Formel 1: Hamilton überraschte Leclerc

Der Sauerlandring: Ein geplatzter Traum

Kolumne von Rainer Braun
​Die erstaunliche Geschichte über Baron Karl Freiherr von Wendt und den gescheiterten Bau des Sauerlandrings.

Als vor genau 60 Jahren die ersten Pläne für die neue permanente Rennstrecke im Sauerland auf dem Tisch lagen und schon bald das Modell der Anlage zu bestaunen war, hatten der Bauherr und seine Mitstreiter noch die Hoffnung auf schnelle Realisierung des Mega-Projekts.

Doch das ehrgeizige Vorhaben auf dem eigenen Grund und Boden des Sauerland-Barons scheiterte ein paar Jahre später an Bedenkenträgern und Behörden. Die Enttäuschung war allenthalben groß, und der Baron wandte sich verärgert und frustriert einem anderen Großprojekt – dem Bau des Vergnügungsparks «Fort Fun».

Soweit die Kurzfassung der Geschichte, die, wie gesagt, sehr verheißungsvoll vor 60 Jahren im Frühjahr 1965 ihren Anfang nahm.

Baron Karl Freiherr von Wendt residierte im Schloss Gevelinghausen, ungefähr 20 Kilometer von Winterberg entfernt. Die riesige Anlage gilt als Mittelpunkt des kleinen Örtchens mit seinen rund 500 Einwohnern. Hier gab es fast nichts, was der Gutsherr nicht unterstützt hätte.

Er war Arbeitgeber, Mäzen und die Gemeinde lebte ganz gut von und mit ihm. Den riesigen Grundbesitz mit mehreren tausend Hektar Wäldern und Wiesen hatte Karl von Wendt 1961 im Alter von 24 Jahren geerbt.

Zwei Themen lagen ihm stets besonders am Herzen – der Motorsport und das Sauerland als Heimatregion. Von Schloss Gevelinghausen aus plante, dirigierte und überwachte der renn- und heimatverrückte Baron eine Fülle von Aktivitäten. Dazu zählte auch der eigene Rennstall.

Ans Steuer seiner Formel 3-, Sport- und Tourenwagen setzte sich der Adelsmann mit dem Bürstenhaarschnitt nicht nur regelmäßig selbst. Oft ließ er auch Talente ohne Mitgift oder auch Vollprofis in seinen Autos starten. Und zum Saisonschluss luden der Baron und seine Frau auch gerne mal zur rauschenden Motorsport-Party ins Schloss.

Der junge Jochen Neerpasch beispielsweise machte hier im Lotus Formel 3-Rennwagen Mitte der 60er Jahre die ersten großen Schritte seiner Rennkarriere. Auch Profi-Piloten wie Gerhard Mitter, Rolf Stommelen, Willi Kauhsen oder zum Schluss Helmut Marko waren gern gesehene Gaststarter im Fuhrpark des großzügigen Freiherrn. Und der Chef fuhr natürlich auch selbst, wurde im Porsche 911 sogar 1967 Europameister.

Um diese Zeit schwärmte Karl von Wendt längst von einer eigenen Rennstrecke als große Attraktion für seine Heimatregion. Das Projekt Sauerlandring ging in den ersten Monaten 1965 ins Planungsstadium und wurde zum großen Traum des Barons. Das umliegende Gelände gehörte, soweit das Auge reichte, sowieso ihm.

Ein Stab von Spezialisten wurde zusammengestellt, erste Entwürfe und Skizzen in Auftrag gegeben und der spätere Ford-Sportchef Michael Kranefuss als Sekretär und Planungs-Koordinator eingestellt. Fünf Millionen Mark (ca. 2,5 Mio Euro) waren für den Bau der 5,5 km langen Strecke fürs erste veranschlagt.

Nun begann der Hürdenlauf der Genehmigungsverfahren. Ein Schaustück der modellierten Anlage war schon bald fertig. Stolz lud der Schlossherr eine prominente Expertenrunde und die Presse zum ersten Begutachtungstermin ein.

Der Aufmarsch der Gäste ähnelte einem PS-Gipfeltreffen. Jo Siffert, Joakim Bonnier und Jochen Rindt erschienen als Formel 1-Vertreter. Die Porsche-Werksfahrer Rolf Stommelen, Udo Schütz und Willi Kauhsen für Sportwagen-Belange, Erich Bitter und Herbert Schultze für die Tourenwagen-Zunft. Hans Stuck sen. und Mercedes-Alt-Rennleiter Alfred Neubauer waren ebenso anwesend wie die Repräsentanten der Sportbehörde ONS, der NRW-Ministerien und der regionalen Verwaltung.

Selbst SPD-Chef Helmut Schmidt kam mit großem Gefolge. Beim Ortstermin im Gelände zwängt sich der Fraktionsvorsitzende sogar gut gelaunt ins enge Cockpit des Wendschen Porsche 907. Gevelinghausen war für einen Tag Treffpunkt der Prominenz aus Sport, Politik und Wirtschaft.

