Toter Streckenposten: Wer ist verantwortlich?
Streckenposten am Auto von Esteban Gutiérrez
GP-Promoter François Dumontier und sein Team stehen unter Schock: der tödliche Unfall eines Streckenpostens hat die Freude am sonnigen Renntag und über den erfreulichen Zuschauer-Aufmarsch zu Nebensachen degradiert.
SPEEDWEEK-Leser wissen: Im unmittelbaren Anschluss an den Montreal-GP sollte der gestrandete Sauber von Esteban Gutiérrez zur Box zurückgebracht werden. Der Rennwagen des Mexikaners hing schon am Haken und wurde vom Kranwagen in langsamer Fahrt weggebracht. Dennoch war Eile angesagt: nach dem Rennen strömten die Fans auf die Bahn, die Helfer wollten den Wagen daher eiligst in den abgesperrten Boxenbereich bringen.
Während des Transports fiel dem Streckenposten sein Funkgerät zu Boden, als er es aufheben wollte, rutschte er aus und fiel vor ein Rad des Kranwagens. Der Führer des Kranwagens sah seinen Kollegen nicht. Der 38 Jahre alte Streckenposten erlitt dabei so schwere Verletzungen, dass er knapp zwei Stunden später im Krankenhaus Sacré-Coeur verstarb.
Die so genannte «Kommission für Gesundheit und Sicherheit bei der Arbeit» (CSST) leitet in der Regeln bei solchen Unfällen eine Untersuchung ein.
War diese Eile nötig?
Der Geschäftsmann Alexandre Taillefer war Augenzeuge auf einer Tribüne: «Alles ging unheimlich schnell, die Streckenposten waren sichtlich in Eile, auf einmal stolperte der Mann und schon war er überrollt, und das mit Vorder- und Hinterrad des Kranwagens. Wir trauten unseren Augen kaum.»
Der Mann war kurz nach dem Unfall ansprechbar, verlor aber auf dem Weg ins Strecken-Spital das Bewusstsein.
Taillefer: «Die Fans um mich herum reagierten wie ich – wir waren alle fassungslos. Was am meisten schmerzt: der Unfall war so sinnlos. Das Rennen war doch zu Ende, der Wagen musste ja nicht aus einer Gefahrenzone weggebracht werden. War es wirklich notwendig, dass die Streckenposten sich so beeilen mussten?»
Das ist gewiss eine der Fragen, die sich GP-Promoter Dumontier im Rahmen einer Untersuchung stellen lassen muss. Dumontier: «Ich bin am Boden zerstört über den Todesfall.»
Nochmals Alexandre Taillefer: «Man hatte wirklich den Eindruck, dass die Streckenposten Anweisung erhalten hatten, so schnell als möglich zu arbeiten. Vielleicht sollte man künftig die Piste nicht so kurz nach Rennschluss freigeben.»
Es handelt sich um den ersten toten Streckenposten auf der Insel, die für die Weltausstellung 1967 künstlich aufgeschüttet wurde. Formel-1-WM-Läufe werden auf dem «Circuit Gilles Villeneuve» seit 1978 ausgetragen.
Montreal: Der zweite Todesfall
Es handelt sich jedoch um den zweiten tödlichen Unfall auf der Strecke: Im Rennen 1982 – nur wenige Wochen, nachdem Ferrari-Star Villeneuve das Leben verloren hatte – raste der Italiener Riccardo Paletti kurz nach dem Start ins Heck des stehengebliebenen Autos von Didier Pironi. Paletti zog sich dabei so schwere innere Verletzungen zu, dass er noch während des Transports ins Krankenhaus verstarb.
Die letzten Unfälle dieser Art mit Todesfolge gehen auf die Jahre 2000 und 2001 zurück: In Monza 2000 wurde der Feuerwehrmann Paolo Gislimberti von einem Rad des Unfallwagens von Heinz-Harald Frentzen tödlich verletzt (nach einer Massen-Karambolage), nur wenige Rennen später wurde der Australier Graham Beveridge in Melbourne 2001 vom Rad des Autos von Jacques Villeneuve erschlagen (nach einer Kollision zwischen den Fahrzeugen des Kanadiers und dem Williams von Ralf Schumacher).