Formel-1-Sünder: 16 GP-Piloten, die gesperrt wurden
In loser Reihenfolge gehen wir in Form von «SPEEDWEEKipedia» auf Fragen unserer Leser ein. Dieses Mal möchte Peter-Paul Kreis aus Leibstadt wissen: «Vor kurzem habt ihr darüber berichtet, wer vorbestraft in die GP-Saison 2024 gehen wird. Ich weiss noch, dass vor zehn Jahren oder so der Franzose Romain Grosjean wegen eines Unfalls in Belgien Startverbot erhielt beim folgenden Lauf. Könnt ihr einmal zeigen, wer sonst alles gesperrt werden musste?»
Leser Kreis hat Recht: Seit mehr als elf Jahren hat es keine solche Sperre mehr gegeben. In der Story hier finden Sie den gegenwärtigen Stand der Strafpunkte. Akut gefährdet ist derzeit kein Fahrer. Aber mehr Piloten als erwartet wurden an der Teilnahme bei einem Grand Prix gehindert – aus verblüffend unterschiedlichen Gründen. Hier eine kleine Auswahl.
Romain Grosjean 2012
In Belgien 2012 fuhr Romain Grosjean los, als würde die Zielflagge schon nach wenigen hundert Metern gezeigt. Er räumte die Weltmeister Lewis Hamilton und Fernando Alonso ab, auch Sergio Pérez wurde aus dem Rennen gerissen, der Lotus von Grosjean schrammte um Haaresbreite am Helm des damaligen Ferrari-Stars Alonso vorbei. Haarsträubende Unfälle wie dieser führten dazu, dass beim Autoverband FIA über die Einführung eines Kopfschutzes nachgedacht wurde. Den haben wir seit 2018, er heisst Halo (Heiligenschein). Grosjean musste beim auf Belgien folgenden Rennen von Monza zuschauen.
Yuji Ide 2006
Fiel in den ersten WM-Läufen der Saison 2006 durch ungleichmässige Fahrweise auf. Das Fass zum Überlaufen brachte der Crash zwischen Ide und Minardi-Fahrer Christijan Albers, dessen Auto sich in Imola überschlug. Nach zahlreichen Beschwerden weiterer Fahrer entzog der Autoverband FIA dem Japaner die Superlizenz.
Jenson Button und Takuma Sato 2005
In Imola waren die beiden BAR-Honda-Renner untergewichtig unterwegs gewesen, der Engländer und der Japaner mussten zur Strafe bei den zwei folgenden Rennen in Monaco und Spanien zuschauen. Besonders bitter: BAR-Hauptsponsor British American Tobacco hatte zum Prestige-GP von Monte Carlo Hunderte von Gästen eingeladen – die keines ihrer Autos zu sehen erhielten.
Michael Schumacher 1994
Während der Paraderunde zum britischen Grand Prix in Silverstone zog Schumi zwei Mal an seinem Erzrivalen Damon Hill vorbei. Dafür erhielt er eine Stop-and-go-Strafe. Später sass er die zwar ab, liess seinen Wagen aber unmittelbar vor dem Absitzen der Strafe auftanken. Das ist auch heute noch verboten. Die anschliessende schwarze Flagge, mit dem er aus dem Rennen geholt werden sollte, ignorierte der Benetton-Fahrer rundenlang. Daraufhin wurde er von der FIA für die Grands Prix in Monza und Estoril gesperrt.
Mika Häkkinen 1994
Löste nach dem Start zum Deutschland-GP in Hockenheim eine Massenkarambolage aus und musste in Ungarn zuschauen.
Eddie Irvine 1994
War ganz schön was los in der Saison 1994, nicht wahr? Jordan-Fahrer Irvine galt aus Auslöser eines Crashes mit Jos Verstappen, Eric Bernard und Martin Brundle in Interlagos, bei dem sich der Wagen des Niederländers überschlug. Irvine wurde für die Rennen in Japan, Italien und Monaco gesperrt.
Nigel Mansell 1989
Der damalige Ferrari-Fahrer schoss beim Boxenstopp über seine Markierung hinaus, legte den Rückwärtsgang ein und setzte zurück. Das ist auch heute noch ein Gehtgarnicht. Nachdem «il leone» wieder auf die Bahn geschossen war, wurde ihm die schwarze Flagge gezeigt. Was den Engländer nicht daran hinderte, noch rasch McLaren-Star Ayrton Senna von der Bahn zu räumen. Daraufhin musste Mansell in Jerez zuschauen. Nigel war so sauer, dass er mit Rücktritt drohte.
