Ferdi Kräling: Ein Meister-Fotograf wird 85
Es wird wohl sein traurigster Geburtstag, weil er ihn erstmals seit 1963 ohne seine geliebte Ehefrau «Meggi» erlebt, mit der er fast 62 Jahre lang verheiratet war. Margret Kräling verstarb am 18. Januar 2023, drei Wochen vor ihrem 88. Geburtstag. Trotz aller Trauer im Hause Kräling möchte ich das Lebenswerk meines alten Freundes und Weggefährten Ferdi anlässlich seines 85. Geburtstags würdigen.
Seit den 60er-Jahren galt Ferdi als einer der besten Motorsport-Fotografen europaweit. Er hat seinen Job an der Rennfront stets mit viel Leidenschaft und der angeborenen Freude am Racing gemacht. Mit dem Talent, im richtigen Moment auf den Auslöser zu drücken, sind ihm oft genug sensationelle Schnappschüsse gelungen.
Ob Formel 1, Formel 2 oder Sportwagen, ob Rallye-WM zur großen Zeit von Walter Röhrl und den Gruppe B-Monstern, Rennsport-Meisterschaft oder DTM – Ferdi hat nichts ausgelassen.
Im Laufe der Jahrzehnte hat er sich ein gigantisches Archiv an schwarzweiß- und Color-Fotos zugelegt, das heute von seinem Sohn Bodo (56) verwaltet wird. Der hat auch längst schon die Geschäfte des Familien-Unternehmens «Ferdi Kräling Motorsport-Bild GmbH» vom Vater übernommen.
Der Senior ist aber noch immer präsent und berät den Junior im Tagesgeschäft. Das besteht heute weniger aus purer Rennsport-Fotografie, sondern vielmehr versteht sich die Foto-Agentur jetzt mehr als Dienstleister für Verlage und Industrie. «Die Zeiten haben sich geändert, nur von der puren Rennsport-Fotografie kannst du als Einzelkämpfer heute nicht mehr leben», sagt Bodo Kräling. «Der Markt hat sich da sehr gewandelt und ist heute härter denn je umkämpft.»
Der gewaltige Archivbestand war und ist auch Fundgrube für so manchen Kräling-Bestseller im Buch-Segment. So entstanden bei ihm jede Menge Buch-Titel, oft in Zusammenarbeit mit den großen Verlagen Heel oder Delius Klasing. Mit Ferdi und seinem Team ein Buch zu machen, war zumindest für mich immer die reine Freude.
So haben wir 1998 gemeinsam das Klaus Ludwig-Buch «Jagdszenen», 2000 für Ford das Motorsport-Werk «Momentaufnahmen» und 2005 anlässlich des 20. Todestages den Stefan Bellof-Titel «Eine viel zu kurze Karriere» konzipiert und produziert. Auch für die finale Fertigstellung des ersten Bands meiner «Hallo Fahrerlager»-Buchreihe zeichneten Ferdi und Bodo verantwortlich.
Die Idee für das Ford-Buchprojekt entstand übrigens an einem eher ungewöhnlichen Ort – in der Schützenhalle von Ferdis sauerländischem Heimatort Siedlinghausen. Dort feierte er mit der gefühlt halben Ortsbevölkerung seinen 60. Geburtstag.
Abseits des großen Trubels zogen sich der damalige Ford-Sportchef Jürgen Klauke, Ferdi und ich in eine ruhige Ecke zurück und beschlossen per Handschlag das Buch über den deutschen Ford Motorsport. Innerhalb weniger Wochen war das Projekt in Köln abgesegnet und die Arbeit konnte beginnen. Zur Motor Show Essen 2000 wurde das Buch präsentiert und neben dem normalen Verkauf auch an alle Ford-Händler in Deutschland verteilt.
Dass bei allen Begegnungen und Unternehmungen mit Ferdi der Spaß nie zu kurz gekommen ist, habe ich immer ganz besonders genossen. So erinnere ich mich gerne an viele Episoden, die wir gemeinsam erlebt haben. Und Ferdi selbst hat auf seinen unzähligen Foto-Reisen rund um die Formel 1-Welt auch seine ganz speziellen Momente erlebt. Einmal allerdings musste er um sein Leben fürchten, das war 1977 beim Formel-1-GP in Long Beach.
Dort teilte er sich mit dem Kollegen Burkhard Nuppeney von der «Welt am Sonntag» ein Zimmer, als die beiden mitten in der Nacht in ihrem Hotel überfallen wurden. Ferdi erinnert sich mit Grausen: «Der Räuber hielt mir eine Pistole an den Kopf, fesselte uns mit Handschellen und verklebte uns den Mund. Dann raffte er alles zusammen, was ihm in die Hände fiel, meine ganze Fotoausrüstung, einfach alles. Nur Nuppis Schreibmaschine verschmähte er. Zum Abschied schoss er in die Decke und verschwand. Wir hatten Todesangst, es war schrecklich.»
Als besonders peinlich empfand Ferdi die Tatsache, dass er samt Kollege von der inzwischen eingetroffenen Polizei mit Handschellen aus dem Hotel geführt wurde. «Zuvor waren alle Versuche misslungen, die Handschellen japanischer Herkunft zu öffnen. Auf der örtlichen Feuerwache wurden die Dinger dann endlich aufgesägt. Der Kerl erscheint mir noch heute manchmal nachts im Traum, dann will ich mich immer aus den Fesseln befreien und trete wild um mich.»
Die Bild-Zeitung hatte damals groß über den Fall berichtet und Ferdi bei dieser Gelegenheit gleich mal um drei Jahre jünger gemacht als er damals war, siehe Original-Ausschnitt.
Auch der Verlust guter Rennfreunde hat Ferdis gute Stimmung leider immer wieder mal getrübt. Ob Rolf Stommelen, Harald Ertl, Manfred Winkelhock oder Stefan Bellof – sie alle hat er hunderte Male abgelichtet, mit ihnen gelacht und an ihren Gräbern geweint.
Lieber Ferdi, ich weiss, wie dir jetzt in diesen traurigen Tagen zumute ist. Lass’ dir trotzdem ganz herzlich zu deinem 85. gratulieren. Die Mitglieder deiner Großfamilie werden dich über die schwere Zeit mit Trost und Aufmunterung begleiten. Und bitte behalte dir bei aller Trauer um deine geliebte «Meggi» weiter deine positive Einstellung zum Leben.