Lewis Hamilton & Nico Rosberg: Glück aufgebraucht?
Die Entscheidung in Monza: Rosberg hat sich verbremst, Hamilton fährt zum Sieg
Nico Rosberg ärgert sich noch immer über seine beiden Verbremser in Monza. Jeder, der bis heute an eine Verschwörung glaubt und sogar daran, dass der Deutsche seinem Widersacher den Sieg schenkte (auf Befehl der Teamführung, wie einige verbreiten, als Strafe für das Foul in Belgien), dem sei in Erinnerung gerufen, was der WM-Leader im Anschluss an den Italien-GP mit dem Mercedes-Chefelektroniker Evan Short besprach, inmittelbar vor der Siegerzeremonie.
Bevor Rosberg und Short in Monza aufs Podest hinaustraten, führten sie ein Gespräch auf Italienisch. Man braucht nur zwei und zwei zusammenzählen zu können, um vermuten zu dürfen – Sieger Lewis Hamilton sollte nicht mithören. Hier ein Auszug:
Nico: «Mist, er hat so viel Glück. Wie zum Teufel konnte das nur passieren?»
Short: «Du brauchst eben Glück im Leben.»
Nico: «Verdammt nochmal.»
Short: «Du wirst auch wieder Glück haben.»
Nico: «Nein, ich habe meine Dosis Glück aufgebraucht ...»
Wenn dieser Monza-Dialog und das Gesicht von Rosberg geschauspieltert war, dann kann ich nur sagen: Wartet nicht bis kommenden Februar, gebt Nico gleich einen Oscar!
Nico Rosberg sagte auch einige Male «che culo», was so viel bedeutet wie: «Was für ein Massel!» Also was für ein Glück sein Gegner doch hatte.
Tatsächlich hatte Hamilton in diesem Jahr mehr Ungemach als Rosberg. Und auch Weltmeister Sebastian Vettel ist der Meinung: «Über eine Saison lang gleicht sich das immer aus.»
In Singapur versuchen beide Fahrer, Druck vom Kessel zu nehmen, aber Fakt ist, dass sie nur herunterspielen, wie gross die Belastung wirklich ist.
Nico Rosberg: «Hamilton hat Stärken und Schwächen, aber darüm kümmere ich mich nicht. Ich konzentriere mich auf mein Ding.»
Lewis Hamilton: «Trotz aller Höhen und Tiefen sind meine WM-Chancen intakt. Mehr brauche ich nicht.»
Alles schöne Worte im Duell, in welchem Rosberg einen Vorsprung von 22 Punkten geniesst. In Wahrheit sind beide tief davon überzeugt, den Titel holen zu können. Angst macht ihnen nur, was nicht in ihrer Kontrolle liegt – der Faktor Pech. Die Silberpfeile werden auch in Singapur die schnellsten Autos sein. Die Standfestesten sind sie nicht. Und das macht beiden Piloten grosse Sorgen. Immerhin haben sie das gemeinsam.
Niemand macht sich mehr Illusionen darüber, was im WM-Kampf aus einer Freundschaft wird. Auch nicht Mercedes-Teamchef Toto Wolff: «Das Verhältnis war zu Beginn der Saison fast freundschaftlich und hat sich im Laufe der Zeit so verändert, dass beide irgendwann erkannten, dass sie Feinde sind, die um die Weltmeisterschaft kämpfen. Das ist auch ein Lernprozess. Diese Jungs haben ihr gesamtes Leben darauf eingestellt, dass der Gewinn der Weltmeisterschaft oberste Priorität hat. Und jetzt sind die soweit – sie fahren beide im gleichen Auto, fahren gegeneinander um die Trophäe und nur einer kann gewinnen. Der andere wird verlieren. Das ist eine neue Erfahrung.»