Formel 1: Max Verstappen – alles für die Katz

Formel 1 in der Sackgasse: Wo soll das hinführen?

Von Günther Wiesinger
Sieger Nico Rosberg: Mercedes brach 2015 alle Rekorde

Sieger Nico Rosberg: Mercedes brach 2015 alle Rekorde

Die Formel 1 geht mit einem Berg von Problemen in die Winterpause. Sie ist zu teuer, zu kompliziert, den privaten Teams geht das Geld aus, die Motorenproblematik bleibt ungelöst.

Die Formel-1-WM-Saison ist mit einem reichlich langweiligen Finale in Abu Dhabi zu Ende gegangen.

Mercedes hat alle Rekorde gebrochen: 12 Doppelsiege, 32 Podestplätze, 703 Punkte, obwohl es 2014 beim Finale noch doppelte Punkte gab. Beide Fahrer kamen bei den 19 Grand Prix mit vier Motoren über die Runden.

Hut ab. Eine aussergewöhnliche Leistung. Und seien wir dankbar, dass sich ein Konzern wie Mercedes heute so kompromisslos zum Motorsport auf höchster Ebene bekennt.

Aus Sicht von Mercedes mag es ja verständlich sein, wenn das aktuelle Motoren-Reglement und damit die Vorherrschaft möglichst lange bewahrt werden soll.

Genau so verständlich ist es, wenn Red Bull im Frühjahr statt der 1,6-Liter-V6-Turbo-Hybrid-Aggregate lieber die 2,4-Liter-V8-Saugmotoren von 2013 zurückhaben wollte, mit denen vier Fahrer- und vier Konstrukteurs-WM-Titel und 50 GP-Siege gefeiert wurden.

Aber diese Absicht hat sich rasch als Illusion erwiesen, Mercedes blockte 2015 alle Änderungswünsche ab, denn dafür ist eine Mehrheit der Teams erforderlich. Mercedes rüstete allen vier Teams aus und konnte sich zudem auf die Unterstützung von Ferrari verlassen.

Die neue Turbo-Hybrid-Technik ist zu komplex

Aber die Situation in der Formel 1 ist von grossen Problemen geprägt, die nicht über Nacht gelöst werden können und nicht einmal in den nächsten ein, zwei Jahren.

Als die FIA gemeinsam mit den Herstellern die grüne Formel 1 für 2014 beschloss, wurde niemand hellhörig. Die meisten Techniker wussten oder ahnten, was bei diesen komplizierten Antriebseinheiten auf sie zukommt, aber die meisten Hersteller wurden von den Ansprüchen (und den Kosten) überrumpelt.

Red Bull gab in diesem Jahr 54 Millionen Euro für die zwei Renault-Teams aus, die Saugmotoren kosteten rund 15 Millionen.

Und was hat die Umstellung gebracht? Mercedes dominiert nach Belieben. Renault blamiert sich kläglich, von Honda gar nicht zu reden. Um 165 Plätze ist allein Alonso in diesem Jahr strafversetzt worden.

In der Formel 1 geht es um die Show, das beste Auto mit dem besten Fahrer soll gewinnen.

Aber die leisen Turbo-V6 mit ERS und ihren komplizierten Energierückgewinnungssystem bringen die Privatteams an den Rand des finanziellen Ruins.

Selbst das Renault-Werk kann sich kein Formel-1-Team mehr leisten, die Übernahme des Lotus-Rennstalls zieht sich seit Monaten hin.

Wenn der Renault-Lotus-Deal nicht zustande kommt und Red Bull womöglich keine aussichtsreichen französischen V6-Aggregate erhält, wären 2016 nur noch 16 Autos am Start.

Wie gesagt: Das wäre das Worst-Case-Szenario. Momentan dürfen wir noch auf 22 Fahrzeuge hoffen.

Den Privatteams geht das Geld aus

Im Glanz des Erfolgs verschloss Mercedes-Formel-1-Teammanager Toto Wolff lange Zeit die Augen vor der Realität. In Abu Dhabi liess er durchblicken, man müsse sich über das Motoren-Reglement Gedanken machen, «wenn es für die privaten Teams zu teuer sein sollte».

