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Schumi-Unfall: Was bei Sturzhelmen zu beachten ist

Kolumne von Günther Wiesinger
Der schwere Skiunfall von Michael Schumacher hat das Thema Sturzhelm in den Fokus gerückt. Was zeichnet einen hochwertigen Helm aus?

Dass beim Motorradfahren, Radfahren und Skilaufen das Helmtragen Pflicht sein wollte, ist unbestritten.

Aber welcher Sturzhelm gilt als sicher? Welche Prüfnormen gelten? Welche Marken sind empfehlenswert? Wie sehen die wichtigsten Merkmale aus?

SPEEDWEEK.com hat Vittorio Cafaggi zum Interview gebeten. Der Italiener ist beim Ausrüster Dainese als «Strategic Development Manager» tätig und für die Weiterentwicklung von Lederkombis und Sturzhelmen der renommierten Marken Dainese und agv zuständig.

In dieser Funktion hat Cafaggi das «D-air ® Street-Airbag»-System für Motorradrennfahrer mitentwickelt. Beim Weltcuprennen in Kitzbühel wird am 23. Januar auch ein Dainese-Airbag für Skirennläufer vorgestellt. Es heisst «D-air ® Ski», soll bei Abfahrern und Super-G-Rennläufern Verwendung finden und sie vor schweren Verletzungen schützen.

Der italienische Unternehmer Lino Dainese ist mit den Marken agv und Dainese im Motorrad- und Skisport stark vertreten. Die MotoGP-Asse Rossi, Bradl und Iannone vertrauen auf den 1100 Euro teuren Helm «Pista GP»; Maria Höfl-Riesch zählt zu den Dainese-Aushängeschildern im alpinen Skisport.

Fakt ist: Bei preiswerten Helmen wird die Aussenschale aus Kunststoff (Thermoplast) hergestellt. Dazu gehören Materialien wie Polycarbonat oder Makrolon. Sie können sich bei einem Aufprall verformen und nehmen wenig Energie auf.

Die hochwertigen Helme werden aus Faserverbundstoffen wie Voll-Karbon, Fiberglas und Karbon-Kevlar hergestellt und sind in der Herstellung wesentlich aufwändiger (zum Teil Handarbeit), was zu höheren Kosten führt.

Aber nur diese Helme aus Verbundstoffen können bei schweren Unfällen genug Bewegungsenergie absorbieren und vor schwerwiegenden Gehirnverletzungen schützen.

Vittorio, worauf muss ein Verbraucher achten, wenn er einen Sturzhelm kauft?

Wenn wir zuerst einmal über Motorradhelme sprechen, sind die besten und sichersten Helme aus Verbundstoffen wie Voll-Karbon, Kevlar-Karbon oder Fiberglas, also Glasfaser. Wir haben zum Beispiel über Jahre hinweg den Tophelm «Pista GP» entwickelt, den Rossi, Bradl und Iannone in der MotoGP-WM tragen.

Diese Helme sind extrem widerstandsfähig. Wir haben aber inzwischen herausgefunden, dass das Styropor, das sich zwischen Aussenschale und Innenfutter befindet, schneller altert als die Aussenschale.

Skihelme stellen an die Hersteller völlig andere Ansprüche als Motorradhelme, nicht?

Ja, in erster Linie, weil sie vom Unfang her viel kleiner sind. Der Skiverband FIS hat deshalb neue Vorschriften eingeführt, die schrittweise zu mehr Sicherheit bei den Helmen führen sollen. Wir haben der FIS einige Erkenntnisse weitergereicht, die wir bei agv im Motorradrennsport jahrelang erforscht haben.

Da die Skihelme kleiner sind, hast du zuerst einmal eine weniger umfangreiche Aussenschale. Ausserdem befindet sich dadurch weniger Styropor zwischen der Aussenschale und dem Innenfutter mit den Ohrenpolstern.

Das nächste Problem: Der Helm muss Platz zum Tragen einer Skibrille lassen. Du kannst die äussere Schale des Helms also vorne nicht so tief in die Stirn ziehen wie bei einem Motorradhelm.

Ich weiss nicht, ob Michael Schumacher eine Skibrille trug und mit welchem Teil des Helms er auf den Felsen aufgeprallt ist. Wenn er mit der rechten Seite aufgeprallt ist, würde mich interessieren, ob es in der Nähe der Augen passiert ist oder irgendwo mit dem Rand des Helms.

Noch ein wichtiger Faktor: War der Helmriemen straff zugezogen?
Nur wenn der Helmriemen straff sitzt, wird der Helm bei einem Sturz seine Position auf dem Kopf beibehalten. Wenn er locker sass, kann niemand einschätzten, was beim Aufprall passiert ist.

Wir sind nach vielen Studien zum Ergebnis gekommen, dass sich Skihelme, so weit es geht, punkto Form und Wandstärke an die Motorradhelme heran entwickeln sollten.

Damit sage ich nicht, dass die Skifahrer auf Vollvisierhelme umsteigen müssen. Aber es ist an der Zeit, einen besseren Kopfschutz für Skifahrer zu finden. Ein erster Schritt wäre der Versuch, Anleihen bei einem Offroad- oder Motocross-Helm zu nehmen, weil er Platz für die Skibrille bietet.

