Jenson Button: Ziel verfehlt
Button kämpfte mit dem Rücken zur Wand
Jenson Button hat sein Jahresziel 2012 nicht erreicht.
«Ich will mich vor allem in der Qualifikation steigern», kündigte der Weltmeister von 2009 vor Saisonbeginn 2012 an.
Er hatte sich teamintern 2011 bei McLaren-Mercedes so schön nach Punkten in die Pole-positon manövriert. Teamkollege Lewis Hamilton schien abgeschrieben. Nicht vom Tempo her, aber oft von den Ergebnissen. Und als Unperson: kein Teamplayer, kein Vollprofi, zu unstet.
Ganz anders dieser Button: immer gut gelaunt, gefestigte Persönlichkeit, weise und umgänglich, loyal und seriös, locker und ernsthaft zugleich. Und trotzdem ein Rennfahrer durch und durch. Dar Hallodri von einst, der noch vor seinem ersten F1-Rennen im Jahr 2000 mit einem Ferrari bei Chef Frank Williams vorm Bürofenster vorfuhr – ausgerechnet in einem Modell aus Maranello.
Dieser Button war vor einem Jahr in der Formel 1 nun «12 years old», wie ein gut gereifter Whiskey. Nur besiegeln wollte – ja musste – er seine neue Position bei McLaren auch noch auf der Strecke. Vom Tempo her. Über diese eine schnelle Chaosrunde hinweg.
Es gelang ihm nicht. Zumindest zu selten. Button kam Hamilton manchmal nahe, aber nicht an Hamilton vorbei. Nicht in den Qualifikationen. Und zu selten in den Rennen. Er wurde von dem schnellen schwarzen Mann am Ende wieder in die Schranken gewiesen, mit 17:3 in den Qualifikationen. Nach Punkten mit 190:188. Die Statistik verschweigt dabei die grösseren mechanischen Probleme, unter denen Hamilton zu leiden hatte.
Betrachtet man den teaminternen Wettbewerb der Weltmeister von 2008 und 2009 über die drei Jahre hinweg, die sie zusammen gefahren sind, so hat es den Anschein, dass Button Hamilton erst mit Glück, dann mit Cleverness und 2011 auch mit besonderer Klasse geschultert hatte. Aber er versäumte es, Hamilton für zehn Sekunden am Boden zu halten. Im Gegenteil: Hamilton katapultierte sich 2012 im dritten gemeinsamen Jahr, sieben Mal auf die Pole-position, Button nur ein Mal.
Man darf die abgelaufene Saison als Beweis dafür ansehen, dass Button in schwierigen Autos – und bei sehr schwierigem Reifen-Handling – deutlich mehr Probleme hat als sein Widersacher. Besonders auf eine schnelle Runde betrachtet.
Oder wie der britische Weltmeister von 1992, Nigel Mansell, es ausdrückt: «Lewis ist ein fantastischer Racer, Jenson ein sensationeller Rennfahrer.» – Mansell meint: Ein Rennen-Fahrer.
Doch Button verlor 2012 etwas von diesem Nimbus, auch wenn er stark begann. Jenson überholte in Melbourne am Start den Teamkollegen Hamilton und sah von da an ungefährdet aus. Er war es auch. Wenn Button schon aus der ersten Reihe startet, dann ist immer mit ihm zu rechnen. Zum dritten Mal in vier Jahren triumphierte der Brite in Melbourne. Der McLaren-Mercedes setzte als einziges Auto auf eine konventionelle Hochnase – und schien damit für den Anfang richtig zu liegen. Button trimmte seinen Untersatz überdies auf Untersteuern, weil er Angst hatte, sich sonst die Hinterreifen zu ruinieren. Seine Rechnung ging auf.
Dann kommt der WM-Führende nach Malaysia – und startet nach erneuter Qualifikation (wieder knapp) hinter Hamilton als Zweiter. Im Rennen findet er Bedingungen vor, die wie geschaffen für ihn sind. Nässe und wechselnde Streckenverhältnisse. Doch er kollidiert mit Karthikeyan, den er irrtümlich für einen zu Überrundenden hält. Der Inder hat bloss noch nicht Reifen gewechselt und gondelt deshalb eher irrtümlich in derselben Rennrunde vor Button herum. Der nimmt diesen Fehler auf sich. Und keine Punkte mit.