Hat Wolff für diese Erkenntnis wirklich zwei Jahre gebraucht?

Ist nicht Caterham längst untergegangen? Wandeln Williams, Sauber, Manor, Force India und Lotus erst seit gestern am finanziellen Abgrund? Auch bei McLaren sieht es nicht wirklich rosig aus.

Kann es sich die Formel 1 in diesem Zustand auf die Dauer leisten, die zwei finanziell auf sicheren Beinen stehenden Red Bull-Teams zu vergraulen?

Klar, die Red Bull-Gegner drängen Dietrich Mateschitz jetzt in die Rolle des schlechten Verlierers, weil er nicht dauerhaft ein Brutto-Budget von 400 bis 500 Millionen für sechster oder siebte Plätze investieren will.

Auch als sich Jaguar, Ford-Cosworth, BMW, Toyota und so weiter zurückzogen, wurden wirtschaftliche Argumente geltend gemacht. Von schlechten Verlierern sprach niemand.

Wir können eine geschlagene Stunde über die akuten Probleme der Formel 1 debattieren.

Mit Frankreich und Deutschland haben 2015 zwei Mutterländer des Motorsports keinen Formel-1-WM-Lauf mehr ausgetragen, trotz Renault und trotz Mercedes, Rosberg und Vettel. Eine unerträgliche Situation. Selbst das kleine Österreich bringt einen Grand Prix zustande, dem schlechten Verlierer sei Dank.

Die Hybrid-Motoren können ja in der Langstrecken-WM eingesetzt werden. Aber solange weltweit nur 1 Prozent der Autos Elektro-Fahrzeuge sind, muss die Formel 1 hier keine Vorreiterrolle spielen.

Die angeblich so professionelle Formel 1 hat immerhin nach zwei Jahren schon herausgefunden, dass die Turbos zu wenig Krawall machen. Dazu hätte man nur beim ersten Test im Februar 2014 ein paar Leute auf den Tribünen zu fragen brauchen.

Jetzt soll der zusätzliche Lärm für 2016 mit Hilfe über das «waste gate» mit einer gesonderten Auspuff-Trompete erzeugt werden.

Und ahnte niemand, dass die neuen 1,6-Liter-Autos nur 700 oder 750 PS leisten würden? Seit wann ist das ungeschriebene Gesetz ausser Kraft, dass die Formel 1 die stärksten Motoren der Motorsport-Szene bieten sollte?

Seit Jahren wird über einen Mangel an Fahrer-Persönlichkeiten gejammert. Und dann kommt ein Motoren-Reglement, das 17-jährigen Rookies entgegenkommt?

Die Formel 1 im Jahr 2015: Überholen verboten?

In ihren besten Tagen war die Formel 1 als Motorsport-Königsklasse unumstritten. Die Stars wie Hunt, Reutemann, Lauda, Prost, Mansell, Villeneuve, Senna und Co. wurden heldenhaft verehrt.
Und heute?

Die Fahrer wirken oft wie Marionetten, dirigiert von den Boxenstrategen, von Anweisungen der Ingenieure, durch Befehle der Teams, die auch beim Kampf um Platz 13 noch eingreifen. Es geht um schwer vermittelbare DRS-Fenster, um weiche und ganz weiche und Option-Reifenmischungen, ich will das gar nicht verstehen, es geht um «Under Cuts» und weiss der Teufel was.

War die Formel 1 nicht als Kampf Mann gegen Mann gedacht? Warum wird heute jeder Fahrer mit Kampfgeist bestraft, sogar Max Verstappen dafür, dass er seinen Gegner Button gestern nicht kampflos vorbei gelassen hat?

Warum werden nicht gleich rund um die Strecke Überholverbotsschilder aufgestellt?

Auch Alonsos Kollision in der Startrunde gegen Maldonado blieb nicht ohne Folgen. Selbst das Überfahren der weissen Linie beim Verlassen der Box wird geahndet, selbst wenn weit und breit kein Gegner zu sehen ist.

