Fernando Alonso: «Ich fürchte Kimi Räikkönen nicht»
Fernando Alonso: «Meine Batterie ist geladen»
Es ist schon seltsam: da sprechen Mercedes-Star und Ungarn-GP-Sieger Lewis Hamilton und Ferrari-Ass Fernando Alonso fast zur gleichen Zeit und wo stehen die meisten englischen Berichterstatter? Genau, bei Alonso! Vielleicht liegt es auch daran, weil Fernando zwar nicht deutsch, aber deutlich spricht.
Fernando, wir haben dich seit Ungarn nicht mehr gesehen. Kannst du uns bitte erhellen, was genau mit Ferrari-Chef Luca Montezemolo vorgefallen ist? Hat er dich wirklich wegen deiner Äusserungen ermahnt?
Es handelte sich um eine Fehlinformation, die zum Präsidenten gelangte. Zum Glück wird heute ja alles aufgezeichnet, was wir Fahrer so von uns geben. Insofern war dieses Missverständnis schnell aus der Welt. Wie sich beim Anhören des Bandes herausstellte, sagte ich im Grunde nichts anderes als im Rahmen anderer Rennen: Ich verteidigte das Team und versuchte gleichzeitig, es anzuspornen. Das hielt ich schon immer so. Montezemolo ist der Vater der Familie Ferrari, ein grosser Motivator. Er macht gleichzeitig auch glasklar, was er von jedem im Team erwartet. Ich habe während der Sommerpause jeden Tag mit ihm telefoniert, anfangs ging es um meine Aussagen, später haben wir über die technische Perspektive gesprochen, aber es ging auch um Persönliches – Familie, Ferien, die Leistungen von Real Madrid oder von Juventus Turin.
Wie gehst du in diese zweite Saisonhälfte?
Mit voll geladener Batterie – Erholungsfaktor 10, physischer Zustand 10, Entschlossenheit 10, Motivation 10. Wir konnten 2010 als WM-Leader ins Finale von Abu Dhabi gehen, ich konnte 2012 die Saison bis zum Schluss offenhalten, das sind gute Beispiele dafür, wozu Ferrari fähig ist. Um solche Leistungen zu wiederholen, müssen wir uns verbessern, keine Frage, und der erste Schritt dazu sind neue Teile für dieses Wochenende hier in Belgien.
Hat dich der Präsident gefragt, ob du nächstes Jahr noch ein Ferrari-Fahrer bist?
Ich glaube, der Präsident ist ein sehr intelligenter Mann, der über alles sehr genau informiert ist. Insofern gab es keine Notwendigkeit, mir diese Frage zu stellen. Wir wissen auch beide, welche Kapriolen die Sommerpause in Sachen Gerüchten erzeugen kann, denn Zeitungen sollen auch verkauft werden, wenn sich in der Formel 1 kein Rad dreht.
Also fährst du nächstes Jahr einen Ferrari?
(Schmunzelt) Vielleicht ...
Aber in all den Jahren ist es ohne Beispiel, dass der Ferrari-Präsident so offen und auf der eigenen Webpage über einen eigenen Fahrer spricht. Welche Lektionen habt ihr beide aus diesen Vorfällen gelernt?
Dass Ferrari als Team oder ein Ferrari-Fahrer offenbar mehr Wellen erzeugen als ein anderer Rennstall oder ein anderer Pilot. Das beste Beispiel dafür ist für mich der Nachwuchsfahrertest. Als ich klarmachte, dass ich daran nicht teilnehmen will, weil es für mich dort nichts zu lernen gab, erzeugte das einen Riesenwirbel in den Medien und alle haben sich darüber das Maul zerrissen, mit Riesenpolemik um mich, um Ferrari, gegen Pirelli, gegen die ganze Welt. Als Kimi sagte, dass er nicht fahren würde, war der Kommentar: wie lustig! Das finde ich schon interessant. Wir müssen gleichzeitig auch sehen, dass ich Pressenkonferenzen in drei Sprachen mache, und zwei davon sind nicht meine Muttersprache. Um genau zu sein, sind es zweieinhalb, denn die Nordspanier sprechen eigentlich auch eine andere Sprache (lacht)! Da können Missverständnisse eben entstehen.
Du hast in der Sommerpause wieder mal einen Samurai-Spruch getwittert: «Der Krieger, der zum Schwert greift, wenn er beleidigt wird, kann nicht als mutig bezeichnet werden. Ein mutiger Mann zuckt nicht zusammen, weil er höhere Ziele hat.» Wer war mit diesem Spruch gemeint?
Das bezog sich niemanden im Besonderen. Ich habe in den Ferien viel gelesen – da ist mal ein Roman dabei und auch mal ein Buch über Samurai. Wenn ich einen Spruch finde, der mir gefällt, dann twittere ich den eben.
In der Pause ist viel über mögliche Transfers gesprochen worden. Was hältst du denn von einem jungen Piloten wie Nico Hülkenberg?
Ich spreche nicht gerne über dieses Thema, weil ich das immer leicht respektlos meinem Stallgefährten Felipe Massa gegenüber finde. Ich habe nun vier Jahre mit ihm gearbeitet, immer in einer guten Arbeitsatmosphäre. Ich hatte noch nie ein Problem mit meinem Stallgefährten, auch bei McLaren nicht. Da war nicht Hamilton das Problem, sondern die Teamführung. Ich hoffe, ich arbeit weiterhin mit Felipe.
Du hast die Saison 2007 bei McLaren erwähnt. Damals wurde versucht, zwei Nummer-1-Fahrer nebeneinander glücklich zu halten. Jeder weiss, wie das ausgegangen ist. Sollte jedoch Kimi Räikkönen zu Ferrari kommen, wären wir dann nicht wieder in der gleichen Situation?
Das mit der Nummer 1 ist ganz einfach: Felipe und ich gehen mit dem gleichen Material und der gleichen Ausgangslage ins erste Rennen von Australien. Wenn zum Schluss der WM ein gewisses Entwicklungsteil nur einmal vorhanden ist, dann erhält es jener Fahrer, der in der WM besser platziert ist. Ich war bei Ferrari in der glücklichen Lage, dass jedes Mal ich dieser Fahrer war. Massa hat in der WM 2008 besser abgeschlossen als Kimi und 2009 ebenfalls. Insofern fürchte ich mich nicht vor Räikkönen. Ein Problem hätte ich jedenfalls mit ihm nicht.
Was ging im zweiten Teil der WM nun den Ausschlag?
Für mich ist es ganz wichtig, was innerhalb der nächsten drei Rennen passiert, denn wir haben drei Kurse mit komplett unterschiedlichen aerodynamischen Bedürfnissen und entsprechender Fahrzeugabstimmung. Wir haben hier Spa-Francorchamps mit mittlerem Abtrieb, wir werden nach Monza ziehen, wo mit ganz flach gestellten Flügeln gefahren wird, wir haben anschliessend Singapur mit maximalem Abtrieb. In diesen drei Grands Prix werden wir erfahren, wie stark die Autos wirklich sind. Dann erfahren wir, wer Sebastian Vettel und Red Bull Racing wirklich herausfordern kann.
Wen siehst du dabei vorne?
In der Form von Ungarn muss man Lewis Hamilton im Mercedes auf der Rechnung haben. Kimi Räikkönen ist immer für ein Spitzenergebnis gut, nicht nur wegen des Fahrers, sondern auch wegen des niedrigen Reifenverschleisses seines Fahrzeugs. Wir müssen es schaffen, da auch mitzumischen.