Red Bull: Fortbestand beider Teams nicht gesichert
Christian Horner, Mario Illien und Adrian Newey: Wie geht es weiter?
Red Bull-Racing-Teamprinzipal Chistian Horner kündigte vor ein paar Tagen an, Red Bull werde 2016 und in den Jahren danach in der Formel 1 mitfahren.
Das war offenbar eine etwas voreilige Ankündigung. Sie beruhte zum Beispiel auf der Zusage, es werde 2017 fix einen Alternativ-Motor geben. Doch der Billig-Turbo wird von Mercedes und Ferrari weiter heftig abgelehnt.
Heute sollen in Paris die Weichen für die Zukunft der Formel 1 gestellt werden, es tagen die Strategiegruppe und die Formel-1-Kommission.
Unter anderem soll entschieden werden, ob 2017 der Alternativ-Motor kommt, der als 2,2-Liter-Biturbo mit einem abgespeckten Hybridsystem gegen die aktuellen 1,6-Liter-V6-Turbo-Hybrid-Aggregate antreten soll.
Dieser Billig-Turbo soll den Teams für maximal 6 bis 7 Millionen Euro pro Saison angeboten werden. Red Bull bezahlte in der Saison 2015 rund 54 Millionen Euro an Renault – für die Teams Red Bull Racing und Scuderia Toro Rosso.
Inzwischen darf stark bezweifelt werden, dass sich FIA-Chef Jean Todt und Bernie Ecclestone gegen die Werke Mercedes und Ferrari durchsetzen werden, die klar gegen diese Billig-Motoren sind. Sie lehnen diese Pläne quasi wegen Geschäftsstörung ab. Sie sträubten sich auch gegen die Pläne der FIA, ihre Kundenmotoren zu einem Maximalpreis von 12 Millionen pro Jahr feilzubieten.
Wenn der Alternativ-Motor heute nicht bewilligt wird, wird der World Council als oberste Instanz eine endgültige Entscheidung treffen.
Solange der Alternativ-Motor für 2017 nicht beschlossen ist, ist auch der Fortbestand der beiden Red-Bull-Formel-1-Rennställe für 2016 nicht gesichert.
Mario Illien: Garantie für Fortschritte
Red Bull hat zwar die Absicht, beide Teams fortzuführen, es existieren entsprechende Budgets, aber es fehlen noch wichtige Grundlagen. Red Bull Racing machte die Fortführung der Teams von der Lieferung konkurrenzfähiger Motoren abhängig, aber weder Mercedes noch Ferrari wollten 2016-Werksmotoren liefern.
Es wurde intrigiert und queruliert, es kam zu unfassbaren und unbegreiflichen Situationen.
Die Hälfte der Formel-1-Teams steht zwar vor dem wirtschaftlichen Ruin, trotzdem werden ausgerechnet zwei finanziell abgesicherte Spitzenteams mit den vielversprechenden Piloten Ricciardo, Kvyat, Verstappen und Sainz daran gehindert, mit konkurrenzfähigen Antriebseinheiten die etablierten Hersteller herauszufordern.
«Sie nehmen uns das Geld, die Lust und die Motivation», stellte Red Bull-Chef Dietrich Mateschitz schon im März 2015 fest, als die Renault-Aggregate neuerlich ihre Unterlegenheit demonstriert hatten.
Momentan wird bei Red Bull nicht endgültig bestätigt, dass beide Teams auch 2016 in der Formel 1 antreten werden.
Die Lage könnte verzwickter nicht sein.
Red Bull hat einen unterschriebenen Vertrag mit Renault und einen unterschriebenen Vertrag mit Ilmor, der die Lieferung eines nicht gebrandeten V6-Motors aus Frankreich für Red Bull Racing in der Saison 2016 zusichert. Ilmor-Chef Mario Illien (66) soll die Antriebseinheit konkurrenzfähig machen. «lllien ist für uns die Garantie für technische Fortschritte», heisst es bei Red Bull. Illien baute die ersten Sieger-Motoren für McLaren-Mercedes; seine Triebwerke feierten 47 GP-Siege und sorgten 1998 und 1999 für die ersten zwei Titelgewinne mit Mika Häkkinen.
Momentan lässt sich aber bei Red Bull nicht abschätzen, ob und wie konkurrenzfähig diese Antriebseinheiten 2016 sein werden. Das ist ein ernstes Problem. Denn es ist zu befürchten, dass auch Renault sein eigenes Werksteam deutlich bevorzugen wird.
Was sich bei der Motorenfrage in der Formel 1 abspielt, erinnert an Kartellbildung und Wettbewerbsverzerrung. Es existiert in der EU auch das Delikt, das als «missbräuchliche Ausnützung einer monopolistischen Stellung» bezeichnet wird. Wenn sich heute also Motorenhersteller absprechen und dann einem Kontrahenten wettbewerbsfähige Motoren vorenthalten, könnte das als Kartellbildung bezeichnet werden.
