Formel 1: Max Verstappen ist Champion

Ex-Strategiechefin: Deshalb war Vettel einschüchternd

Von Andreas Reiners
Bernadette Collins

Bernadette Collins

Als der Wechsel von Sebastian Vettel zu Aston Martin feststand, musste Bernadette Collins erst einmal schlucken. Denn dem Deutschen eilte ein Ruf voraus, der die Strategiechefin ein wenig einschüchterte.

Bernadette Collins weiß, wie die großen Rennfahrer ticken. Schließlich hat sie während ihrer Karriere mit Jenson Button, Nico Hülkenberg und auch Sergio Pérez zusammengearbeitet. Ihr erstes Praktikum absolvierte sie bei McLaren bereits mit Anfang 20, später arbeitete sie als Performance-Ingenieurin bei dem Traditionsrennstall. Bei Aston Martin (früher Racing Point) startete sie 2015 als Strategieingenieurin, wurde später dann Strategiechefin.

Sie war bekannt dafür, klare Anweisungen zu geben und die Richtung vorzugeben. Doch die Zusammenarbeit mit Sebastian Vettel brachte eine neue Herausforderung. Als Vettel 2021 von Ferrari zu Aston Martin wechselte, war sein Ruf als kritischer Fahrer, der seine Meinung auch öffentlich äußerte, allseits bekannt. Dieses Verhalten hatte er bereits bei Ferrari mehrfach unter Beweis gestellt.

Collins stand nun vor der Aufgabe, mit einem der anspruchsvollsten und direktesten Fahrer im Feld zusammenzuarbeiten. Eine Herausforderung, die ihren Werdegang in der Formel 1 um eine weitere faszinierende Facette bereicherte. Im Podcast «Beyond the Grid» verriet «Bernie», dass die Nachricht des Wechsels sie deshalb durchaus aufwühlte.

«Es war sehr einschüchternd, wenn man weiß, dass er in der Vergangenheit so kritisch war», sagte sie. «Auch in den Strategiemeetings hat er immer viele Fragen gestellt. Er war immer über alles im Bild und wollte die Pläne verstehen.»

Die Herausforderung für die Strategin wurde durch einen wesentlichen Faktor verstärkt: Sie konnte bei den ersten Testfahrten nach Vettels Ankunft bei Aston Martin nicht dabei sein. Dieser Umstand erschwerte es erheblich, schnell eine effektive Arbeitsbeziehung mit dem viermaligen Weltmeister aufzubauen. In der hochdynamischen Welt der Formel 1 ist die Chemie zwischen Fahrer und Team entscheidend, sei es in Bezug auf den Renningenieur oder die strategischen Entscheidungen.

Das Fehlen bei den Testfahrten bedeutete, dass wertvolle Zeit verloren ging, in der normalerweise die Feinabstimmung zwischen Fahrer und Strategenteam erfolgt.

Teamwork in der Formel 1 essenziell

Wie erfolgreiches Teamwork geht und was es bewirken kann, beweisen aktuell zum Beispiel Red Bull Racing und Max Verstappen, ob nun bei den unterhaltsamen Interaktionen zwischen dem Weltmeister und seinem Renningenieur Gianpiero Lambiase oder in der Zusammenarbeit zwischen Verstappen und dem Taktikteam um Chefstrategin Hannah Schmitz. «Du möchtest einfach richtig starten. Es war sehr wichtig, mit dem richtigen Fuß zu beginnen», sagte Collins.

Das klappte dann auch ohne die Testfahrten. Es passte zwischen Collins und Vettel, sowohl menschlich als auch fachlich. Vettel selbst sei dabei «persönlich deutlich netter gewesen, als ich erwartet hatte», sagte sie. «Vielleicht lag das aber auch nur an der Erwartungshaltung, aber die Beziehung war echt großartig.» Auch weil Vettel «ein sehr gutes Verständnis» darüber hatte, «was du erreichen möchtest und warum das vielleicht nicht funktioniert», sagte sie.

Verborgene Vettel-Talente

Ein weiterer Punkt: Vettels sehr gutes Gedächtnis. «Er ist frühere Rennen durchgegangen und hat dann gesagt: 'Wie wäre es wie damals, keine Ahnung, 2010?' Und ich habe dann gesagt: 'So weit habe ich nicht zurückgeschaut.' Aber dann muss man zurückgehen und sich das anschauen», sagte Collins.

Sie verriet daneben auch, dass Vettel Talente hatte, die man als Zuschauer nicht auf den ersten Blick erkennen konnte. Diese Fähigkeiten machen aber einen Champion aus. «Viele großartige Fahrer, wie Sebastian einer war, konnten sich ein wirklich gutes Bild davon aufbauen, was um sie herum passiert und was du mit der Strategie versuchst», sagte sie. «Er konnte sich die Linien, die wir auf dem Papier hatten, so vorstellen, als würden sie im echten Leben passieren.»

Vettel, bekannt für seine intensive Beteiligung am Rennprozess, kommunizierte zwar vorrangig über seinen Renningenieur, doch ließ er es sich nicht nehmen, aktiv an den strategischen Diskussionen teilzunehmen. Vettel prägte damit auch die Art und Weise, wie das Team Strategien entwickelte und umsetzte, und brachte seine Erfahrung und seinen Verstand in den Planungsprozess mit ein.

«Das hört man oft von den Fahrern, die fit und in der Lage sind, während des Rennens auf die Leinwände zu schauen und zu sagen: ‚So-und-so hat gestoppt. Ich weiß, was als Nächstes passieren wird‘ - und sie machen sich ein Bild davon, wie es aussehen könnte», so Collins.

In den Jahren 2021 und 2022 gab es leider nur spärliche sportliche Glanzmomente. Ihre gemeinsame Zeit bei Aston Martin fand ein vorzeitiges Ende, als Collins nach dem Großen Preis von Ungarn 2022 das Team verließ. Interessanterweise fiel dieses Rennen mit Vettels Ankündigung zusammen, dass er sich zum Ende der Saison aus der Formel 1 zurückziehen würde.

Nach dem Rennen meldete sich Vettel am Funk: «Kann Bernie mich hören? Ich hätte es fast vergessen. Danke für ... Ich war nur zwei Jahre - eineinhalb - mit dir hier, aber es hat Spaß gemacht und du bist ein großartiger Mensch. Danke, großer Kuss.» Sein Renningenieur antwortete: «Sie ist ziemlich errötet, Sebastian.»

Die Show gestohlen

Denn der Dank hat ihr viel bedeutet. «Es hätte noch mehr bedeutet, wenn er mir nicht die Show gestohlen hätte», lachte sie mit Blick auf Vettels Rücktrittsankündigung. Trotzdem war es der perfekte Abschluss einer langen Formel-1-Reise für die heute 37-Jährige, die inzwischen als TV-Expertin arbeitet und für Sky und F1 TV die Strategien analysiert. «Er hat das, was wir gemacht haben, sozusagen angenommen und sich dahinter gestellt und mitgemacht», sagte sie: «Und dann diese Art von Beziehung zu haben, bis zu dem Punkt, an dem er dankbar war für die Arbeit, die man reingesteckt hat, das war ein ganz besonderes Gefühl, und es ist schön, auf dieser Ebene respektiert zu werden.»

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