1. Training: Sebastian Vettel als Feuerwehrmann
Zum ersten Mal seit Jahren mussten die Formel-1-Piloten auf dem Circuit de Catalunya in die Europa-Saison starten, ohne im Winter auf dieser Strecke getestet zu haben. Der ehemalige GP-Pilot und heutige SkyTV-Experte Marc Surer freute sich schon vor dem ersten freien Training zum Spanien-GP: «Das wird spannend, denn die Piloten fahren hier zum ersten Mal mit den V6-Turbos. Sie haben also nicht so eine Vertrautheit wie in den Jahren zuvor.»
Der 62-jährige Schweizer betont trotzdem: «Es war sicherlich die richtige Entscheidung, in Bahrain zu testen, denn dort sind die Temperaturen realistischer als im spanischen Winter. Hinzu kommt, dass das Wetter in Nordspanien im Winter unberechenbarer ist als etwa im Süden. Deshalb war das schon gut, auch wenn der Test einiges teurer ausfiel, wie die Teams hinterher geklagt hatten.»
Was sich in der neuen Formel-1-Ära nicht geändert hat, ist die Tatsache, dass der linke Vorderreifen vor den Toren von Barcelona besonders stark belastet wird. Surer weiss: «Der linke Vorderreifen wird hier arg gefordert, das war früher noch schlimmer, als es die Schikane noch nicht gab.» Deshalb wählte Pirelli auch die härtesten beiden Reifenmischungen für den Auftakt der Europa-Saison.
Ferrari mit neuem Heck- und Frontflügel
Das erste Rennen in Werksnähe ist traditionell auch jener GP, bei dem die Rennställe ihre ersten grossen Weiterentwicklungspakete im Gepäck haben. Zahlreiche Teams rückten mit neuen Teilen und der zähflüssigen Flow-viz-Farbe aus, welche die Strömungen am Wagen sozusagen sichtbar macht. Das Problem, das die Ingenieure damit in Montmélo haben: Die Farbe trocknet, bevor der Wagen endlich auf eine Gerade kommt.
Ferrari versuchte es trotzdem, und liess Kimi Räikkönen mit neuem Heckflügel und neuem Auspuff-Endrohr ausrücken. Der Iceman hatte auch eine tiefere und somit bequemere Sitzposition gewählt als in den vier Grands Prix zuvor. Sein Teamkollege Fernando Alonso durfte eine neue Frontflügel-Version ausprobieren.
Auch das derzeit überlegene Mercedes-Team hatte die drei Wochen seit dem China-GP genutzt, um neue Teile zu ertüfteln, Nico Rosberg und Lewis Hamilton rückten mit neuen Frontflügel-Endplatten, neuen Luftleitelementen vor den Seitenkästen und einer schlankeren Motorenverkleidung aus, denn auf dem Circuit de Catalunya spielt die Aerodynamik eine besonders grosse Rolle.
Sebastian Vettel mit dem Feuerlöscher
Der Erste, der unfreiwillig für Unterhaltung sorgte, war Force-India-Pilot Sergio Pérez. Der 24-Jährige aus Guadalajara verlor knapp 20 Minuten nach dem Trainingsstart seinen linken Rückspiegel, und hatte seine liebe Mühe, mit dem an einem dünnen Kabel baumelnden Bruchstück zurück zur Box zu fahren. Surer lachte: Sergio hat jetzt mit der rechten Hand zu schalten versucht, das ist nicht einfach, er muss aufpassen, sonst verklemmen Spiegel und Lenkrad noch.»
Nur fünf Minuten später war der Zwischenfall vergessen, denn Weltmeister Sebastian Vettel rollte nach nur vier Runden im zweiten Sektor aus und kümmerte sich in der Folge mit dem Feuerlöscher ans Werk machen musste, um verschiedene Komponenten vor dem Überhitzen zu schützen. Surer kommentierte: «Das ist ein neues Chassis, natürlich schaut er da, dass es nicht zu viel Schaden nimmt oder von den Marshalls ganz eingesaut wird. Das war ein schlechter Start für den Weltmeister.»
Teamchef Christian Horner berichtete kurz darauf im TV-Interview mit BBC: «Die ganze Elektronik schaltete ab und wir wissen noch nicht, warum das passiert ist. Sogar der Boxenfunk funktionierte nicht mehr. Ich hoffe, dass es relativ einfach zu lösen ist, damit wir schnell weitertesten können.»
Und Red Bull-Motorsportberater Dr. Helmut Marko erklärte nach dem Training: «Die elektrische Stromversorgung wurde unterbrochen. Das ist ein relativ simples Problem, ein Kabel muss gewechselt werden. Ich hoffe, dass keine anderen Aggregate von diesem Problem in Mitleidenschaft gezogen wurden. Es war also ein simpler Defekt mit grosser Wirkung. Aber bis zum zweiten freien Training sollten wir das behoben haben.»
Giedo van der Garde mit Schrecksekunde
Vettel blieb nicht der einzige Renault-Pilot mit technischen Problemen, auch Marcus Ericsson musste seinen Caterham nach nur einer Runde abstellen, weil die Motoren-Software streikte. Sein Renningenieur erklärte ihm, dass es sich um «das gleiche Problem, wie bei allen anderen Renault-Teams» handle. Doch Vettels Teamchef Horner wunderte sich: «Ich weiss nicht, was das bedeutet. Jedenfalls gibt es da kein Problem für uns.»
Auch die Favoriten hatten mit der Technik zu kämpfen: Mercedes-Pilot Rosberg stellte seinen Dienstwagen in der Box ab, weil die Kühlung seines Silberpfeils nicht richtig funktionierte. Die Mechaniker mussten den Unterboden abmontieren, und Surer erklärte: «Das kann sehr umständlich werden, denn die Batterie ist beispielsweise unter dem Tank montiert. Da kommt man nicht so leicht hin.»
Auch mit der elektronischen Bremse bekundeten einige Piloten Mühe. Die grösste Schrecksekunde erlebte dabei Sauber-Testpilot Giedo van der Garde, dessen Hinterradbremse versagte. Ex-GP-Pilot Anthony Davidson staunte: «Giedo hat eine Wundertat vollbracht, den Sauber nicht in die Reifenstapel zu setzen. Es war offensichtlich, dass die Hinterradbremse nicht funktioniert hat. Überaus beunruhigend!» Zum Glück für den Niederländer haben die Formel-1-Autos ein Zweikreis-Bremssystem, sodass ein gewisses Mass an Verzögerung da ist.
Rosbergs Teamkollege Lewis Hamilton sicherte sich nach 17 Runden mit einem komfortablen Vorsprung von 0,868 Sekunden die Spitzenposition auf der Zeitenliste. Auf dem zweiten Platz reihte sich McLaren-Pilot Jenson Button ein, der damit für eine Überraschung sorgte. Erst hinter dem Weltmeister von 2009 sicherte sich Red Bull Racing-Talent Daniel Ricciardo den dritten Platz vor Alonso, Rosberg und Raikkönen. McLaren-Rookie Kevin Magnussen überzeugte erneut mit der siebtschnellsten Runde. Lotus-Pilot Pastor Maldonado, Pérez und Williams-Neuzugang Felipe Massa komplettierten die Top-Ten.