Sebastian Vettel: Karriere-Ende in fünf Jahren?
Sebastian Vettel: «Man sollte sich im Leben an nichts gewöhnen»
«Unsere Fehlschläge sind oft erfolgreicher als unsere Erfolge», lehrte uns schon Henry Ford. Dass dies auch in der Königsklasse des Motorsports gilt, zeigt das Beispiel Sebastian Vettel. Der jüngste dreifache Weltmeister durfte in seiner Formel-1-Karriere schon 28 GP-Erfolge feiern – zuletzt siegte er in der Wüste von Bahrain. Trotzdem wird der 25-jährige Blondschopf immer wieder auf seinen ersten Saisonsieg in Malaysia angesprochen, denn dem 27. GP-Triumph ging ein umstrittenes Manöver an Teamkollege Mark Webber voraus.
Vettel missachtete die Stallorder seines Teams und überholte den Australier. Das brachte dem berühmtesten Heppenheimer der Welt nicht nur 25-WM-Punkte, sondern auch viel Kritik: Die Öffentlichkeit sah sich gezwungen, das Lausbuben-Image des Red Bull Racing-Piloten zu korrigieren. «Da sind die Leute selber schuld. Ich kehre keine Dinge nach aussen, die nicht nach aussen gekehrt werden müssen. Das hat zu einer verzerrten Wahrnehmung meiner Person geführt», erklärt der Weltmeister im Interview mit den Kollegen der Welt am Sonntag. «Aussenstehende haben mich für den lieben, braven Sebastian gehalten, der auch seine Meinung für sich behält. Aber so bin ich nicht. Das Rennen in Malaysia hat in dieser Hinsicht vielen die Augen geöffnet. Wenn es etwas Unschönes anzusprechen gab, habe ich das immer getan. Allerdings in Gegenwart von denen, die es wirklich etwas anging. Und das sind nicht die Leute, die vor dem Fernseher sitzen. Diesmal war das halt anders.»
Sebastian Vettel: Keine Lust mehr in 5 Jahren?
Die Beziehung zu seinem Brötchengeber habe dadurch nicht gelitten, beteuert Vettel: «Im Moment fühle ich mich sehr wohl und kann mir nicht vorstellen, irgendwann woanders zu fahren. Das Auto ist schnell, das Team ist gut – ich sehe derzeit keinen Grund, dort wegzugehen. Aber das heißt nicht, dass ich für immer bleibe. Vielleicht fahre ich in fünf Jahren gar nicht mehr, weil ich keine Lust mehr habe. Vielleicht fahre ich in fünf Jahren bei einem anderen Rennstall, weil ich eine andere Herausforderung spüre. Jeder Mensch entwickelt sich im Laufe der Jahre weiter, die Prioritäten verschieben sich.»
Noch ist Vettel die Lust am Siegen nicht vergangen, mit 107 Punkten führt der Weltmeister der letzten drei Jahre auch die aktuelle Meisterschaftswertung an. Von Dominanz will er trotzdem nicht sprechen: «Ich mag das Wort Dominanz nicht besonders. Es klingt so, als würde alles von allein passieren. Es klammert die ganzen Schritte aus, die es gebraucht hat, um ans Ziel zu kommen. Ich bin auch nicht so vermessen, mich für den Besten zu halten. Die anderen Fahrer sind auch keine Pappnasen. Es wird immer Fälle geben, in denen jemand schneller ist. Mein Job ist es, die Zahl dieser Fälle möglichst gering zu halten.»
Vettels Erfolgsrezept ist einfach: «Ich glaube, das Geheimnis ist, sich nicht ans Gewinnen zu gewöhnen. Mit den Ergebnissen steigen auch die Erwartungen. Ab und zu tut es gut zu verlieren, um sich nicht zu sehr ans Gewinnen zu gewöhnen.» Aber auch das Verlieren soll nicht zur Routine werden: « Ich glaube es ist gut, wenn man sich nicht daran gewöhnt. Ich glaube auch, dass man sich im Leben an nichts gewöhnen sollte, denn das bedeutet immer Stillstand. Lernen kann man aus Niederlagen allerdings immer eine Menge, etwa richtig damit umzugehen. Seinen Frust in Energie umzuwandeln. Wieder nach vorn zu blicken.»
Ein schlechter Verlierer
Vettel verrät:«Ich muss auch Enttäuschungen wegstecken, auf der Strecke, neben der Strecke, überall. Das gehört einfach dazu, und das formt einen Menschen. Aus Niederlagen kannst du mehr lernen als aus Siegen. Nach einem gelungenen Rennen ist es schwieriger zu erkennen, was schlecht war.» Den schlimmsten sportlichen Tiefschlag erlebte er in seinem zweiten Formel-1-Jahr: «Meine schlimmste sportliche Niederlage war ganz klar das vorletzte Rennen der Saison 2009, als feststand, dass ich nicht mehr Weltmeister werden kann. Das war unglaublich schwer zu verdauen, das tat sehr weh. Ich dachte damals: Was, wenn das deine einzige Chance war?» Dass er sich privat mit Niederlagen sehr schwer tut, gibt Vettel unumwunden zu: «Ich bin ein miserabler Verlierer. Sie sollten mich mal beim Monopoly erleben … Wenn es nicht läuft, werde ich sehr unangenehm. Ich schimpfe und fuchtele mit den Armen. Manchmal würde ich am liebsten das Spielbrett durchbrechen, so sauer bin ich. Aber dann denke ich mir, dass wir das Brett ja noch für die Revanche benötigen.»