Kennen Sie die GP-Stars? Iceman, Gorilla, Löwe, Chili
Die Formel-1-Fans waren im Laufe der Jahre überaus einfallsreich, wenn es darum geht, ihren Lieblingsfahrern Kosenamen zu verleihen. Einige Piloten haben ihre teils reichlich merkwürdigen Spitznamen aber auch gleich selber gefunden, so wie der Australier Daniel Ricciardo oder Ferrari-Fahrer Carlos Sainz.
Carlos Sainz (E) – «Chili»
Der 30-jährige Spanier trägt auf der Rückseite seines Helms eine Chili-Schote oder bisweilen schon mal einen Sonnenhut, der mit Schoten geschmückt ist – aber wieso eigentlich? Der Williams-Fahrer erklärt dazu: «Das geht zurück auf Freunde und einige feucht-fröhliche Nächte. Sie hatten einen über den Durst getrunken und sind von Carlos über Charlie zu Chili gekommen. Dabei mag ich kein scharfes Essen, also schon gar keine Chili-Schoten.»
Daniel Ricciardo (AUS) – «The Honey Badger»
Jahrelang fuhr Daniel Ricciardo mit einem Bild eines Honigdaches auf der Rückseite seines Helms, gerne in verschiedenen Verkleidungen, oder mit dem Schriftzug «Honey Badger». Wie kam der Australier zum Honigdachs? Daniel: «Grund dafür ist mein damaliger Trainer Stuart Smith. Er hatte eine Doku gesehen und meinte: ‘Dieses Tier ist fabelhaft, der kämpferische Honigdachs und du haben Vieles gemeinsam.’ Das fand ich auch.»
Kimi Räikkönen (FIN) – «Iceman»
McLaren-Teamchef Ron Dennis nannte Räikkönen aufgrund seiner kühlen Art zunächst «Ice-Kid». Doch das fand wenig Anklang, zumal Kimi ziemlich schnell vom Jungen zum Mann reifte – damit war «Iceman» gefunden, Kimi selber liess sich das 2008 sogar auf den linken Unterarm tätowieren und fuhr auch mit entsprechendem Schriftzug auf dem Helm.
James Hunt (GB) – «Hunt the Shunt»
In der Anfangsphase seiner Rennkarriere zerlegte der Engländer James Hunt so viele Rennwagen, dass die reimfreudigen Briten seinen Nachnamen Hunt mit «shunt» verbanden (Unfall im Rennsport-Slang). James liess sich davon nicht aus der Ruhe bringen, ging seinen Weg und wurde 1976 Formel-1-Weltmeister.
Maurice Trintingnant (F) – «Petoulet»
Nach dem zweiten Weltkrieg trat der Franzose beim Rennen im Wald von Boulogne 1945 mit einem Bugatti an, der jahrelang Ratten als Wohnhaus und Toilette gedient hatte. Die Hinterlassenschaften der Nager heissen auf französisch «petoules». Ebenfalls kurios: Trintignant war im Fahrerlager oft mit einer Zipfelmütze anzutreffen, weil er schnell mal am Kopf fror. Daraus entstand aber kein Spitzname.
Vittorio Brambilla (I) – «The Gorilla from Monza»
Wegen seines bulligen Körperbaus, eines steinzerquetschenden Händedrucks und einer rustikalen Fahrweise erhielt Vittorio Brambilla den Affennamen. Brambilla war ein Mann mit zwei Gesichtern. Im Fahrerlager die Ruhe in Person und sehr beliebt, im Zweikampf auf der Bahn unberechenbar und daher gefürchtet. Am glücklichsten war Brambilla, wenn er in seiner Werkstatt an Autos schrauben konnte. Dann war er kein Gorilla, sondern ein Lämmchen.
Nigel Mansell (GB) – «Il Leone»
Die Tifosi haben den Mut von Nigel Mansell bewundert. Wenn der Engländer 1989/1990 in seinen Ferrari kletterte, dann wussten seine italienischen Fans, Mansell würde alles geben, der Brite war eine Feuerwerkgarantie. Daher tauften sie ihn ehrfurchtsvoll «il leone», den Löwen.
