Jos zu Max Verstappen: «Das lernst du nicht»
Max und Jos Verstappen
Max Verstappen ist 2024 zum vierten Mal in Folge Formel-1-Weltmeister geworden. Max blickt so zurück: «Der erste Titel ist etwas ganz Besonders, weil es eben der erste ist und du am Ziel deiner Träume angelangt bist. Der zweite ist speziell, weil er beweist, dass der erste kein Zufall war. Der dritte war für uns besonders, weil wir 2023 so viele Rekorde aufstellen konnten. Aber der vielleicht wertvollste ist dieser vierte Titel, weil wir so hart um ihn kämpfen mussten und in den meisten Rennen 2024 nicht das beste Auto hatten.»
Max Verstappen gilt für viele Formel-1-Insider als der derzeit kompletteste Grand-Prix-Pilot. Das Handwerk des Rennfahrers ist das Eine, die mentale Seite ist das Andere. Max Verstappen wirkte auch in turbulenten Zeiten 2024 tiefenentspannter denn je.
Ausser, er regt sich über etwas auf. Dann kommt feuriges Temperament zum Vorschein, als würde sizilianisches Blut durch die Adern von Max pochen, und die Sprache wird rustikal.
Aber die grundsätzliche Haltung zeugt von einem Menschen, der in sich ruht, der sich seiner Fähigkeiten komplett bewusst ist und den es daher auch nicht nervt, wenn es eben nicht für den Sieg reicht.
So lange Max Verstappen weiss, dass er aus seinen Möglichkeiten das Beste gemacht hat, geht für ihn die eigene Leistung in Ordnung.
Doch woher kommt diese Gelassenheit? Sein Papa Jos Verstappen (52) hat mir das einmal so erklärt: «Das entspricht seinem Charakter, das lernst du nicht. Ich weiss, dass ich nicht der Einfachste bin, und ich habe von Max sehr viel gefordert, als er jung war. Aber er konnte das alles aushalten. Er war mental schon immer sehr stark. Mit vielen Siegen baute er Schritt um Schritt ein gewaltiges Selbstvertrauen auf. Wenn du fest an dich glaubst, dann geht das auch nicht mehr weg.»
Die ersten Formel-1-Jahre von Verstappen junior waren geprägt von, nennen wir es mal einem gewissen jugendlichen Übermut. Max konnte nicht verstehen, wieso sich die anderen Piloten über seine Manöver beim Attackieren oder Verteidigen so aufregten.
Er tat doch nichts Anderes als all die Jahre zuvor, und die Wurzeln für ungewöhnliche Linienwahl reichen tief, bis in die unbezahlbare, harte Schule, welche Max bei seinem Vater durchlief.
Jos fasste seinen Sohn nicht mit Samthandschuhen an: «Ich versuchte schon auf Kart-Stufe, ihm so viel zu vermitteln, wie es nur geht. Denn es gibt zahlreiche Aspekte zu beachten – das Fahren an sich, wie du überholst, das Abstimmen deines Fahrzeugs. Ich glaube, Max früh sehr viel mit auf den Weg zu geben, das hat sich ausbezahlt, denn bei seinem Debüt in der Formel 1 zeigte sich, dass er bereits als Teenager sehr weit war.»
Zur ungewöhnlichen Linienwahl seines Sohnes sagte Jos: «Das Überholen war für mich bei der Ausbildung von Max ein riesiges Thema, denn man kann meiner Meinung nach auch falsch überholen. Wenn er bei einem Überholmanöver Zeit verloren hat, dann versuchte ich, ihn zu erklären, wie er das besser machen kann. Wenn du Zeit auf der Bahn liegen lässt, dann hast du das nicht richtig gemacht. Max hat sich das verinnerlicht.»
«Das ging so weit, dass ich ihm verboten habe, an Stellen anzugreifen, die mir zu einfach vorkamen. Ich habe ihm gesagt: ‘Du darfst nur hier, hier und auch da attackieren, sonst aber nicht.’ Und das waren eben Kurven, wo die Anderen vielleicht nicht angreifen, weil es viel schwieriger ist.»
«Das ist einer der Gründe, wieso wir später in der Formel 1 den Eindruck erhielten, Max könne überall überholen. Ein Überholmanöver ist kein Produkt des Zufalls. Ein Pilot muss den Gegner scharf beobachten, seine Schwächen ausspionieren und sich den Rivalen richtiggehend zurechtlegen. Max hat das im Kartsport jahrelang trainiert, es ist ihm in Fleisch und Blut übergegangen.»
Max selber sagt zum Thema innere Ruhe: «Das ist eine Diskussion, die ich als Kind mit meinem Vater oft geführt habe. Ich habe jeweils zu ihm gesagt: ‘Okay, was auch immer, wir werden schon sehen.’ Und er anwortete: ‘Was meinst du mit ’’Wir werden sehen?’’ Das ist doch kein Ansatz.'»
Max weiter: «Aber so bin ich nun mal. Ich mag es nicht, mich zu sehr zu stressen, ich mag es nicht, zu viel nachzudenken oder Dinge zu komplizieren. Ich gehe meine Aufgaben entspannt und ruhig an. Ich will mir nicht zu viele Gedanken darüber machen, wie ich bestimmte Dinge beeinflussen kann, ich will das alles nicht verkopfen.»
Die tiefe Gelassenheit ist auch geprägt durch die Ereignisse von 2021: Nach einem nervenzerfetzenden Zweikampf mit Lewis Hamilton triumphierte Verstappen im kontroversen WM-Finale von Abu Dhabi.
Max sagte damals etwas, das auch heute noch Gültigkeit hat: «Ich habe mein grosses Ziel erreicht und bin Weltmeister geworden. Alles, was jetzt kommt, ist ein Bonus.»
Für die Saison 2025 wünscht sich Max: «Ein Auto, das ein wenig benutzerfreundlicher ist, der Rest ergibt sich von selber.»