Kein Wunder, wenn solche Stars wie Alonso die Lust verlieren und nur die Angepassten gute Miene zum bösen Spiel machen.
Kein Wunder, wenn sich geborene Rennfahrer wie Heinz-Harald Frentzen nicht in als Rennkommissare verpflichten lassen.

Wenn es so weitergeht, können bald begabte Fahrschüler für die Formel 1 verpflichtet werden, Hauptsache, sie befolgen alle Verkehrsvorschriften. Verkehrssünder werden hier nicht begehrt, Überholmanöver sind zwar noch nicht völlig verboten, sollen aber tunlichst vermieden werden. Es könnte zu unerwünschten Kollisionen kommen.

Platzwechsel mögen am besten anlässlich der Reifenstopps in der Box erledigt werden.

A propos: Kann Pirelli für diese 750-PS-Autos keine Reifen bauen, die 55 Runden durchhalten?

Dann könnte man ja die Rennen verkürzen. Gestern waren zumindest die Positionen der ersten drei sowieso schon nach einer Runde einzementiert.

Virtuelles Safety-Car: Recht und gut, es kam nach dem Jules-Bianchi-Drama von Suzuka 2014. Aber was wird nicht noch alles erfunden, um diesen Sport komplizierter zu machen?

Das Interesse an der Formel 1 lässt nach. Die Gründe sind vielfältig. wer nur 5ünfmal im Jahr zuschaut, kapiert 90 Prozent der Vorschriften nicht.

Früher war es einfach: Wer am schnellsten von A nach B fuhr, war der Sieger.

Warum ist der Fussball so populär: Zwei Tore, zwei Mannschaften, ein Ball.

Warum outen sich viele Formel-1-Fahrer als MotoGP-Fans – von Webber über Brundle bis zu Vettel, Alonso und Massa?

Weil in der MotoGP noch Motorsport nach alter Väter Sitte geboten wird. Weil das Reglement überschaubar ist: 1000 ccm, Einheitsreifen, Einheits-Elektronik. Überschaubare kosten: 2017 darf ein Leasing-Paket für zwei Komplett-Motorräder samt sieben Motoren pro Saison pro Fahrer nur noch 2,2 Millionen Euro kosten.
Die Formel 1 schiebt ihre Probleme vor sich her. Ecclestone hat an Macht verloren. CVC, FOM, FIA, alle sitzen ihm im Nacken, die neuen Strukturen mit den vielen Kommissionen funktionieren nicht.
Die Formel 1 braucht Macher. Keine Verhinderer und Bewahrer mit riesigen Egos, deren Inhaber über den eigenen Tellerrand hinausblicken.

Die Rennställe brauchen mehr Mitspracherecht, sie finanzieren und garantieren sie Show. Die Werke kommen und gehen.

«Wir sind als Teambetreiber nur Passagier in diesem Sport», beklagte Dr. Helmut Marko am Wochenende in Abu Dhabi.

Der Alternativ-Motor für 2017 kommt nicht, er wäre sowieso kein Allheilmittel gewesen.

Für 2018 wird sich vielleicht irgendetwas ändern.

Das kann gut sein. Dem erfolgsverwöhnten Toto Wolff ist aufgefallen, dass sich in der Formel 1 keine zusätzlichen Hersteller als Neueinsteiger abzeichnen. Kein Wunder. Welcher Konzern sich die Formel angesichts der aktuellen Situation freiwillig an? Es gibt ja keine  Stabilität bei den technischen Vorschriften. Niemand weiss, wie es mit den 1,6-Liter-Turbos nach 2016 weitergeht.

Im «worst case» erleben wir 2018 Einheitsmotoren von Mercedes, falls Ferrari auch in absehbarer Zeit über Einzelerfolge nicht hinauskommt und sich die Honda-Blamage weiter fortsetzt.

Und verglichen mit anderen Szenarien wäre das nicht einmal das grösste Übel, falls die Chancengleicheit für alle gewahrt werden könnte.

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