Jack Brabham (AUS) – «Black Jack»
Der Australier erhielt seinen Namen nicht nur, weil er schwarze Haare hatte, sondern auch wegen seiner dunklen Seite. Sein Pistenrivale Sir Stirling Moss sagte einmal: «Wenn es darum ging, vorne zu bleiben, war Jack bei der Wahl seiner Mittel keine Zimperliese. Da ist er schon mal am Pistenrand gefahren, um dich mit einem Schauer Kiesel einzudecken.»
Juan Manuel Fangio (RA) – «El Chueco»
Der fünffache Weltmeister wurde von Fans und Rivalen ehrfurchtsvoll «maestro» genannt. Weniger ehrfurchtsvoll waren die Mitglieder seiner früheren Fussball-Elf. Sie riefen Fangio «el chueco», den Krummbeinigen.
José Froilán González (RA) – «The Pampas Bull»
Mit kraftstrotzenden Armen und einem Stiernacken wuchtete der Argentinier seine Rennwagen um die Ecken, aber der Bulle aus der Pampas war ein Spitzname, der vor allem in Europa verwendet wurde. Zuhause nannten sie ihn oft «el cabezón» (Grosskopf).
Alain Prost (F) – «The Professor»
Der Franzose fuhr selten so schnell, wie er konnte, sondern meist nur so schnell, wie er musste. Seine überaus methodische Arbeitsweise, mit einem scharfen Auge für jedes Detail, das von Vorteil sein konnte, sowie seine überdurchschnittliche Rennintelligenz erzeugten den Kosenamen Professor.
Carlos Reutemann (RA) – «Lole»
Der Spitzname des im Juli 2021 verstorbenen Argentiniers ging nach eigenen Aussagen zurück auf seine Kindheit. Carlos liebte Tiere und hüpfte entzückt Ferkeln hinterher, in spanischer Sprache «los lechónes», daraus wurde «Lole».
Carlos Pace (BR) – «Moco»
José Carlos Paces Spitzname erinnert an einen der sieben Zwerge, den Ruhigen. Und ruhig war der junge Carlos, weil seine Eltern nach seiner Geburt von Brasilien in die alte Heimat Italien zogen, dann aber doch wieder nach Lateinamerika. Carlos sprach besser italienisch als portugiesisch, also sagte er in Brasilien wenig bis gar nichts. Im italienischen Dialekt kann «moco» für stumm stehen.
Jean-Pierre Jarier (F) – «Godasse»
Ein Godasse ist ein alter Schuh oder Latschen. Der Franzose Jean-Pierre Jarier erhielt den Namen von einem befreundeten Fotografen, im Ganzen eigentlich «godasse de plomb», also Bleifuss.
Giuseppe Campari (I) – «El Negher»
In den 1920er und 1930er Jahren war der Italiener ein Star, im Einsitzer so gefürchtet wie mit dem Sportwagen. «El Negher» war eine Abwandlung im Mailänder Dialekt von «il negro», dem Schwarzen, weil Campari einen dunklen Teint hatte und bei längerem Aufenthalt in der Sonne tiefbraun wurde.
Alberto Ascari (I) – «Ciccio»
Markenzeichen des zweifachen Formel-1-Champions aus Italien: Blauer Helm, blaues Hemd, das sich über einen Bauchansatz spannte, daher «ciccio», Dickerchen. Die Fans sagten das ohne Häme, politische Korrektheit war damals unbekannt, und Ascari selber hat seinen Spitznamen mit einem Achselzucken und einem Schmunzeln zur Kenntnis genommen.
Luigi Fagioli (I) – «The old Abbruzzi robber»
Jetzt wird es ein wenig bizarr, denn in Italien nannte kein einziger Rennfan den früheren Alfa- und Mercedes-Star Luigi Fagioli «Räuber» und schon gar nicht aus den Abbruzzen, denn Fagioli stammte aus Osimo unweit der Ostküste Italiens. Freunde und Verwandte nannten ihn vielmehr «Gigi», was mehr Sinn ergibt. Vielleicht wurde Fagioli der Spitzname durch die Presse verliehen, was angesichts einiger stattlicher Wutausbrüche kein Wunder war. Der langjährige Mercedes-Teamchef Alfred Neubauer erzählte in seinen Memoiren jedenfalls davon, wie Fagioli nach einem harten Pistenkampf mit einem Hammer auf Rudolf Caracciola losging. Mechaniker mussten den Italiener aus der Box werfen.
