hockenheim, großer Kurs. Alles blickt auf Stefan Bellof (24), F2-Neuling und Sensations-Sieger beim Auftaktrennen zwei Wochen zuvor in Silverstone.
Hier in Hockenheim steht er sogar auf der Pole, um ihn herum eine Traube von Fotografen, Journalisten und Freunden. Er genießt das Bad in der Menge, erzählt Witze, macht Faxen, lacht laut und herzlich. Man könnte meinen, der Bursche macht sich gerade bereit zu einer fröhlichen Juxfahrt. Von Nervosität keine Spur. Seine Freundin Angelika steht neben ihm, hält den Vollvisierhelm mit dem speziellen Bellof-Design.
Neben seinem elegant schwarzen Maurer-BMW komplettiert der weiß-rote Spirit-Honda des F2-Fighters Thierry Boutsen aus Belgien die erste Startreihe. Dahinter im weißen March-BMW Geburtstagskind Christian Danner. Der BMW-Schützling feiert an diesem denkwürdigen Tag seinen 24. Geburtstag.
Bellof und Danner – das ist sowieso eine brisante Geschichte. Die beiden mögen sich nicht sonderlich. Danner sieht in der Person Bellof Gefahr für seinen Status bei BMW heraufziehen, Bellof wiederum macht sich unverhohlen über Danners Fahrkünste lustig.
Dann der Start: Boutsen und Danner überrumpeln Bellof überfallartig und ziehen vorbei, aber der Konter kommt sofort. Beim ebenso entschlossenen wie rüden Überholmanöver gegen Danner rasiert dessen «Busenfreund» Bellof ihm gleich noch einen Frontflügel mit ab. Kurz danach feuert Danner seinen March in der Ostkurve ins Abseits.
Sechs Runden lang guckt sich Bellof das Heck von Boutsen an, dann kassiert er ihn vor aller Augen in der Bremszone vor der Sachskurve. Eine Demütigung für den Belgier. Das Motodrom tobt vor Begeisterung, es gibt Szenenapplaus bei jeder neuen Durchfahrt, Knallkörper und Raketen werden gezündet.
Nach 30 Runden ist der Traum perfekt, zweiter Start, zweiter Sieg, dazu Pole und schnellste Runde. Unbeschreiblicher Jubel der Fans im weiten Rund des Motodroms. Teamchef Willy Maurer, Konstrukteur Gustav Brunner und Motorenbauer Max Heidegger liegen sich in den Armen. BMW-Sportchef Dieter Stappert, sowieso ausgewiesener Bellof-Fan, kriegt sich kaum noch ein vor Begeisterung. Andere stehen still abseits und verdrücken ein paar Freudentränen.
Dann die obligatorische Pressekonferenz mit dem Sieger-Trio. Bellof sitzt da, lacht und witzelt mit dem Moderator über dies und das. Boutsen rechts daneben ist deutlich irritiert und Corrado Fabi knabbert wechselweise an Fingernägeln und Unterlippe.
Auf die Frage des Moderators, wie er diese Siegesfahrt denn aus seiner Sicht erlebt habe, antwortet Bellof mit breitem Lächeln: «Ja gut, anfangs war’s ein bisschen eng und hektisch, aber danach alles ganz einfach.»
Noch Stunden danach wird Stefan von Fotografen und Korrespondenten in jeden Winkel des Fahrerlagers verfolgt und belagert. Das Presse-Echo ist gewaltig, Fachblätter und Tageszeitungen in ganz Europa feiern den neuen deutschen Formel-Helden und schwelgen in Superlativen. Immerhin hat Stefan Bellof eine neue Rekordmarke gesetzt – er ist der erste und einzige Neuling der F2-EM-Geschichte, der seine ersten beiden Formel-2-Rennen gewinnt.
Am Abend des Gänsehaut-Tages veranstalten BMW-Sportchef Stappert und ich eine Art Glückseligkeits-Trinken an der Hotelbar des Holiday Inn in Walldorf. Wir sind einfach nur happy, weil wir beide für diesen Erfolg im Hintergrund an so vielen Stellschrauben gedreht haben.
Und dann denkt Dieter Stappert irgendwann zu vorgerückter Stunde laut: «Der Bellof wird ein richtig Großer, ich glaube, der würde prima in unser Formel 1-Programm passen.» Der Plan klingt gut, wird aber nie Realität, weil die Chemie zwischen Stefans F2-Teamchef und Manager Willy Maurer und einigen der BMW-Verantwortlichen nicht stimmt.
Das Presse-Echo war gewaltig. Und nach diesem 4. April 1982 begann quer durchs Land wieder mal die bis dahin unerfüllte Hoffnung auf den ersten deutschen Formel-1-Weltmeister aufzukeimen.
Dreieinhalb Jahre später endete diese ebenso grandiose wie märchenhafte Rennfahrer-Karriere in Spa in den Trümmern eines Porsche 962 und einem Meer von Tränen und Trauer. Stefan starb knapp zwei Monate vor seinem 28. Geburtstag. In den Herzen seiner immer noch riesigen Fan-Gemeinde bleibt der große Blonde mit dem dicken Gasfuß und dem donnernden Lachen aber wohl unsterblich.