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Willy Mairesse (Ferrari): Wie Selbstmord auf Raten

Von Mathias Brunner
​Vor 62 Jahren gewann der Belgier Willy Mairesse sein einziges Formel-1-Rennen, den nicht zur WM zählenden Lauf in Brüssel. Der Ferrari-Fahrer galt als absolut furchtlos und unberechenbar im Duell.

Über diesen Rennfahrer sagte Rainer Schlegelmilch, der beste Motorsportfotograf der 1960er und 1970er Jahre: «Er beging Selbstmord in Raten. Seine Starts waren immer wie ein Aufbruch in die Hölle.» Schlegelmilch bezieht sich dabei auf einen Fahrstil, der jenseits von todesverachtend lag, ja beinahe schon einen Todeswunsch vermuten liess.

Willem Edouard Numa Ghislain «Willy» Mairesse war ein unberechenbarer Fahrer, im Zweikampf gefürchtet, manch ein Gegner liess ihn lieber ziehen als sich auf ein Duell einzulassen, denn sie wussten – der Belgier scheute sich nicht vor einem Crash, wenn es hart auf hart ging.

Mairesse, geboren am 1. Oktober 1928 in Momignies (Wallonien), war ein echter Allrounder: Rundstrecke, Rallye, Schotter, Eis, Schnee, Asphalt, Regen, Sonne, das war ihm alles einerlei, Hauptsache Speed. Er war im Sportwagen so schnell wie im Einsitzer.

Als Privatfahrer bei lokalen Rallyes ab 1953 machte sich Mairesse einen Namen. 1956 trat er im Vorprogramm zum Grossen Preis von Deutschland beim GT-Rennen an und wurde vielbeachteter Dritter.

Sein Sieg bei der Fahrt Lüttich–Rom–Lüttich wurde zur Eintrittskarte zur «Équipe Nationale Belge», für welche die besten Fahrer des Landes antraten. Mairesse bestritt seine ersten 24 Stunden von Le Mans und bezahlte Lehrgeld – Unfall nach 33 Runden.

Damit war das Leit- (und Leid-) Thema seiner Karriere vorgegeben: Mairesse war atemberaubend schnell, keine Frage, aber die Chancen, dass er eine Zielflagge sehen würde, waren beschränkt. Dafür war sein Kampfwille zu unbändig.

Nach einem grandiosen Duell mit seinem Landsmann, dem Ferrari-Werksfahrer Olivier Gendebien, bei der Tour de France wurde der grosse Enzo Ferrari auf Mairesse aufmerksam. Der Gefahr frech ins Gesicht zu lachen, das war ein Pilot ganz nach dem Geschmack des legendären Sport- und Rennwagenherstellers.

Anfang 1960 hatte es Mairesse zum Ferrari-Werksfahrer gebracht. Vielleicht passend, dass sein Formel-1-Debüt beim Heimrennen in Spa-Francorchamps an einem schwarzen Wochenende stattfand, das nur noch mit Imola 1994 zu vergleichen ist. Im Training erlitten Stirling Moss und Michael Taylor schwere Unfälle, im Rennen starben nach weiteren Crashes Chris Bristow (im Duell mit Mairesse) und Lotus-Werksfahrer Alan Stacey.

Beim folgenden Lauf in Monza wurde Mairesse hinter seinen Teamkollegen Phil Hill und Richie Ginther Dritter – seine beste Platzierung in der Formel-1-WM. Mairesse fuhr für Ferrari zweigleisig: Sportwageneinsätze und Grands Prix, in der Formel 1 vorderhand mit sporadischen Einsätzen.

Als Ferrari in Monza 1961 den deutschen Grafen Wolfgang von Trips verloren hatte, sollte Mairesse 1962 regelmässig für Ferrari Formel 1 fahren, doch nach einem Sieg beim nicht zur WM zählenden Rennen im Brüsseler Heysel-Park folgte beim Heim-GP in den Ardennen erneut ein schwerer Unfall – Kollision mit Trevor Taylor in Blanchimont. Willy kam mit Brandverletzungen davon, angesichts des Ferrari-Wracks war es ein Wunder, dass er noch am Leben war.

Nach seinem Comeback wurde er in Monza Vierter (seine zweite Punktefahrt in der Formel 1) und siegte mit Ricardo Rodríguez und Olivier Gendebien bei der Targa Florio.

1963 ging die Karriere von Mairesse bei Ferrari zu Ende: Er gewann zwar beim 1000-km-Rennen auf dem Nürburgring, aber erneut erlitt er schwere Stürze. In Le Mans brannte sein Ferrari 250P nach einem Unfall aus, zu diesem Zeitpunkt lag er mit John Surtees in Führung.

Beim Grossen Preis von Deutschland auf dem Nürburgring kam er viel zu schnell zur Unfallstelle von Innes Ireland und Lorenzo Bandini, ein Streckenposten verlor sein Leben, Mairesse musste wegen eines gebrochenen Arms monatelang pausieren.

Damit waren seine Formel-1-Laufbahn und die Zeit bei Ferrari vorbei.

Natürlich kehrte er auf die Rennstrecke zurück, nun mit Schwerpunkt Sportwagenrennen. Er schien sich beruhigt zu haben, wurde Dritter in Le Mans, gewann 1966 mit dem Schweizer Herbert Müller für die Scuderia Filipinetti erneut die Targa Florio. Mit der Écurie Francorchamps gab es einen weiteren dritten Rang in Le Mans 1967.

Willy Mairesse trat 1968 ein weiteres Mal in der Sarthe an, wegen Studenten-Unruhen in Frankreich war der Klassiker Le Mans von Juni in den September verlegt worden.

Mairesse hatte die Tür seines Ford GT40 nicht richtig geschlossen, auf der Hunaudières-Geraden sprang sie auf. Beim Versuch, die Tür bei 300 km/h zu schliessen, verlor Willy die Kontrolle über das Auto. Er wurde so schwer verletzt, dass er in ein künstliches Koma versetzt werden musste.

Die Knochenbrüche heilten, aber sechs Monate nicht im Rennauto, das zerstörte den Belgier mental. Ihm war klar: Er würde nie wieder auf hohem Niveau Motorsport bestreiten.

Das war für ihn unerträglich – am 2. September 1969 setzte Willy Mairesse seinem Leben ein Ende, in einem Hotelzimmer in Ostende, mit einer Überdosis Schlaftabletten.

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