Friesacher: «Dann hätten wir keine Diskussionen mehr»
Patrick Friesacher
Eigentlich hat die Formel-1-Saison 2024 genug an Spannung zu bieten. Vorhersagen, wer an einem Rennwochenende die Nase vorne hat, sind extrem schwierig geworden. Der Ferrari-Doppelsieg in Texas kam unerwartet, aber das ist auch gerade das Coole an dem aktuell ausgeglichenen Feld. Die Pace, die Ferrari im Rennen gezeigt hat, hat viele überrascht. Carlos Sainz und Charles Leclerc waren mit Platz 2 und 4 im Sprint zwar gut unterwegs, aber sie haben nicht so stark ausgesehen, wie sie es dann im Rennen am Sonntag tatsächlich waren.
Ferrari war pro Runde zwei bis drei Zehntel schneller als alle anderen. Natürlich war auch der Start von Charles maßgebend für den Sieg. Er hat die Kabbelei von Max Verstappen und Lando Norris an der Spitze ausgenutzt und ist an beiden vorbeigezogen. Lando ist gut gestartet, allerdings hat er wieder einmal die Türe für Max offengelassen. Das hätte er nicht machen dürfen, denn er kennt Max gut genug, um zu wissen, dass er in dieser Situation nicht mit der Wimper zuckt und kaltschnäuzig reinsticht.
Für Diskussionsstoff sorgte aber weit mehr das Überholmanöver von Lando an Max vier Runden vor Schluss. Im Endeffekt sind die Regeln hier eindeutig – außerhalb von der Strecke ist Überholen nicht erlaubt. Lando hat Max in Kurve 12 außen überholt und dafür eine 5-sec-Strafe kassiert. Meiner Meinung nach hätte Lando selbst die Situation korrigieren und den Platz an Max zurückgeben sollen. Er hatte noch ein paar Runden, um nochmals einen Überholversuch gegen Max zu starten. Schliesslich haben die unterschiedlichen Entscheidungen der Rennkommissare im Rennen die Diskussionen ausgelöst. Ihre Aufgabe ist es, alle Fahrer gleich zu behandeln und das haben sie in Texas nicht getan.
Im Grunde lassen sich diese Diskussionen aber ganz einfach lösen. Wenn statt der asphaltierten Auslaufzone in Texas ein Kiesbett gewesen wäre, dann wäre da kein Fahrer rausgefahren. Solange es aber asphaltierte Auslaufzonen gibt, solange werden die Piloten die Strecke ausreizen – das ist logisch. Ich persönlich bin die Diskussionen rund um die Track Limits leid. Mit einem Kiesbett hätten wir keine Diskussionen mehr. Punkt. Aus.
Ausblick auf Mexiko
Red Bull Racing war in Mexiko bisher immer stark. Max hat auf dem Autódromo Hermanos Rodríguez bereits fünf Mal gewonnen. Die Rennstrecke liegt 2285 Meter über Meereshöhe, die Autos generieren durch die dünne Luft deutlich weniger Abtrieb. In der Vergangenheit hatte Red Bull Racing durch den Honda-Motor und dem sehr effizienten Auto einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz. Trotzdem lautet mein Tipp für die Top-3 in Mexiko: 1. Lando, 2. Max, 3. Charles. Lando muss in Mexiko einfach alles riskieren und einen Sieg einfahren, wenn er seine WM-Chancen aufrechterhalten will.
An den Spekulationen rund um die Zukunft von Sergio Pérez möchte ich mich nicht beteiligen. Nur er und das Team wissen, ob an den Gerüchten etwas Wahres dran ist. Natürlich gibt es in jedem Fahrervertrag eine Klausel, in der festgelegt ist, welche Platzierungen man erreichen muss. Wenn man diese Vorgaben nicht schafft, dann kann es durchaus sein, dass das Team einen anderen Fahrer einsetzt. Aber Red Bull Racing hat keinen Zeitdruck. Sie werden sich jedes Rennen genau ansehen und evaluieren, wie sich Sergio schlägt, wie Yuki Tsunoda abliefert und wie sich Liam Lawson weiterentwickelt. Am Ende des Jahres werden sie sich dann zusammensetzen und eine Entscheidung treffen.
Auf jeden Fall finde ich es großartig, wie viele junge Fahrer aktuell in der Formel 1 Gas geben und sich voll reinhauen. Sie stehen den Alteingesessenen in nichts nach. Bestes Beispiel ist Franco Colapinto. Er liefert in jedem Rennen ab und kann mit seinem Teamkollegen Alex Albon, der ein starker Fahrer ist, mithalten. Ich finde es wichtig, dass die jungen Talente eine Chance bekommen. Es gibt in der Formel 1 nur 20 Plätze, umso entscheidender ist es für sie, einen Fuß in die Tür zu bekommen.