Die Situation ist an Absurdität nicht zu überbieten. Bis heute weiss niemand, ob 2017 ein Alternativ-Motor kommt und wer ihn bauen wird. Der Zeitplan wird also ohnedies kaum einzuhalten sein.
Red Bull wäre bereit, 2016 als Übergangslösung mit einem namenlosen V6-Motor aus Frankreich zu fahren. Aber das macht natürlich keinen Sinn, wenn nach dieser Übergangslösung keine reizvolle und wettbewerbsfähige Alternative bereitsteht, wenn also die beiden Red Bull-Teams in einem Jahr wieder vor dem selben Dilemma stehen wie heute. Nur mit dem Unterschied, dass für ein weiteres Jahr ein Brutto-Budget von 400 bis 500 Millionen in die Formel 1 geflossen ist, ohne Aussicht auf regelmässige Spitzenplätze. Da stellt sich die Frage der Sinnhaftigket.
Die Beteiligten sprechen inzwischen von einem Kasperltheater. Aber es ist eher ein Trauerspiel, das sich hier auf der Formel-1-Bühne abspielt.
Eines ist klar: Falls der Alternativ-Motor für 2017 nicht zustande kommt, wird Red Bull der Abschied aus der Formel 1 leicht fallen. «Wir können ja keine Seifenkisten-Rennen fahren, wenn wir keinen wettbewerbsfähigen Motor bekommen», hält Mateschitz fest.
«Wir sind schlechte Edelkomparsen», hat der Red Bull-Chef schon mehrmals beteuert. Nach vier Konstrukteurs-Weltmeistertiteln und zwei zweiten Gesamträngen will der Energy-Drink-Konzern auch künftig an der Spitze mitmischen und nicht nur das Feld auffüllen.
Momentan stellt sich für Red Bull kein reizvolles Zukunftsszenario dar. Jean Todt ist mit seiner grünen Formel 1 gescheitert, die Technik ist zu kostspielig und kompliziert geworden, sogar Honda blamiert sich bis auf die Knochen.
Toro Rosso mit Ferrari
Red Bull Racing war zu erfolgreich, Mercedes und Ferrari haben Angst, von den Adrian-Newey-Autos blamiert zu werden, wenn sie Werksmotoren liefern.
Auf Strecken wie in Monte Carlo, Hungaroring und Singapur, auf denen die Motorleistung keine grosse Rolle spielt, waren die Red Bull-Renault auch 2015 klare Podestkandidaten – trotz 80-PS-Leistungsnachteils.
Eine Klage vor dem Obersten Europäischen Gerichtshof wegen Kartellbildung und Wettbewerbsverzerrung hätte wohl durchaus Chancen. Aber bis ein Urteil gesprochen ist, könnten die Red-Bull-Teams längst aus der Formel 1 verschwunden sein.
Vier Monate vor dem Saisonstart 2016 und vor dem ersten grossen Formel-1-Test im Februar herrscht Ungewissheit. Bisher wissen 1000 Arbeitskräfte bei Red Bull Racing und Toro Rosso nicht, ob und wie es weitergeht, dazu vier der besten Autorennfahrer der Gegenwart.
Was die Höhe der Budgets betrifft, liegt Red Bull Racing hinter Ferrari und Mercedes an dritter Stelle. Der Energy-Drink-Gigant mit mehr als 6 Milliarden Euro Umsatz kann sich das Formel 1-Engagement problemlos leisten – im Gegensatz zur Mehrheit der anderen Teams.
Es wäre inzwischen auch für Toro Rosso eine Antriebseinheit verfügbar, Ferrari hat 2015er-Motoren zugesagt.
Aber auch hier existiert eine groteske Situation. Laut Reglement müssen die Hersteller allen Teams identische Motoren zur Verfügung stellen, sobald die 2016er-Aggregate homologiert sind. Das heisst: Toro Rosso konstruiert jetzt ein Auto mit den Daten des 2015er-Motors, das Fahrzeug muss aber für den 2016er-Motor umgebaut werden. Oder man fährt die Saison mit dem diesjährigen Motor durch...
Die Formel 1 wird von etlichen grossen Egos beherrscht, sie wird immer wieder von Intrigen geprägt.
Red Bull fühlt sich in dieser Szene nicht mehr wohl.
Wird man die beiden Formel-1-Teams von Red Bull 2016 in der Formel 1 sehen? «Diese Frage kann ich nicht endgültig beantworten», stellte Dietrich Mateschitz heute fest. «Denn wir wissen nicht, ob wir einen Motor bekommen und was man noch alles plant. Irgendwann ist es auch uns genug.»