Formel 1 in Indien – Zimmer frei?
Indische Lobby – Überraschungen inklusive
Man ist in Indien nie vor Überraschungen sicher. Nach 15 Stunden Anreise – davon zwei mit Taxi durch den Verkehr von Neu-Delhi, steht einem meist der Sinn nach einer kurzen Pause. Einchecken, Klamotten abwerfen, Duschen, vielleicht ein Saunagang, und weiter geht’s.
Denkste.
Im Hotel werden ich beim Check-in aufgefordert, zwei Minuten zu warten. Begründung: Check-Out ist erst in einer Stunde beendet. Das heisst: Die Gäste sind noch am ausziehen. Dann müssen die Zimmer noch gereinigt werden. Ok, das ist nachvollziehbar um elf Uhr morgens.
Nach zwei Minuten werde ich aufgefordert, doch in den Polstern der Lobby zu warten. Naja, es kann also etwas länger dauern.
Nach fünf Minuten kommt der Manager und sagt: «Wir wollen Ihnen ihren Aufenthalt so angenehm wie möglich machen.» Da ahnt der Reisende nach 23 Jahren on-the-Road, was kommt: Es gibt Probleme.
In der Tat: Leider sei ein Gast entgegen seiner Buchung nicht ausgezogen.
Ich entgegne: «Zum Glück habe ich ja eine bestätigte Buchung.»
Er nickt eifrig und schaut. Und schaut. Und schaut.
Ich frage: «Und nun?»
«Wir würden Sie gerne in ein Hotel hier ganz in der Nähe bringen. Nur für eine Nacht?»
Gast: «Nein, danke, ich habe hier ein Zimmer.»
Sagt der Manager: «Aber die Gäste sind unterwegs, das Zimmer nicht frei.»
Antwort gebuchter Gast: «Dann rufen sie sie an – und holen sie her.»
Manager: «Es sind japanische Ingenieure.»
Gast: «Darf man Japaner nicht anrufen?
Manager: «Doch, sicher, äh…»
Gast: «Japaner sind nette Leute, die ziehen dann aus, wenn sie müssen.»
Manager schaut, schaut, schaut weiter.
Gast (vom Verdacht beschlichen, dass die Japaner ein kleines Trinkgeld hinterlassen haben): «Rufen Sie nun an – oder räumen sie das Zimmer ohne Gäste?»
«Wir können doch das Zimmer nicht räumen.»
Gast: «Wieso nicht?»
Manager: Schaut, schaut, schaut…
Gast: Schaut zurück!
Fingernägelkauende Einlassung des Managers: «Die Japaner kommen immer abends zurück. Dann werden sie ausziehen.»
Gast: «Und wenn nicht?»
Manager: «Doch doch, ganz bestimmt.»
Gast: «Warum räumen sie das Zimmer nicht einfach?»
Manager: «Das können wir nicht machen.»
Gast: «Auch nicht, wenn die Japaner am Abend nicht ausziehen wollen?»
Manager: «Wir können doch die Gäste nicht raussetzen?»
Gast: «Aber mich, oder wie?»
«Manager: Nein, nein. Heute abend ist das Zimmer frei.»
Er weiss offenbar mehr, als er sagt. Ich deponiere meinen Koffer im Zimmer des Kollegen Brunner, der per Telefon zustimmt, dass ich auch bei ihm duschen darf.
Als wir abends von der Strecke zurückkehren, das erwartete Szenario: «Der Manager entschuldigt sich vielfach, die Japaner seien immer noch da. Ich erspare mir eine erneute Diskussion und ziehe um – für eine Nacht. Mit dem Abschiedsgruss: Morgen komme ich wieder. Und wenn das Zimmer nicht frei ist, schlafe ich in der Lobby.»
«Yes, yes», sagt er.
No, no!