Asien-GP: Suzuka und Singapur top, Indien als Blamage
Die Formel 1 gastiert derzeit am wunderbaren Suzuka Circuit, die traditionsreiche Honda-Rennstrecke ist bei Fans und Fahrern gleichermaßen beliebt.
Eines der Ziele von Formel-1-Besitzer Liberty Media: sich in Amerika, Asien sowie im Nahen Osten breiter aufstellen. In den USA hat das mit Miami (seit 2022) und Las Vegas (seit 2023) gut geklappt, dazu haben wir den WM-Lauf bei Austin (Texas). Was die arabische Halbinsel angeht, ist der Sport mit Bahrain, Saudi-Arabien, Katar und Abu Dhabi prima bestückt.
Asien jedoch ist eine bunte Mischung aus Volltreffern und Blamagen, wie unsere Geschichte zeigt.
Singapur: Der erste Nacht-GP
Die Veranstalter des Singapur-GP haben etwas Bemerkenswertes geschafft: Ihr Rennen ist als erster Nacht-GP seit 2008 in kürzester Zeit zu einem unverzichtbaren Teil des WM-Kalenders geworden (wenn sich die Welt nicht gerade im Würgegriff einer Pandemie befindet).
Unter Kunstlicht wirken die GP-Boliden zauberhaft. Die Fahrer schwärmen von den Herausforderungen einer tückischen Piste, die bei Hitze und hoher Luftfeuchtigkeit befahren werden muss. Die Fans freuen sich über viel Renn-Action und die zahlreichen Konzerte, die sie mit einem Formel-1-Ticket kostenlos genießen können.
Singapur verströmt Weltstadt-Flair, eine Stadt im GP-Fieber. Der Erfolg von Singapur bestärkte Liberty Media im Bestreben, den Auftritt in Asien auszubauen.
Suzuka: Der Klassiker
Die Japaner sind komplett durchgeknallt, was die Formel 1 angeht. Ihre Rennverrücktheit zeigt sich nicht nur in phantasievoller Bekleidung – einige schneidern selber, andere kaufen sich für teures Geld Original-Memorabilien, die sich dann voller Stolz tragen.
Sebastian Vettel sagte mir einmal: «Die Fans sind einzigartig. Ich kenne kein anderes Land, in dem so viele Fans schon am Donnerstag auf ihren Tribünenplätzen sitzen, dabei fährt gar niemand von uns auf die Bahn. Sie wollen einfach die Autos sehen und den Mechanikern bei der Arbeit zusehen. Das Gleiche gilt nach dem Rennen – da bleiben sie auf ihren Plätzen sitzen und genießen das Spektakel. Sie saugen wirklich alle Eindrücke in sich auf und vermitteln uns das Gefühl tiefer Dankbarkeit, dass wir hier Rennen fahren.»
Suzuka ist eine Rennpiste von altem Schrot und Korn. Wenn es um Lieblingsbahnen geht, taucht Suzuka bei fast allen Fahrern unter den ersten Drei auf – ähnlich oft genannt wie Monte Carlo oder Spa-Francorchamps.
China: Ein Fall von fifty-fifty
Am 14. April 2019 fand in China der 1000. WM-Lauf der Formel-1-Historie statt, richtige Feierstimmung wollte aber nicht aufkommen. Der Erfolg des GP-Sports im Reich der Mitte bleibt ein Waagrechtstart: Viel Interesse beim ersten Rennen, dann blieben auf der riesigen Rennanlage die Fans aus. Vielleicht ändert sich das, wenn in dieser Saison mit Guanyu Zhou ein einheimischer Fahrer an den Start geht. Als die Bahn 2004 eröffnet wurde, galt sie als die teuerste Rennanlage der Welt – mit Baukosten von (offiziell nie bestätigten) 500 Millionen Dollar. Erstmals seit 2019 und der Corona-Pandemie kehrt die Formel 1 2023 nach Shanghai zurück.
Malaysia: Vorhang!
19 Jahre dauerte das Formel-1-Abenteuer der Asiaten, das an chronischem Zuschauermangel litt. Der vom langjährigen F1-Promoter Bernie Ecclestone ausgehandelte Vertrag erwies sich als langfristig untragbar, mit Ausgabe 2017 fiel der Vorhang. Das ist schade, weil wir auf der interessanten Strecke von Sepang immer wieder tollen Motorsport serviert erhielten.
Fuji: Eine Strecke gibt auf
In Fuji haben die ersten beiden Großen Preise von Japan stattgefunden, 1976 und 1977. 2007 kehrte die Formel 1 an den Fuß des berühmten Vulkans zurück. Doch nur zwei Jahre später mussten die Japaner das Handtuch werfen. Sie konnten die nötigen Investitionen zur Modernisierung der Bahn nicht aufbringen und verabschiedeten sich aus dem GP-Kalender.
