Australien-GP: Die vier emotionalsten Momente
Melbourne ist einer jener Austragungsorte, wo sich der Grand-Prix-Zirkus von Herzen willkommen fühlt. Eine Woche lang herrscht in der Stadt Ausnahmezustand, und die sportverrückten Melbornians sind voll bei der Sache. Den Fans wird im Albert-Park Donnerstag bis Sonntag vom Morgen bis am Abend Racing-Action geboten – so soll es sein!
Wenn ich auch meine Rennwochenenden in Melbourne zurückblicke, so sind mir vier Momente besonders kraftvoll in Erinnerung geblieben.
Angst um Martin Brundle
Kurve 3 ist die gefährlichste Ecke des Albert Park Circuit, bis heute: Hier zerlegte Martin Brundle bei der GP-Premiere von Melbourne 1996 seinen Jordan, nachdem er beim Anbremsen mit dem Sauber von Johnny Herbert und dem McLaren von David Coulthard kollidiert war. Im Pressesaal guckten wir uns erschüttert an, und jeder Blick sagte: «Ich habe ein ganz mieses Gefühl.»
Dann aber krabbelte Brundle aus dem Totalschaden und eilte zurück Richtung Box, als wäre nichts passiert. Dort schlüpfte der unerschrockene Engländer ins Ersatzauto (das gab es damals), weit kam er beim zweiten Start aber nicht – Kollision mit dem Wagen von Pedro Diniz, Ausfall.
Als Brundle später die Aufnahmen seines Sturzflugs sah, war ihm der Ausfall egal. Er wusste, er hatte seinen zweiten Geburtstag gefeiert.
Mark Webber, der Siegerpodest-Pirat
Mark Webber wurde 2002 in seinem ersten Grand Prix Fünfter. Das war aus mehreren Gründen hochemotional: Minardi-Teambesitzer Paul Stoddart stammte aus Melbourne. Und Webber trug ein Auto ins Ziel, das an sich WM-punkteunfähig war. Siehe Startplatz 18 von 22 Teilnehmern. Mark entging aber dem üblichen Gerangel der Piloten auf dem tückischen Kurs und machte auch sonst alles richtig.
Nach dem Rennen tauchten Webber und Stoddart urplötzlich auf dem Siegerpodest auf. Der Jubel der Fans war größer als zuvor bei den drei Erstplatzierten Schumacher, Montoya und Räikkönen. Stoddart wedelte mit einem kleinen Känguruh in der Luft herum und hielt mit Webber die australische Flagge – kein trockenes Auge im Publikum.
Eine Verletzung des Siegerpodestprotokolls ist bei der FIA kein Kavaliersdelikt, aber die Regelhüter reagierten mit gesundem Menschenverstand und schauten weg, als alle anderen hinschauten.
Skandal um Häkkinen und Coulthard
Piffe und Buhrufe nach dem Grand Prix von Australien 1998, die Fans waren richtig sauer. Und das kam so: Mika Häkkinen führte vor David Coulthard, aber in Runde 36 kam der Finne überraschend zur Box. Er hatte einen Funkbefehl falsch verstanden. Mika fuhr ohne zu stoppen durch und ging gleich wieder ins Rennen, doch die Führung war natürlich futsch.
Neun Jahre später behauptete der damalige McLaren-Chef Ron Dennis, jemand habe sich in den Boxenfunk gehackt, um Häkkinen den falschen Befehl zu geben.
Wie dem auch sei: Kurz vor Schluss liess Coulthard seinen Teamgefährten vorbei. Auf der Start/Ziel-Geraden, damit es auch ja jeder sehen kann. Nach dem Rennen stellte sich heraus: Sie hatten vor dem Grand Prix vereinbart – wer nach der ersten Kurve führt, der bleibt vorne. Weil das Team fand, Mika habe die Führung nicht aus eigener Schuld verloren, gab es eine längere Funkdiskussion mit Coulthard.
Der Schotte sagte Jahre später, er hätte in dieser Situation nie klein beigeben dürfen. Weil damit die interne Hackordnung bei McLaren festgelegt worden sei.
Tod im Albert-Park
Im Jahr 2000 wurden Radseile in der Formel 1 zur Pflicht – sie verhindern im überwiegenden Teil der Unfälle, dass sich Räder vom Rennwagen lösen und jemanden erschlagen können. Diese Seile aus Zylon verlaufen durch die Querlenker und sind am Radträger befestigt. Dennoch ging der Tod weiter in der Formel 1 um.
In Melbourne 2001 löste sich nach einer Kollision zwischen Ralf Schumacher (Williams) und Jacques Villeneuve (BAR-Honda) am Renner des Kanadiers ein Rad, es drang so unglücklich in eine Lücke im Zaun ein, dass es den Streckenposten Graham Beveridge tödlich verletzte.
Die australischen Veranstalter informierten offen und ehrlich. Selten war die Stimmung an einem Abend nach dem Melbourne-GP so gedrückt.