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420 km/h in Le Mans: Peugeot mit Speed-Rekord

Von Mathias Brunner
Der WM P88 in Le Mans 1988

Der WM P88 in Le Mans 1988

​SPEEDWEEKipedia: Leser fragen, wir finden die Antwort. Heute: British American Racing (BAR) fuhr mit einem F1-Auto mehr als 400 km/h auf einem Salzsee. Zwei Peugeot-Tüftler schafften das in Le Mans.

In loser Reihenfolge gehen wir in Form von «SPEEDWEEKipedia» auf Fragen oder Anregungen unserer Leser ein. Am 8. August haben wir über das Projekt 400 von British American Racing (BAR) berichtet, also über ein Formel-1-Auto, das mehr als 400 km/h fahren kann

Bernd Tollmann hat dazu geschrieben: «Während des Le Mans-Rennens von 1988 erzielte der WM P88-Rennwagen von Welter Racing mit Roger Dorchy am Steuer auf der langen Geraden mit mehr als 400 km/h die höchste je auf dieser Strecke gemessene Geschwindigkeit. Auf dem Salzsee kann ja jeder mal schnell einen Rekord aufstellen, quasi unter Laborbedingungen, aber im Rennen, das ist schon eine andere Nummer.»

Über diese Nummer wollen wir hier gerne etwas mehr erzählen.

WM P88: WM stand für die beiden Peugeot-Techniker Gérard Welter und Michel Meunier, die sich schon 1969 zusammentaten, um Rennwagen zu entwickeln. P stand für Peugeot, die Zahl der Typenbezeichnung für das Jahr des jeweiligen Rennautos.

Ihr erstes Auto – das Sport-Coupé WM P69. Ab 1976 verlegten sich WM auf den Bau geschlossener Sportprototypen in Thorigny-sur-Marne im Osten von Paris. Ab 1980 handelte es sich bei den Autos um wenig verhüllte Werksautos von Peugeot. Das beste Ergebnis in Le Mans: Vierter Rang 1980, mit Roger Dorchy und Guy Fréquelin.

1987 nahmen sich Welter und Meunier vor, auf der legendären Hundaudières-Geraden von Le Mans 400 km/h zu übertreffen. Porsche hatte mit der Langstreckenversion des mächtigen 917 an dieser Marke gekitzelt – 386 km/h.

Welter und Meunier wandten sich zum Erreichen ihres Ziels als die Spezialisten der Firma Heuliez, eines Herstellers von Pkw-Karosserien in Cerizay, West-Frankreich. Angetrieben wurde der windschnittige Rennwagen von einem Dreiliter-V6-Motor des Typs Peugeot ZNS5 mit Doppel-Turbolader von Garrett; eine Abwandlung eines Serienmotors von 2,8 Litern.

Das Konzept der Hinterrad-Aufhängung der Vorgängermodelle sah die Verwendung eines Venturi-Tunnels vor, also eines Kanals am Unterboden, der zum Heck hin ansteigt und so eine Saugnapfwirkung erzeugt.

Der nächste grosse Punkt war die Kühlung: Die Verkleidung sollte so glatt als möglich sein, aber natürlich musste der maximal 900 PS starke Motor auch atmen können. WM testeten im Windkanal von Peugeot, schnell kamen die beiden Tüftler auf die Idee mit verkleideten Rädern an der Hinterachse.

Schon mit dem WM87 erreichte François Migault auf der neuen Autobahn A26 zwischen Saint-Quentin und Laon 416 km/h. Das Potenzial für den Le Mans-Rekord war also da.

Die markantesten Änderungen vom WM87 zum Rekord-WM88: 65 Kilo Gewichtsersparnis, Venturi-Kanal verlängert, Karossiere bei Heuliez verfeinert.

In der Quali erreichte der WM88 ein Tempo von 387 km/h. WM gab an, die Messung der Organisatoren sei niedriger als ihre eigene.

Bei den 24 Stunden von Le Mans 1988 kam ein WM87 zum Einsatz (Ausfall nach nur dreizehn Runden wegen Antriebsschadens) und der neue P88. Bei dem gab es Schwierigkeiten mit der Verkleidung, was zu einer Zwangspause von mehr als drei Stunden führte.

Klar war da der Zug für ein gutes Ergebnis längst abgedampft, aber das Ziel waren ja diese 400 km/h. Also ging Roger Dorchy (damals 43 Jahre alt, 2023 verstorben) nochmals auf die Bahn, mit der Erlaubnis, den Ladedruck tüchtig zu erhöhen.

Hinter dem Rekord der angeblichen 405 km/h verbirgt sich ein Geheimnis: In Wahrheit fuhr Dorchy an jenem 11. Juni 1988 um 20.46 Uhr 407 km/h. Weil Peugeot jedoch die Aktion zu Werbezwecken für die neueste Version des Modells 405 nutzen wollte, wurde die Zahl eben auf 405 korrigiert.

Danach musste er seinen Rennwagen zur Seite stellen – Probleme mit der Kühlung, mit dem Turbolader und mit der Elektrik.

Welter und Meunier waren sogar überzeugt, dass sie schon mit dem WM87 unfassbare 420 km/h erreicht hatten, was offiziell nie bestätigt wurde. Sie kritisierten die Speed-Messung, das Messmaterial stammte damals von der Polizei.

Ebenfalls bemerkenswert: Dorchy war kein Rennprofi, sondern ein Autowerkstatt-Betreiber aus Beauvais, im Norden von Paris. Le Mans war oft sein einziger Renneinsatz im Jahr. 2023 starb er nach langer Krankheit.

Ob 407 oder 405 oder 420: Es war ein Rekord für die Ewigkeit, denn die Betreiber der Le Mans-Rennstrecke bauten auf der Hunaudières-Geraden zwei Schikanen ein. Seither sind Tempi jenseits von 340 km/h kaum mehr zu schaffen.

Der WM88 blieb in der Sammlung von Firmengründer Welter, später ging es in Privatbesitz über. Der Besitzer gab der Firma von Frédéric Benon aus Fère-Champenoise den Auftrag, den Wagen wieder fahrfertig zu machen – bei Veranstaltungen klassischer Rennautos ist der WM88 heute ein Fan-Magnet.

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