John Surtees (GB) – «Big John»
Was John Surtees erreicht hat, ist einmalig: Er ist über seinen Tod im März 2017 hinaus der einzige Rennfahrer, der WM-Titel sowohl in der Motorrad-WM (vier Mal 500er, drei Mal 350er Champion) als auch in der Formel-1-WM (1964 Weltmeister mit Ferrari) erringen konnte. Ganz abgesehen davon, dass er anschliessend seinen eigenen Rennstall gründete und Formel-1-, Formel-2- sowie Formel-5000-Autos baute. Oder dass er erster CanAm-Champion geworden war und auch im Sportwagen als absoluter Top-Pilot galt. Das Etikett «Big John» erhielt er von den Tifosi, die grosse Verehrung für den Briten zeigten.
Niki Lauda (A) – «The Rat»
Es scheint wenig schmeichelhaft zu sein, Ratte genannt zu werden. Der Spitzname, den viele Briten dem Wiener Formel-1-Piloten verpassten, ging keineswegs auf ein fragwürdiges Pistengebaren zurück. Niki Lauda fuhr hart, aber immer fair. Nein, «The Rat» bezog sich auf die leicht vorstehenden Schaufelzähne. Im deutschen Sprachraum hat sich die Bezeichnung nie durchgesetzt.
Mike Hailwood (GB) – «Mike the Bike»
Im Zweiradsport war der Engländer so überragend, dass sein Vorname mit dem Motorrad verbunden wurde: 9 WM-Titel, 76 GP-Erfolge, 14 Siege auf der Isle of Man, noch Fragen? 1972 wurde er Formel-2-Europameister, aber sein Potenzial auf vier Rädern wurde in der Formel 1 nie erschlossen – 1974 zog er sich bei einem Crash auf dem Nürburgring schwere Beinverletzungen zu. Was ihn nicht davon abhielt, später ein Comeback auf dem Motorrad zu geben und weiter zu siegen. Hailwood hatte Mut ohne Ende. Natürlich war er es, der 1973 in Südafrika den Tessiner Clay Regazzoni aus dem brennenden BRM holte.
Giovanni Lavaggi (I) – «Johnny Carwash»
Der Italiener kam im reifen Alter von 38 Jahren in die Formel 1, als er sich 1995 bei Pacific einkaufte. Er war einer der letzten Herrenfahrer im GP-Sport. Die englischen Mechaniker dachten bei seinem Namen an eine Autowasch-Anlage («il lavaggio» bedeutet das Putzen oder Waschen) und fertig war der Spitzname. Bei sieben Starts kam er nicht über einen zehnten Platz hinaus (in Ungarn 1996, mit einem Minardi).
Rudolf Caracciola (D) – «Der Regenmeister»
Für die Deutschen war der Mercedes-Star einfach «Carratsch», die Briten nannten ihn ehrfürchtig «Regenmeister» – wobei die meisten von ihnen wirklich das deutsche Wort benützten. Rudolf Caracciola, Sohn eines Remagener Hotelbesitzers mit italienischen Ahnen, war in den 20er und 30er Jahren einer der grössten GP-Stars. Vor allem der Nürburgring war gewissermassen sein Wohnzimmer, er gewann sechs Mal den Grossen Preis, oft bei misslichsten Wetterbedingungen, daher sein Spitzname. Caracciola wurde in den 30er Jahren drei Mal Europameister, was der heutigen Formel-1-WM entspricht. Dazu wurde er drei Mal Berg-Europameister.
Ronnie Peterson (S) – «Superswede»
Ronnie Peterson, «Superswede», der Super-Schwede: Der Vergleich mit dem Comic-Helden Superman ist nicht unangemessen, denn die Fahrzeugbeherrschung des legendären Ronnie Peterson war nicht von dieser Welt. Sein March-Stallgefährte Niki Lauda sagt: «Ich kannte keinen, der ein Formelauto so quer um die Ecken fuhr, aber jederzeit die Kontrolle behielt. Ich konnte nicht begreifen, wie er es schaffte, nicht von der Bahn zu fliegen.» 1971 wurde Peterson mit March überraschend WM-Zweiter, 1978 hätte er Weltmeister werden müssen, doch für Lotus-Teamchef Colin Chapman war ein US-amerikanischer Champion wichtiger, und das war nun mal Mario Andretti. Peterson reihte sich brav ein. Er starb 1978 in Italien an einer Fettembolie.