GP-Piloten: Peinliche Ausreden und dreiste Lügen
Auf ein Wort ...
Es gab eine Zeit, da konnten wir zu einem Formel-1-Fahrer hingehen, einfach so, und ihm rasch eine Frage stellen, und wir haben tatsächlich eine brauchbare Antwort erhalten.
Heute hetzen die meisten Piloten zwischen Box und Team-Gebäuden davon, als sei der Leibhaftige hinter ihn her, um auch ja nicht von aufsässigen Berichterstattern angesprochen zu werden.
«Iceman» Kimi Räikkönen hat dabei gerne mal das Handy ans Ohr gehalten, wenn er seine Ruhe haben sollte – auch wenn überhaupt niemand dran war. Funktionierte jedes Mal.
Wir leben im Zeitalter der Medienbehinderer. Diese Damen und Herren haben (aus mir teilweise nicht nachvollziehbaren Gründen) die Arbeit eines Pressedelegierten erhalten, aber statt ihre Fahrer in die Auslage zu stellen, werden die Piloten bemuttert bis bevormundet, oder sie zerren die scheinbar überforderten Fahrer gleich zum nächsten Termin weiter. Ab und an wird uns sogar vorab eröffnet, auf welche Fragen wir bitteschön verzichten wollen.
Unvergesslich die Szene, als ein GP-Sieger (dessen Name mir soeben entfallen ist) eine wirklich gute Antwort gab, und mitten in der Antwort fiel ihm die schräg hinter ihm stehende Mediendame ins Wort, ohne von ihrem Social Media-Getippe am Handy aufzublicken: «Noch EINE Frage, bitte.»
Der Formel-1-Star drehte sich betont langsam um und meinte mit hochgezogener Braue: «Hier entscheide immer noch ICH, wie lange ich rede, wenn’s denn recht ist.»
Die Gesichtsfarbe der Dame wechselte in ein tiefes Bordeaux, sie suchte verzweifelt am Boden nach einem Loch, das sich für sie auftun sollte. Leider erfolglos.
So ungefähr mit Michael Schumacher begann das Zeitalter der verbalen Verschleierung.
Auf Fragen nach Veränderungen der Abstimmung pflegte er zu sagen: «Hinten haben wir was verstellt.» – «Ja, okay, aber was, Michael?» – «An der Aufhängung.» – «Aha, und was an der Aufhängung?» – «Wir gingen mit den Dämpfern etwas härter.»
Na also, geht doch, wieso nicht gleich?
Bei Michael galt gleichzeitig: Eine gute Frage erzeugte auch eine gute Antwort. Und der Rekord-Champion war geduldig genug, mit einem Medienvertreter behutsam umzugehen, wenn innerhalb weniger Sekunden offensichtlich wurde, dass der (oder die) wohl an seinem ersten GP-Wochenende weilte.
Das Gleiche gilt heute für Stars wie Lewis Hamilton, Charles Leclerc und Max Verstappen. Das hat eben Klasse!
Viele Fahrer und Teamchefs haben das Herunterbeten von Worthülsen zur Kunstform erhoben.
Sie werden zu Politikern: viel reden, nichts sagen.
Einige geben an gewissen Tagen nur noch TV-Interviews, Zeitungs- und Internet-Journalisten gucken in die Röhre. Da hilft ein Medien-Communiqué des Rennstalls nicht die Bohne.
«Heute war ein guter Tag», wird da einem Fahrer in den Mund gelegt, wo alle doch sehen konnten, dass er im Allgemeinen hinterher gefahren ist und im Besonderen heute sein Auto mit Schmackes in die Botanik gepfeffert hat.
Ein kapitaler Motorschaden wird da gern mal totgeschwiegen. Vielleicht merkt’s dann ja keiner!
Glaubt wirklich jemand bei einem Autohersteller allen Ernstes, sie würden auch nur ein Strassenfahrzeug weniger verkaufen, wenn zwischedurch ein Defekt zugegeben wird?
