Formel 1: Max Verstappen – Chancen verspielt?

Hannah Schmitz: Kluger Kopf hinter Verstappen-Erfolg

Von Andreas Reiners
Hannah Schmitz

Hannah Schmitz

Hannah Schmitz ist ein Paradebeispiel dafür, dass Frauen im Motorsport Schlüsselrollen besetzen können. Sie ist bei Red Bull Racing die Chefstrategin und damit ein wichtiges Pfund im Kampf um den WM-Titel.

Wenn es hektisch wird, legt Hannah Schmitz beide Handflächen flach auf die Tischplatte. «Ich glaube, die Fähigkeit, in schwierigen Situationen ruhig zu bleiben, gehört zu den wichtigsten Attributen eines Strategen», sagt Schmitz. Deshalb die «Beruhigungstechnik».

«Das hilft dir dabei, klarer zu denken und die gezogenen Schlüsse nachdrücklicher zu kommunizieren», stellte sie klar. So ist zu einem wichtigen Puzzleteil in der Erfolgsgeschichte von Red Bull Racing geworden.

Hannah wer? 2019 nach dem Lauf in Brasilien stand sie erstmals im Mittelpunkt, als sie neben Gewinner Verstappen auf dem Podium stand und strahlend den Pokal in die Höhe reckte: Die Engländerin war schon damals ein essenzieller Grund für den Sieg des Niederländers.

Schmitz ist als «Principal Strategy Engineer» einer der klugen Köpfe hinter den Erfolgen von Red Bull Racing, sie ist die Taktikerin, sie ist diejenige, die den Unterschied machen kann.

Schmitz besetzt «eine Schlüsselrolle, an der Strecke an der Boxenmauer zu sitzen und alle Daten und Informationen zu nutzen, um Entscheidungen über die Rennstrategie zu treffen», sagt Teamchef Christian Horner. «Diese Rolle ist der Dreh- und Angelpunkt.»

Schmitz arbeitet mit dem Leiter der Rennstrategie, Will Courtenay und einem erfahrenen Team von Analysten zusammen. Mit Courtenay wechselt sie sich ab, mal ist der eine vor Ort an der Boxenmauer, mal der andere in der Einsatzzentrale in Milton Keynes.

Zusammen tüfteln sie die Rennstrategie aus, verarbeiten Milliarden von Simulationen über das Tempo des Autos, die Streckenbedingungen und den Reifenabbau, um dann in Sekundenbruchteilen auf unvorhergesehene Zwischenfälle zu reagieren.

Fingerspitzengefühl, Sachverstand, Ruhe, Souveränität

Um Fragen zu beantworten wie: Wann und wie oft werden die Boxenstopps durchgeführt? Welche Reifen werden benutzt? Wann wird attackiert, wann lässt man es ruhiger angehen? Und wann sollten die Fahrer zusammenarbeiten? Alles Entscheidungen, die auf Daten basieren. Aber auch Entscheidungen, die durch Ereignisse im Rennen von jetzt auf gleich über den Haufen geworfen werden können. Fingerspitzengefühl ist dann gefragt, aber auch Sachverstand, Ruhe, Souveränität, ein Gespür für die Situation. Antizipation. Vor allem an der Boxenmauer, wo es hektisch ist, laut, wo alles zusammenläuft und wo man einen extrem kühlen Kopf benötigt.

«Ich finde es unglaublich spannend. Man ist ganz schön aufgeregt, wenn man den Bruchteil einer Sekunde Zeit hat, eine Entscheidung zu treffen», sagt Schmitz. «Dann hat man vielleicht 20 Sekunden Zeit, was sich nicht nach viel Zeit anhört, aber in einem Rennen kann es sich wie ein ganzes Leben anfühlen, dort zu sitzen und darauf zu warten, ob sich die Entscheidung ausgezahlt hat.»

Schmitz, Maschinenbau-Absolventin der University of Cambridge, fing 2009 als Praktikantin bei Red Bull Racing an. 2019 in Brasilien, als sie auf dem Podium stand, gehörte sie schon länger zum Strategieteam und war zuvor erst aus dem Mutterschaftsurlaub in den Job zurückgekehrt. Für die Zuschauer war es nur ein Moment, als sie da auf dem Podium strahlte.

Für sie war es nach einer taktischen Meisterleistung im Rennen «ein ganz besonderer Moment und der Höhepunkt meiner Karriere», verrät sie. «Ich war gerade erst nach der Geburt meines ersten Kindes wieder ins Berufsleben eingestiegen, also war es eine große Sache für mich, zu beweisen, dass ich immer noch hier bin und den Job gut machen kann. Es war einfach eine unglaubliche Erfahrung.»

Macho-Welt voller Vorbehalte

Das war es nicht immer, denn natürlich ist der Motorsport immer noch eine Macho-Welt, die Vorbehalte gegenüber Frauen sind weiterhin groß, auch hinter den Kulissen, innerhalb eines Teams, selbst bei einem nicht körperlichen Job. «Ich glaube, viele Leute trauen einem anfangs nicht zu, dass man den Job machen kann», sagt sie.

Klar: Jeder muss sich erst beweisen, muss sich das Vertrauen, den Respekt erarbeiten. Als Frau aber offenbar immer noch ein bisschen mehr. «Als Stratege muss man vielen Leuten sagen, was sie zu tun haben, und sie müssen auf einen hören. Es ist schwierig, dieses Vertrauen aufzubauen, und als Frau war das leider schwieriger», sagte sie.

Jetzt habe sie diesen Respekt, sagt sie, und sie möchte Vorbild sein in einem Sport, der sich für mehr Vielfalt einsetzen will, dem aber die weiblichen Leitfiguren fehlen. Schmitz ist eine. «Ich hoffe, dass andere junge Frauen, die in den Sport einsteigen wollen, sehen, dass man es schaffen kann, dass man es sich zu eigen machen kann, und dann werden wir mehr Vielfalt sehen», sagte sie.

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