Willi Siller: Mit GP-Teamchef auf dem Fußballplatz
Willi Siller (75) mit einigen Pokalen
Diese unglaubliche Szene trug sich im Sommer 1977 in der 1700-Einwohner-Gemeinde St. Koloman im Salzburger Tennengau zu. Der Teamchef war Walter Wolf (der in dieser Saison mit Jody Scheckter im Blickfeld stand – drei GP-Siege, Vizeweltmeister!), der Champion Niki Lauda (der auf dem Weg zum zweiten Titel mit Ferrari war). Und beide kamen durch die freundschaftliche Verbindung zu zwei Einheimischen zu diesem Besuch.
Denn Rupert «Bertl» Wimmer war nicht nur Obmann der Fußballer, sondern auch engster Vertrauter von Niki – Wimmer verstarb 2019 nur sechs Wochen nach Niki 79-jährig.
Walter Wolf wiederum war schon seit 1975 Unterstützer des Formel-3-Piloten Willi Siller aus St. Koloman, der exakt 20 Jahre älter als Michael Schumacher ist und am 3. Januar den 75. Geburtstag feiert – Jahrgang 1949, wie Niki und Walter Lechner senior.
«Es war keine wie sonst übliche Eröffnung mit Bürgermeister, Pfarrer und Musikkapelle. Walter und Niki machten daraus ein Volksfest mit mehr Besuchern als St. Koloman Einwohner hatte», erinnert sich Siller, der Wolf nicht nur als eigenen Förderer hatte, sondern den aktuell in Wien und Kanada lebenden ex-Industriellen zur Unterstützung des Sportplatzprojekts bewegen konnte.
Während Mitte der 1970er-Jahre die Formel-1-Karrieren von Laudas Landsleuten sehr kurz (Quester, Binder, Ertl) oder tragisch (Koinigg) verliefen, kam Siller nie so weit, obwohl er anklopfen durfte.
Im Herbst 1976, der Salzburger war Siebter der britischen Formel-3-Meisterschaft geworden, testete er in Silverstone den Boliden von Walter Wolf. Wie auch zwei Herren namens Mario Andretti und Bobby Rahal.
Andretti kam 1977 bei Lotus unter, Rahal (der nachmalige dreifache CART-Champion und Indy-500-Gewinner, heute BMW-Speerspitze in der IMSA) fuhr 1978 die Nordamerika-Rennen für den Austrokanadier.
Für Siller blieb die Formel 1 ein Traum – aus finanziellen Gründen, aber auch, weil der stille Salzburger in der englischsprachigen Welt nicht gewandt genug war.
Er gibt heute zu: «Mir fehlte für den Durchbruch die Erfahrung im Kart, die war schon damals wichtig. Die benötigten Sponsorsummen wurden immer höher. Und meistens musste ich mit gebrauchten Reifen fahren, für neue fehlte das Geld. Dennoch: Ich hab’ nie eigenes Geld in meine Karriere stecken müssen, deshalb hatte ich auch nie Schulden.»
Siller, gelernter Mechaniker, begann erst 23-jährig im Tourenwagen mit dem Rennsport. Die Autos bereitete er selbst vor. Rückblickend erzählt er: «In der Früh von St. Koloman (950 Meter Seehöhe, die Redaktion) hinunter zur Arbeit und abends wieder bergauf, und das fast immer quer in jeder Kurve, nicht nur im Winter – das war ständiges Training.»
Als er dann die ersten Rennen fuhr, hatte er eine Dreifachbelastung: «Rennfahrer und der eigene Mechaniker, denn ich musste alles das, was ich am Wochenende kaputt machte, wieder selbst in Nachtschichten herrichten. Und dann war noch der normale Wochentagsjob in der Werkstatt.»
Als Salzburger war die frühe Verbindung zum Team Schnitzer in Freilassing naheliegend. In einem Schnitzer-BMW wurde Siller 1975 Berg-Europameister bei den Spezialtourenwagen.
«1975 feierte ich in 28 Rennen 20 Siege», erinnert sich der Tennengauer nicht ohne Stolz. Da begann auch die Unterstützung durch Wolf, der Siller auf dem Salzburgring entdeckte. Es folgte der Umstieg in den Formelsport: Formel 3, Formel 2 bis 1980, es waren die Jahre, in denen Siller gegen fast alle künftigen F1-Stars antrat: Patrese, Prost, Pironi, Surer, Sullivan und so fort.
Vier österreichische Staatsmeistertitel im Rennwagen gelangen fast «en passant». Dann kamen auch Procar-Einsätze und bald wieder Tourenwagen – bis zur WM-Saison 1987 mit den 24 Stunden von Spa als letzten größeren Einsatz (mit Roberto Moreno und Allan Grice, das Trio schied aus). Danach wurde Siller mehr und mehr auch der schnell abrufbare Testfahrer für die Nachbarn aus Freilassing: «Wir rückten oft auf den Salzburgring aus, wenn es rasch einen Test geben musste.»
1978 eröffnete Siller seine Karosserie-Spenglerei in Kuchl, in der er auch heute noch als Pensionist werkt. «Von schweren Unfällen mit Folgen blieb ich zum Glück immer verschont», meint er nachdenklich.
Die Formel 1 beschäftigt den nun 75-Jährigen nur als Fan und TV-Zuschauer. Die Nachbetrachtung mittwochs am Kuchler Motorsport-Stammtisch (u. a. mit Herbert Schnitzer, Peter Reinisch, Arno Zensen und anderen Rennsport-Pensionisten) verläuft meist hitziger als die Rennen.