Emilio de Villota 1981
Um das Interesse für ihr Rennen von Jarama ausserhalb von Madrid anzukurbeln, wollten die Organisatoren des Spanien-GP den Madrilenen Emilio de Villota mitfahren lassen. Nur war inzwischen das so genannte Concorde-Abkommen in Kraft getreten, die erste Version der Formel-1-Verfassung, welche die sportlichen und wirtschaftlichen Zusammenhänge im Dreieck Verband, Rennställe und Formel-1-Management regelt. Und der sah vor: kein Start für Privatfahrer mehr. Pech für de Villota.
Ricardo Londono 1981
Gemäss Marc Surer tauchte der Kolumbianer mit einem Koffer voller Geld zweifelhafter Herkunft auf und wollte Formel 1 fahren. Die Regelhüter fanden das keine sonderlich gute Idee und verweigerten ihm mangels Rennerfahrung den Start. Für Ensign und Surer war das ein Segen – in Rio fuhr der Basler das Rennen seines Lebens, wurde Vierter und fuhr die besten Rennrunde. Londono wurde 2009 in Kolumbien erschossen. Die Umstände wurden nie geklärt.
Riccardo Patrese 1978
Der Italiener wurde von den anderen Piloten für den Start-Crash von Monza verantwortlich gemacht, bei dem sich Ronnie Peterson Beinbrüche zuzog. Der Schwede erlag in der folgenden Nacht einer Fettembolie. Die Fahrer machten so viel Druck, bis der Autoverband Patrese mit einer Rennsperre für den USA-GP belegte.
Hans Heyer 1977
Heyer hatte sich für den Grossen Preis von Deutschland nicht qualifizieren können. 30 Fahrer hatten trainiert, 24 waren für den Start berechtigt, aber Heyer war im ATS-Penske nur auf Quali-Platz 27 gelandet. Das hielt den schlauen Hans nicht von einem gewagten Plan ab: «Ich habe mein Auto an einer strategisch günstigen Stelle platziert und gewartet. Die Grid-Girls waren damals Gokart-Fahrerinnen, und ich kannte die meisten von ihnen gut. Ich sagte – Mädels, wenn ihr von der Startaufstellung zurückkommt, dann stellt euch um mein Auto herum und gebt mir Sichtschutz.»
Gesagt, getan: Das Feld ging auf die Reise, kurz darauf bog – zum Gejohle der Fans – nach Hans Stuck im Brabham-Alfa und Jochen Mass im McLaren-Ford ein dritter deutscher Fahrer auf die Bahn ein! Die Rennleitung war so baff, dass es eine Weile dauerte, bis ihnen dämmerte: Da fährt einer, der gar nicht fahren sollte. Noch bevor die schwarze Flagge ausgerollt werden konnte, rollte der Penske aus – Getriebdefekt. Später ist Hans Heyer vom Autoverband mit einer GP-Sperre belegt worden. Das hat den Schelm herzlich wenig gestört, denn weitere Formel-1-Starts waren ohnehin nicht geplant.
Otto Stuppacher und Karl Oppitzhauser 1976
Die beiden Österreicher wurden nicht zum Training auf dem Österreichring zugelassen. Stuppacher startete sogar eine Unterschriftenaktion unter den anderen Piloten, aber der Veranstalter blieb hart – zu wenig Erfahrung. Der Privatfahrer hatte mit seinem Tyrrell dann Pech. In Monza durfte Stuppacher tatsächlich fahren, war aber zu langsam. Also reiste er vor dem Rennen ab. Nach dem Qualifying wurde in den Autos von Hunt, Mass und Watson angeblich illegaler Sprit gefunden, Stuppacher wäre daher auf den startberechtigten 26. Rang hochgerückt! Leider war er zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in Monza.
Lella Lombardi 1976
Die Italienerin stand auf einmal ohne Auto da, weil der Tessiner Loris Kessel ihren RAM-Brabham beschlagnahmen liess. Grund war ein Streit zwischen dem Schweizer und RAM-Teamchef John Macdonald um Sponsorgeld von Tissot.
Ken Richardson 1951
Richardson war Testfahrer des tollen V16-Renners von BRM, was einer Löwenbändigung gleichkam. In Monza wollte er sein Renndebüt geben. Mit Startplatz 10 sah das nicht übel aus. Bis die Italiener merkten, dass Richardson die notwendige Rennlizenz gar nicht besitzt. Er wurde gesperrt und trat nie wieder zu einem WM-Lauf an.