Für Skisportler müsste man allerdings einen weniger voluminösen Kinnbereich konstruieren, der trotzdem den Mundbereich schützt. Ein erster Schritt wären Helme, wie ihn heute die Slalomläufer tragen, um sich vor den Kippstangen zu schützen. Da wären schon zwei schmale Metallbügel sinnvoll oder hilfreich. Sie könnten sich bei einem Aufprall sogar lösen.

Ist es auch bei Skihelmen sinnvoll, Helme aus Verbundstoff wie Voll-Karbon, Kevlar-Karbon oder Fiberglas zu kaufen, weil sie besser vor Kopfverletzungen schützen?

Ja, ich denke, das ist richtig.

Und welche Ratschläge soll man Käufern von Motorradhelmen geben? Manche achten mehr auf den Preis und auf das Design als auf die Sicherheit, wie mir scheint.

Es ist wichtig, die Homologation zu prüfen. In manchen Ländern, in denen es heiss ist, nicht nur in Italien, sieht man Roller-Fahrer, die nur irgendeinen Militärhelm tragen. Sie meinen, sie fahren nur einen 50-ccm-Roller, also brauchen sie keinen sicheren Helm. Ein Irrtum.
Zuerst musst du also auf die Prüfetikette achten. Dann musst du ein Fabrikat aussuchen, das einen guten Ruf geniesst. Das heisst: Ich würde seltsame Marken meiden, die neu auf dem Markt kommen und die sich vorwiegend über den Preis verkaufen.

Wo beginnt der Preis für einen qualitativ hochwertigen, sicheren Helm?

Das ist schwer zu sagen. Beim Skihelm bekommst du für 180 Euro einen Tophelm. Du kannst auch mehr ausgeben. Bis 200 oder 300 Euro. Im Radsport liegen die Preise auf einem ähnlichen Niveau. Gute Vollvisierhelme für Motorradfahrer beginnen bei 170, 250 bis 300 Euro. Darunter würde ich keinen empfehlen.

Natürlich bekommst du für diesen Preis nicht dieselbe Qualität wie beim Karbon-Kevlar-Helm «Pista GP», den Stefan Bradl trägt. Der kostet 1100 Euro. Wir haben diesen Helm jahrelang gemeinsam mit Valentino Rossi entwickelt. Wir haben ergonomische Studien durchgeführt, Statistiken gemacht. Wir haben uns für das Design drei Jahre Zeit genommen. Dieser Helm ist ein grosser Schritt in die Zukunft.

Du hast die Homologation angesprochen. Es existieren verschiedene Prüfverfahren. In Amerika gibt es den Snell-Test, in Europa die ECE-Norm. Warum einigt man sich nicht auf einheitliche Prüfverfahren?

Das ist eine sehr gute Frage. Ich persönlich stehe nicht auf dem Standpunkt, dass der Snell-Test besser ist als die europäische Methode.

Die Amerikaner verwenden ein anderes Konzept. Es unterscheidet sich von den anderen Prüfverfahren. Welches besser ist und welches in gewissen Situationen bessere Resultate bringt, lässt sich kaum beurteilen.

Aber ein weltweit einheitliches Prüfverfahren wäre sinnvoller?

Ja, das wäre wundervoll. Es wäre auch deshalb sinnvoll, weil es zu niedrigeren Helmpreisen führen würde. Heute musst du dir in Frankreich, im Rest von Europa und in den USA jeweils andere Zertifikate besorgen. Das kostet viel Geld. Es wäre eine gute Idee, einen Kompromiss zu suchen und eine einzige globale Norm zu finden. Es wäre hilfreich für die Hersteller, für die Verbraucher und so weiter.

Ein weiteres Problem: Manche Billig-Hersteller produzieren eine einzige Helmschale und stopfen dann unterschiedliche Mengen von Styropor und Innenfutter rein, um verschiedene Helmgrössen vorzutäuschen.

Richtig. Das ist leider die Wahrheit. Das bedeutet dann, dass du bei einem XXL-Helm fast kein Styropor mehr als Dämpfungsmaterial zur Verfügung hast. Bei der XS-Grösse trägst du auf einem kleinen Kopf einen Riesenhelm ...

Deshalb wiederhole ich: Niemand muss einen Vollvisierhelm für 1000 Euro kaufen, obwohl du bei solchen Helmen ein besseres Interieur hast, hochwertiges Zubehör, bessere Visiere. Aber Hände weg von Vollvisierhelmen um – sagen wir – 50 Euro. Und schau dir genau an, ob das Fabrikat einen guten Ruf hat. Eine professionelle Verkaufsberatung ist wichtig.

Ich habe kürzlich ein Plakat mit der Aufschrift «Kluge Köpfe schützen sich» gesehen.

Mich überrascht, dass man solche Slogans überhaupt noch hinausposaunen muss. Es sollte selbstverständlich sein, dass man zum Beispiel beim Motorradfahren einen Vollvisierhelm aufsetzt, in vernünftiger Qualität, mit einer Prüfetikette. Und dann muss man bei jeder Art der sportlichen Fortbewegung noch das Hirn benützen, das vom Helm geschützt wird. Das ist am Wichtigsten.

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