Bruno Giacomelli: Mit dem Gedächtnis des Elefanten
Bruno Giacomelli.
Wenn man sich heute mit Bruno Giacomelli (60) unterhält, dann stellt man vor allem eines fest – er kann sich mit ungeheurer Genauigkeit an seine Rennen erinnern. Jedes Überholmanöver, jede Veränderung an den Autos kann mühelos nacherzählt werden. «Jack O’Malley», wie er in den 70er Jahren von den britischen Rennmechanikern getauft wurde, hat das Gedächtnis eines Elefanten.
Die ersten Schritte in einen Formel-1-Auto gab es 1977, in Zolder (Belgien), wo er bei Testfahrten kurzfristig für den unpässlichen Ian Scheckter eingesprungen ist.
An die Rennen in der Saison 1977 und 1978 auf McLaren hat er unterschiedliche Erinnerungen: «Der McLaren M23 war ein sehr gutes Auto, aber nicht mehr das neueste Modell, der M26 war hingegen sehr schwer zu fahren. Die Lenkung erforderte viel Kraft. Natürlich gab es damals keine Servo-Unterstützung. James Hunt war der einzige Fahrer, der mit diesem Auto wirklich schnell war.»
Ganz besondere Erinnerungen hat der Italiener aus Borgo Poncarale (bei Brescia) an dem Alfa Romeo, Typ 177: «Das Auto war über lange Zeit getestet worden, trotzdem kamen wir damit nicht zurecht. In Dijon 1979 konnte ich immer wieder die Gänge nicht wechseln. Als ich an die Box kam, ging das problemlos. Wir konnten einfach den Fehler nicht finden. Nach dem Rennen haben wir dann festgestellt, dass die Motoraufhängungen und andere Teile des Chassis gerissen waren! Wenn ich also in eine Kurve gefahren bin, hat sich das ganze Fahrzeug stark verwunden, womit ein Gangwechsel nicht mehr möglich war.»
Angst hatte der Formel-2-Europameister von 1978 im Rennwagen nie, obgleich der Grand Prix von Deutschland 1980 nach dem tödlichen Unfall von Teamkollegen Patrick Depailler schwierig war.
«An seinem Auto ist vermutlich die Hinterradaufhängung gebrochen, mit der wir vorher schon öfters Probleme gehabt hatten. Jedes Mal, als ich im Rennen an diese Stelle in der Ostkurve gekommen bin, hatte ich die Bilder vom Unfall im Kopf. Nach dem Rennen wollte ich dann nur noch weg …»
Besonders gerne erinnert sich der 69-fache GP-Teilnehmer an die besten beiden Autos, die er in seiner Karriere bewegt hat.
Dies ist zum einen der Alfa Romeo 179 (gegen Ende der Saison 1980) und zum anderen der March mit der aktiven Radaufhängung (Giacomelli war 1988 bis 1990 Testfahrer bei Leyton House March). «Der Alfa war Ende 1980 auf dem gleichen Niveau wie der Williams, wenn nicht sogar besser, nur leider haben wir es nicht geschafft, das auch in entsprechende Ergebnisse umzumünzen. Der March vom heutigen Red-Bull-Racing-Weltmeistermacher Adrian Newey hat extrem viel Spass zum Fahren gemacht.»
Nach Einsätzen bei Toleman 1983 war mangels Sponsoren und Angeboten Schluss, dann setzte Bruno eine Fussnote der Formel-1-Historie: Mit dem Life F190, den er 1990 bewegt hat, kam er nie über die Vorqualifikation hinaus. «Der eigenwillige Rocchi-Motor in W-Form, also mit drei Bänken zu je vier Zylindern, hat ganze 360 PS geleistet, die McLaren zum Beispiel lagen mit den Honda-Motoren bei in etwa 690 PS. Ich ging auf die Bahn hinaus im Wissen, dass ich eine bestimmte Drehzahl nicht erreichen durfte, sonst hätte es das ganze Triebwerk zerrissen.»
Die moderne Formel 1 verfolgt Giacomelli genau, wenn ihm auch dabei Vieles nicht gefällt: «Ich bin auf Rennstrecken wie der Nürburgring-Nordschleife, Zeltweg oder Hockenheim vor dem Umbau gefahren. Wenn ich mir die heutigen Strecken anschaue, dann kann ich mich damit nicht anfreunden. Dort fehlen Herausforderung und Atmosphäre. Wenn wir einen Fehler gemacht haben, war das Rennen meist vorbei, heute fährt man über einen breiten Asphaltweg neben der Strecke wieder zurück. Das ist alles.»
Bei Grands Prix trifft man den Drittplatzierten des Las-Vegas-GP 1981 nicht mehr. «Zum einen bin ich zu wenig berühmt, um an eine Karte fürs Fahrerlager zu kommen, zum anderen war ich von meinem letzten F1-Besuch sehr enttäuscht. Mit der Karte konnte ich hinter den Boxen auf- und ablaufen, aber ich wollte doch die Autos, die Technik sehen, da war aber alles abgesperrt. Ich hab die Karte dann weggeworfen und bin nach Hause gefahren.»