Der Planungsstab erhielt für seine Arbeit Lob von allen Seiten. Und trotzdem platzte der Traum vom Sauerlandring 1968 wie eine Seifenblase.

Das Projekt geriet ins Stocken, verhedderte sich im Gestrüpp landespolitischer Genehmigungsverfahren und kommunaler Bedenkenträger. Drei von insgesamt 26 Behörden verweigerten ihre Zustimmung. Begründung: «Durch den Lärm der Rennstrecke ist für jährlich rund zehn Millionen NRW-Bürger, die in der Region Erholung suchen, eine erhebliche Ruhestörung zu erwarten.»

Auch weitere Eingaben und Expertisen sowie der Hinweis auf wegfallende Arbeitsplätze und eine nutzlose Millionen-Investition konnten die betreffenden Entscheidungsträger nicht zum Umdenken bewegen. Tief deprimiert gab Karl von Wendt seinen großen Traum vom Sauerlandring auf. Als schwacher Trost blieb der Region nur das jährlich im Oktober ausgetragene «Sauerland-Bergrennen» in der Nähe von Nuttlar.

Vom Scheitern des Sauerlandrings tief enttäuscht und frustriert, beendete Karl von Wendt ein paar Jahre später auch für sich persönlich das Kapitel Motorsport. Er löste seinen Rennstall auf und investierte verstärkt in andere Bereiche seines Grundbesitzes. Der Erlebnispark «Fort Fun» entstand. Und fast als Trotzreaktion auf die abgeschmetterte Rennstrecke ließ der Baron einen Military-Parcours für den Pferdesport bauen und holte die Europameisterschaft ins Sauerland. Privat faszinierten ihn nun statt Autorennen der Reitsport, das Hochsee-Segeln und die Jagd.

Doch dann wurden die Zeiten schlechter. Karl von Wendt und sein Freizeit-Imperium gerieten in schwere finanzielle Turbulenzen. Die Banken wurden ob der Schieflage nervös und erzwangen nach und nach den Verkauf aller Besitztümer. Am Ende blieb dem einst so stolzen Schlossherrn, Unternehmer und Mäzen fast nichts mehr.

Verlassen auch von fast allen, die sich zu besseren Zeiten um ihn geschart hatten, kehrte der Baron seiner Heimat den Rücken und wurde depressiv. Er gab die deutsche Staatsbürgerschaft auf und wanderte Anfang der 80er Jahre nach Kanada aus.

Der Mann, der sich und der deutschen Rennsportgemeinde den Sauerlandring schenken wollte, war nun selbst auf Hilfe angewiesen. Dazu schwächte ihn eine schwere Krebserkrankung zusehends. Den Kummer ertränkte er im Alkohol. Er wusste, dass seine Tage gezählt waren und wollte nur noch zurück in sein geliebtes Sauerland.

Doch der Tod war schneller: Am 6. Februar 2006 fand man den 68jährigen Karl von Wendt leblos in einem kleinen Segelboot auf offener See. Die wenigen noch verbliebenen Freunde und Reste des Familienclans arrangierten seine Überführung nach Deutschland. Auf dem kleinen Friedhof von Gevelinghausen fand er seine letzte Ruhe.

«Der Karl», so ist noch heute aus seinem Umfeld zu vernehmen, «war viel zu gutmütig. Die meisten haben ihn nur gnadenlos ausgenutzt.»


Diesen Artikel teilen auf...

Mehr über...

Siehe auch

Formel-1-Show in London: Fluch oder Segen?

Von Mathias Brunner
​Das war sie also, die Formel-1-Sause in der Londoner O2-Arena, vor 15.000 Fans im Rund und Millionen vor dem Fernseher und in den sozialen Netzwerken. Was hat die spektakuläre Präsentation gebracht?
» weiterlesen
 

TV-Programm

  • Do. 06.03., 15:00, Motorvision TV
    Extreme E Highlights
  • Do. 06.03., 17:45, Hamburg 1
    car port
  • Do. 06.03., 19:15, ServusTV
    Servus Sport aktuell
  • Do. 06.03., 21:00, Motorvision TV
    Top Speed Classic
  • Do. 06.03., 21:25, Motorvision TV
    Rallye
  • Do. 06.03., 21:55, Motorvision TV
    Top Speed Classic
  • Do. 06.03., 23:35, Motorvision TV
    Classic Races
  • Do. 06.03., 23:45, Hamburg 1
    car port
  • Fr. 07.03., 00:05, Motorvision TV
    Legends Cars National Championship
  • Fr. 07.03., 01:00, Motorvision TV
    Tourenwagen: Supercars Championship
» zum TV-Programm
6.86 26021709 C0603054511 | 9