Sebastian Vettel, Ferrari-Turbo: Debüt vor einem Jahr
Fu¨r die Kiebitze in Turn 1 war es ein verstörendes Bild: Der vierfache Weltmeister Sebastian Vettel, der seine gesamte Formel-1-Karriere in blauen Autos verbracht hatte, zuerst bei der Scuderia Toro Rosso, dann bei Infiniti Red Bull Racing, rollte in einem roten Boliden aus Box Nummer 10 am Red Bull Ring.
Es war eindeutig: Der Arai-Rennhelm mit Red-Bull-Logo lugte aus dem Ferrari mit Startnummer 28, die Schultern des Overalls leuchteten blau aus der weiten Cockpit-Öffnung. Das war Sebastian Vettel, kein Zweifel – in genau jenem Auto, mit dem Gerhard Berger die Turbo-Ära der Königsklasse in den 80er-Jahren mitprägte und mit dem der Tiroler auch am 21. Juni bei der «Legends Parade» in Spielberg an zehntausenden Motorsport-Fans vorbeirasen wird.
Gemeinsam mit Sebastian Vettel im Fru¨hling 2014 auf der Strecke: Gerhard Berger. Das Auto: Der Ferrari F1 87/88C aus dem Jahr 1988, mit dem der Österreicher nur einen Monat nach dem Tod des Firmengru¨nders Enzo Ferrari ausgerechnet den Großen Preis von Italien in Monza gewonnen hatte. Es war das einzige Auto, das die u¨berlegenen McLaren-Honda in jenem Jahr schlagen konnte. 16 Starts, 15 Siege: Nie war ein Gegner härter zu knacken gewesen.
Dieses Auto, dieser Fahrer haben es geschafft und wurden fu¨r die Tifosi dadurch unsterblich. Seinen Vorgängern in der Formel 1 zollte Sebastian Vettel stets Respekt. Alte Strecken, alte Technik, die Geschichten von einst konnten ihn immer schon begeistern.
Spielberg, der alte Österreichring, das ist nichts, was man einem wie ihm erklären mu¨sste. Aber war das eine wirklich so wilde Strecke, auf der man Mut brauchte, Mut und noch einmal Mut? Gerhard Berger, seit 1979 unzählige Rennen hier gefahren, gibt Anschauungsunterricht.
Die lange Schönberg-Gerade, leicht bergab fu¨hrend, sei fru¨her nicht nur viel länger gewesen, sondern vor allem welliger: «Wir sind schon mit den damaligen Autos hier 350, 360 km/h gefahren. Die Schönberg-Gerade war der schnellste Teil im Formel-1-Kalender. Fu¨r mich war das das Highlight.»
Oder die Anfahrt zur bergab fu¨hrenden Rindt-Kurve: «Auslaufzonen gab es damals nicht. Du musstest das Auto zentimetergenau an den Leitschienen balancieren und dann einlenken.» Das nötigte selbst dem vierfachen Weltmeister Respekt ab.
Mit Rennautos, wie er sie sein Leben lang kennt, hat der Berger-Ferrari nichts zu tun: Ungewohnte Sitzposition, nicht so embryonal wie in seinem aktuellen Auto, sondern nahezu luftig. «Plötzlich sehe ich die Berge da oben», sagte er. Enge nur im Fußraum, hier drängen sich drei Pedale statt der gewohnten zwei.
Knapp geht’s auch auf der rechten Cockpit-Seite zu: Manuelles Sechsgang-Getriebe in H-Layout, ein Leerlauf zum Suchen und ein Retourgang zum Verku¨hlen. Noch beim Ausprobieren in der Box hatten sich die Gänge fu¨nf und sechs erfolgreich versteckt.
Der Ferrari-V6 hat so viel Power wie heutige Autos, fährt sich aber ganz anders: Weniger aerodynamisch, dank der breiten Reifen aber mehr mechanischer Grip. Keine Elektronik, keine Computer, keine Fahrhilfen. Hintern, Arme und Beine als einzige Mittel fu¨r Kontrolle und Korrektur. Statt eines Displays und 30 Schaltern ziert das Lenkrad das emaillierte, springende Pferd aus Maranello.
Die Ferrari-Mechaniker, die den Motor anwarfen, haben schon 1988 an diesem Auto gearbeitet. 25 Jahre lang ist es im Museum gestanden, danach wurde es gru¨ndlich restauriert. Dieser Fru¨hlingstag in Spielberg war das erste Outing des legendären Siegerwagens von Monza. Normalsterbliche wu¨rden es in einem Turbo-Ferrari der 80er Jahre wohl nicht einmal aus der Box hinaus auf die Boxengasse schaffen.
Bei Sebastian Vettel hingegen sass das auf Anhieb, genau wie der Rest der schnellen Runden. Es war, als ob er in einem Ferrari geboren worden wäre, damals am 3. Juli 1987. Dieser Mann hat ein Gespu¨r fu¨r Renntechnik, das nur die Besten auszeichnet. Keine Spur von Unsicherheit, kein unsauberes Schaltmanöver, schon gar kein Dreher, nichts.
Als er den Ferrari F1 87/88c nach ein paar sehr flotten Runden wieder in der Box abstellte, zeigte er sich ehrlich begeistert: «Das war der Hammer! Ich wäre gern noch weitergefahren. Da wu¨rde man sich wu¨nschen, in der Zeit zuru¨ckzugehen und in der damaligen Zeit mitzufahren. Ein bissl scheißt du dich schon an, ehrlich gesagt. Macht aber Riesenspaß!»
1988, als dieses Auto in Monza die McLaren-Honda besiegte, lernte Sebastian Vettel laufen. 2014 saß er zum ersten Mal in einem Formel-1-Ferrari. Ein Jahr später kehrt er als Ferrari-Fahrer an den Red Bull Ring zuru¨ck. Ein Wiedersehen gibt es am 21. Juni, unmittelbar vor dem Großen Preis von Österreich 2015: Gerhard Berger wird, wie schon im Vorjahr, seinen Ferrari F1 87/88C bei der «Legends Parade» aufheulen lassen. Unter anderen mit ihm auf der Strecke: Alle drei Formel-1-Weltmeister der Jahre 1983, 1984 und 1985 – in ihren Original-Rennautos der damaligen Zeit. Nelson Piquet, Niki Lauda und Alain Prost haben zusammen zehn Weltmeister-Titel auf dem Konto.
Während des Formel-1-Wochenendes 2015 in Österreich kommen die Besucher im F1 Village ganz nah an diese Boliden, mit denen Geschichte geschrieben wurde, heran. In Action sind die PS-Giganten am Samstag, 20. Juni, von 18.30 bis 19.00 Uhr bei der Generalprobe am Red Bull Ring zu sehen. Ihren großen Auftritt haben acht internationale Motosport-Idole mit Turbo-Boliden der 80er Jahre dann am Sonntag, 21. Juni, von 12.40 bis 12.45 Uhr.
Legends Parade 2015
Gerhard Berger (A) 1988 Ferrari F1-87/88C
Nelson Piquet (BR) 1983 Brabham BT52
Jean Alesi (F) 1995 Sauber C14
Niki Lauda (A) 1984 McLaren MP4
Alain Prost (F) 1985 McLaren MP4/2B
Pierluigi Martini (I) 1986 Minardi M186-01
Riccardo Patrese (I) 1984 Renault RE50-03
Christian Danner (D) 1987 Zakspeed 871/03
Tickets fu¨r den Grossen Preis von Österreich sind unter www.gpticketshop.com zu haben. Alle Informationen zum Formel-1-Programm 2015 am Red Bull Ring gibt es unter www.projekt-spielberg.com.