An sich sollte das Rennen abwechselnd mit Suzuka ausgetragen werden. In einem Schreiben teilte der Betreiber der Toyota-eigenen Strecke 2009 mit, dass es unternehmerisch zu riskant sei, in schwierigen Zeiten die nötigen Investitionen zu tätigen. Dies betraf auch den fälligen Ausbau der Infrastruktur rund um den Kurs, wo die Fans mühsam auf nur einer Zufahrtsstraße an- und abtransport wurden und es daher stets zu endlosen Warteschlangen kam.
Indien: Beim Debüt abbruchreif
Als die Formel 1 2011 erstmals auf den «Buddh International Circuit» bei Greater Noida (Großraum Neu-Delhi) ausrückte, hatte der Kurs bereits stattliche Patina, und das ist nicht als Kompliment gemeint. Die Piste war schlampig gebaut, einige Bereiche kurz nach Fertigstellung abbruchreif. Treppen führten ins Nichts, Mauern standen schräg, Türen schlossen nicht. Drei langweilige Rennen folgten in einem Land, das andere Probleme hat als die Formel 1. Die Piste war zu weit von New Delhi entfernt, um Fans anzulocken. Oder wie es ein Kollege auszudrücken pflegte: «Die meisten Zuschauer sind heute als Sitze verkleidet gekommen.»
Jahrelang zankten sich die indischen Behörden mit der Formel 1 um die Entrichtung von Steuern. Die Inder waren der Meinung, dass die Rennställe für ihren Auftritt auf dem «Buddh International Circuit» eine Quellensteuer bezahlen sollten (was die Rennfahrer beispielsweise in jedem Land für ihre Arbeit entrichten). Der Knackpunkt: Das Finanzamt in Indien wollte die Steuer nicht auf den Gewinn der Teams erheben, sondern auf die kompletten Einkünfte. Natürlich waren die Rennställe damit nicht einverstanden. Die Summen wären horrend gewesen.
Indien war von der ersten Ausgabe an unbeliebt: Die Rennställe stöhnten über Zollformalitäten, welche komplexer und undurchsichtiger waren als bei jedem anderen Formel-1-Rennen. Der ständige Smog und die inakzeptablen hygienischen Zustände kamen hinzu. Vom Verkehrschaos und jämmerlichen Zuschauerzahlen ganz zu schweigen. Die Rennpiste sollte Zentrum einer ganzen Sportstadt werden, was sich als großspuriges Gewäsch von Gaunern erwies. Niemand in der Formel 1 weint diesem Grand Prix auch nur eine Träne nach.
Südkorea: Der programmierte Misserfolg
Der Grand Prix von Südkorea im Landkreis Yeongam hatte seit der Premiere 2010 mit finanziellen Problemen zu kämpfen, das Interesse der Zuschauer ließ zu wünschen übrig, an der Piste wurde noch gewerkelt, als schon das erste Training lief. Wochenlange Regenfälle hatten die Arbeit verzögert.
Ein kapitaler Misserfolg war programmiert, das war allen klar – außer den Südkoreanern. Wer nimmt vier Autostunden von der Hauptstadt Seoul in die Provinz Süd-Jeolla auf sich, um auf einer windigen Tribüne zu hocken und kein nennenswertes Rahmenprogramm geboten zu bekommen? Dass die Besucher in Stundenhotels nächtigen mussten, deren übliche Bewohnerinnen von der Stadtregierung in Busladungen außer Reichweite gebracht worden waren, erhöhte die Attraktivität nicht.
2013 wurde das Rennen in der Nähe der trostlosen Industriestadt Mokpo aus dem Kalender gestrichen, zur Erleichterung der GP-Teams. Von der einst geplanten Stadt rund um den Kurs, auf Grafiken wie eine Mischung aus Singapur und Monaco wirkend, sind nur Computer-Animationen übriggeblieben.
Wie wichtig die Formel 1 den Pistenbetreibern wirklich war, zeigte sich, als der GP-Tross 2011 zur zweiten Ausgabe zurückkam: Auf dem Siegerpodest lagen noch die Champagnerkorken der Siegerehrung 2010, und in den Kühlschränken der Rennställe Essensreste aus dem Vorjahr. Was für eine Schweinerei!
TI-Circuit Aida: Grössenwahn auf japanisch
TI was? Auf dem «Tanaka International Circuit Aida» fand 1994 und 1995 jeweils der so genannte «Pacific Grand Prix» statt – denn das Prädikat Großer Preis von Japan war schon vergeben, an Suzuka.
Die Piste? Ein Monument des Größenwahns von Unternehmer Hajime Tanaka in der Präfektur Okayama, so abgelegen, als solle die Rennstrecke vor der Öffentlichkeit versteckt werden. Das Pistenlayout: Zu langsam, keine Herausforderung. Nach zwei Mal war glücklicherweise Feierabend. Die Strecke wurde später in Okayama International Circuit umbenannt, auf ihr finden regelmäßig Rennen zu japanischen Serien statt.