Ich jedenfalls habe noch nie einen Menschen getroffen, der gesagt hat: «So schade, dass Pierre Gasly wegen Motorschadens stehengeblieben ist. Jetzt kaufe ich mir eben doch keinen Renault, sondern lieber einen Kia.»
Schön auch, wenn den Medienvertretern vorgekäut wird, was sie eh schon wissen. Etwa bei Tests: «Fahrer XY ist heute 87 Runden gefahren und hat eine Bestzeit von 1:37,656 min erzielt.»
Haben die Rennställe vielleicht das Gefühl, die Berichterstatter hätten dem Tag in einer Kneipe verbracht? Das wissen wir doch längst!
Warum verrät man uns dann nicht auch gleich, dass auch heute der Himmel blau war oder die Reifen rund und schwarz und auf welcher Strecke wir uns eigentlich befunden haben?
Am schlimmsten ist das Gesülze jeweils im Winter, und das wird auch in den kommenden Wochen und Monaten so werden – denken Sie von den ersten Präsentationen und dann bei den Wintertests an meine Worte.
Alle verströmen verhaltenen Optimismus. Wer 2024 wenige Punkte holte, will 2025 regelmässig punkten. Wer 2024 regelmässig gepunktet hat, spricht von Podesträngen 2025.
Oft faseln die Rennställe davon, dass es am folgenden Tag besser laufen soll. Stoppt die Druckpresse! Eine verblüffende Feststellung wäre mal, wenn jemand zugeben würde, dass am nächsten Tag erneut Kriechgang zu erwarten ist.
Das ist wie die Feststellung eines Rennfahrers, er werde «alles geben». Ja, um Himmels Willen! Bei einem der geilsten Arbeitsplätze der Welt, nicht eben unbescheiden entlöhnt, erwarte ich gefälligst nichts Anderes.
Oder: «Ich freue mich auf das folgende Rennwochenende.» Das will ich doch schwer hoffen! Sonst hätte er den falschen Job.
Auch hier würden wir nur aufhorchen, wenn einer mal erfrischend ehrlich wäre: «Mir graut vor Monte Carlo. Ich kann die verdammten Leitschienen nicht leiden.»
Noch ein paar Beispiele gefällig, was wir hören und was wirklich gemeint ist?
«Der Wagen ist noch in einem sehr frühen Stadium der Entwicklung.»
(Wir haben ein wirklich grottenschlechtes Auto gebaut und haben keine Ahnung, was wir damit anstellen sollen.)
«Wir hatten eine kleine technische Angelegenheit, die uns zwischendurch am Fahren hinderte.»
(Es brennt! Es brennt! Alle Mann an die Feuerlöscher!)
«Die Probleme haben uns bei der Vorbereitung nicht gehindert.»
(Besser als jetzt wird es nicht mehr.)
«Die Zeiten von Freitag sind nicht aussagekräftig.»
(Die Zeiten sind überaus aussagekräftig, und am Samstag werden wir wohl nicht über Quali 1 hinauskommen.)
«Das Feedback unseres neuen Fahrers XYZ ist exzellent.»
(Der Kerl ist nicht nur langsam, er ist auch ein wenig doof. Immerhin ist er reich.)
«Offenbar gibt es Raum für Verbesserungen.»
(Es gibt keine Chance auf Besserung.)
«Wir versuchen noch immer, die Reifen zu verstehen.»
(Wir verstehen die Reifen nicht und werden es auch nie.)
«Die Leistungsdichte im Mittelfeld ist sehr hoch.»
(Wir werden WM-Achter, eher -Neunter.)
«Die Strecke von Bahrain ist nicht repräsentativ.»
(In Barcelona werden wir noch schlechter sein.)
«Heute war ein guter Tag.»
(Heute war ein enttäuschender Tag.)
«Wir haben sehr viele Daten gesammelt.»
(Leider wissen wir nicht, was wir damit nun anstellen sollen.)
Würden wir mal 24 Stunden lang in der Formel 1 halbwegs ehrlich-bodenständige Aussagen hören – DAS wäre ein guter Tag.