Haug: Will Mercedes ein neues Zeichen setzen?
Norbert Haug nach dem China-GP-Sieg von Nico Rosberg.
Mercedes ist anfangs 2010 mit einem hohen Anspruch in die Formel 1 zurückgekehrt: «Wir wollen Weltmeister werden», verkündete Konzern-Chef Dieter Zetsche bei der Präsentation im Stuttgarter Werksmuseum.
Dieses Ziel ist drei Jahre lang verpasst worden. Die Rückkehr von Michael Schumacher hat weltweit ein enormes Echo ausgelöst, war sportlich aber ein Schlag ins Wasser: Der siebenfache Weltmeister wurde vom jungen Nico Rosberg entzaubert.
Zetsche hatte im Sommer 2012 offenbar genug und angelte sich – mit Hilfe des cleveren Niki Lauda – von McLaren den Engländer Lewis Hamilton, für viele Fachleute vielleicht der schnellste Formel-1-Fahrer der Gegenwart. Michael Schumacher wartete so lange mit der Antwort, ob er seine F1-Karriere verlängern wolle, bis ihm die Entscheidung abgenommen wurde.
Darüber hinaus wurde der dreifache F1-Champion Niki Lauda von Zetsche ins Mercedes-Kontrollgremium geholt. Zetsche schätzt an Lauda: Der Wiener hält den Finger drauf, wo es wehtut. Das ist schmerzhaft, aber für eine Fehler-Analyse unerlässlich. Nicht alle bei Mercedes sind von diesem Engagement hellauf begeistert.
Schon im Spätsommer war Beobachtern im Fahrerlager aufgefallen, dass sich Haug und Lauda aus dem Weg gehen. Teilweise wurde nicht einmal das Auto geteilt, um zur Rennstrecke zu gelangen. Ein gutes Betriebsklima ist etwas anderes.
Mercedes und Haug äussern sich bislang nicht über die Gründe, wieso ihr Vertrag aufgelöst worden ist. «Im gegenseitigen Einverständnis», wie das in der modernen Sprachregelung heisst, muss das aber durchaus nicht sein.
Es wäre nachvollziehbar, dass Haug intern angekreidet wird: Die neuen Silberpfeile sind bislang an den Zielen vorbeigeschossen – selbst wenn Nico Rosberg im vergangenen Frühling den ersten Sieg erobern konnte. Es wäre ebenfalls nachvollziehbar, dass dafür jemand bei Mercedes den Kopf hinhalten muss, um ein neues, starkes Zeichen zu setzen.
Klar ist: Zwei Alpha-Tiere wie Norbert Haug (60) und Niki Lauda (63) nebeneinander – das würde auf die Dauer nicht gutgehen. Unklar ist, ob Haug nahelegt worden ist, seinen Hut zu nehmen, oder ob er aus freien Stücken den Rücktritt angeboten hat.
Denkbar auch, dass Haug aus gesundheitlichen Gründen geht: Schon bei den Formel-1-Wintertests im Februar 2010 in Valencia fiel TV-Zuschauern auf, wie heiser Haugs Stimme klingt. Später wurde bekannt, dass sich der frühere Journalist einem Eingriff an der Schilddrüse unterzogen hatte.
Ungeachtet der Gründe verliert Mercedes mit Haug einen Mann, der 22 Jahre lang mit Leib und Seele für die Marke mit dem Stern eingetreten ist. So engagiert, couragiert und konsequent Haug einst Journalist bei «auto motor und sport» war (bis hin zum Posten des stellvertretenden Chef-Redakteurs), so einsatzfreudig vertrat er später Mercedes.
Keiner kann Haug nehmen, dass er wesentlich dafür verantwortlich gewesen ist, dass Mercedes-Benz überhaupt wieder im Formel-1-Sport vertreten ist – zunächst als Motorenlieferant, später mit dem eigenen Rennstall.