Aber er hadert offenbar nicht lange damit herum. Button weiss: Er macht fast nie Fehler. Da hat er mindestens einen Lapsus pro Jahr frei. Und schon in China ist er erneut zur Stelle, dieses Mal als Zweiter. Eine verklemmte Radmutter kostet ihn beim Boxenstopp fast zehn Sekunden, sonst hätte Nico Rosberg um seinen und den ersten Sieg von Mercedes in der Neuzeit bangen müssen.
In Bahrain beginnt das, was man als Jenson Button wohl Krise nennen muss. Der Titelanwärter hat das Tempo für Rang 5, doch sein Auspuff, ein schlapper Hinterreifen und letztlich ein defektes Differenzial bescheren ihm Rang 18 der Wertung, die zweite Nullrunde und den Beginn einer Durststrecke.
Bis zum GP Deutschland holt Jenson in fünf Rennen sieben Punkte. «Ich verstehe die Reifen nicht», kapituliert der Reifen-Versteher. Mal ist er auf gebrauchten schneller als auf neuen, dann auch weichen langsamer als auf harten – und umgekehrt. In Monaco wird er von Kovalainen im Hinterfeld festgenagelt, Platz 16. In Montreal wieder Platz 16, während Hamilton im gleichen Wagen gewinnt.
Erst mit einem deutlich verbessertem Auto, mit neuen Seitenkästen, tiefer platziertem Auspuff, modifiziertem Diffussor und insgesamt stabilerem Heck kann er wieder vorne mitspielen.
Rückblickend sagt er: «Anfangs hatte ich Probleme, Temperatur in die Gummis zu bekommen. Dann haben wir einiges geändert. Und plötzlich verbrauchte ich zu viel Reifen. Dann haben wir das Auto zurückgebaut, aber waren zu langsam damit. Erst ab Hockenheim stimmte die Balance für mich wieder – und dann hat es wieder richtig gut funktioniert.»
Doch sein Vormarsch in Deutschland endet im Rennen knapp hinter Fernando Alonso, dem Sieger, auf Rang 2.
Jenson ist wieder in der Spur. Sein Team nicht immer: In Budapest hindert ihn eine falsche Dreistopp-Strategie an einem besseren Resultat (Platz 6). Hamilton gewinnt mit der richtigen Strategie (zwei Stopps). Aber Button bleibt dran: Pole-position und Start-Zielsieg in Spa-Francorchamps darf er sich als Meisterstück gutschreiben lassen. Sein Trick: Er greift auf einen alten Flügel zurück, der weniger Abtrieb spendet als der neue, und hängt das Qualifikations-Monster Hamilton im Kampf um die Startplätze um volle acht Zehntelsekunden ab. Der Geschlagene schäumt und zettelt mit Twitter-Meldungen über Teaminterna einen handfesten Krach an.
Das Button Hamilton mit dem Set-up oder einer Abstimmung austrickst, ist kein Einzelfall, sondern mindestens das fünfte Mal in drei gemeinsamen McLaren-Jahren.
Button kann zwar in Singapur im Rennen nicht mit Hamilton und Vettel mithalten, profitiert aber vom Ausfall des Teamkollegen (Getriebe). Platz 2 zieht einen hohen Preis nach sich. Auch Buttons Getriebe ist mit Metallabrieb kontaminiert und muss unplanmässig gewechselt werden. Das kostet fünf Plätze in der Startaufstellung für den Japan-GP. Er startet als Achter und erreicht als Vierter das Maximum.
In Yeongam fährt ihm Kobayashi ins Auto.
Nach einem durchwachsenen fünften Rang in Indien wird Button in Abu Dhabi spät von Sebastian Vettel auf Platz 4 verdrängt.
In den USA zeigt er Zähne, arbeitet sich mit überzeugenden – und ausnehmend sehenswerten – Überholmanövern vom 12. auf den 5. Platz vor. Da Hamilton gleichzeitig gewinnt, ist der Wert der Leistung jedoch überschaubar.
Button rettet seine Saison in Brasilien. Er beendet sie, wie er sie begonnen hat, mit einem Sieg. Natürlich: Diese dauernd wechselnden Bedingungen sind massgeschneidert für den Fuchs aus Frome, aber der Erfolg hat zwei Schönheitsfehler. Hamilton scheidet in Führung liegend aus. Und zu Rennbeginn ist Hülkenberg auf den gleichen Reifen im Force India schneller.
Wie es mit Button weiterging und vor allem, weitergeht, erfahren Sie morgen im 12. und letzten Teil unserer Weltmeister-Serie.