Machtkampf in Paris: Formel 1 vor einer Zerreissprobe
Bernie Ecclestone und Jean Todt
Morgen Dienstag, 24. November, werden in Paris die Weichen für die Formel 1 der Zukunft gestellt. Am Morgen tagt die so genannte Strategiegruppe (FIA-Präsident Jean Todt, Formel-1-Promoter Bernie Ecclestone, Vertreter der Rennställe Ferrari, McLaren, Mercedes, Red Bull Racing, Williams und Force India), am Nachmittag dann die Formel-1-Kommission (Zusammensetzung siehe weiter unten: «Formel-1-Entscheidungsfindung: So geht es»).
Zu besprechen gibt es so viel, dass fraglich ist, ob alle Punkte in aller Gründlichkeit zur Sprache gebracht werden können: Es geht um den Alternativ-Motor, den Jean Todt und Bernie Ecclestone angeschoben haben und der 2017 kommen soll (derzeit läuft eine Ausschreibung, die Firmen Ilmor und AER haben ihr Interesse bekundet).
Ferrari, Mercedes, Renault und Honda wollen diesen Billig-Turbo nicht. Aber Todt und Ecclestone beteuern: Es muss wieder eine günstige Motorvariante geben, sonst haben die kleineren Rennställe mittelfristig keine Chance zu überleben.
In der Strategiegruppe können Todt und Ecclestone den Motor leicht durchbringen. Schwieriger wird es in der Formel-1-Kommission. Da können die Hersteller ihre Muskeln spielen lassen und die gegenwärtigen Kunden zu entsprechenden Stimmabgaben ermuntern. Die Frage wird dann sein, welche Asse Todt und Ecclestone aus dem Ärmel zaubern. Eine Force-Majeure-Regel, welche die Abstimmung der Formel-1-Kommission aushebelt?
Experten wie die früheren GP-Piloten Martin Brundle und Marc Surer sind davon überzeugt: Der Alternativ-Turbo ist nur ein Druckmittel, um die Autohersteller zu Preissenkungen der herkömmlichen Triebwerke zu bewegen. Das passt jedoch nicht zu Aussagen von Red-Bull-Motorsportchef Dr. Helmut Marko. Der Grazer hat erklärt, die Einführung des Alternativ-Motors sei eine Bedingung gewesen, und Todt und Ecclstone hätten ihm zugesagt, dass dieser Motor komme.
Gestritten wird auch um die Art und Weise, wie die Formel 1 ab 2017 aussehen soll (Reifen, Aerodyamik). Besprochen werden ferner Anträge der heutigen Teams Lotus, Manor-Marussia und Force India, die Team-Namen wechseln zu dürfen.
Pirelli will mehr testen, dazu soll wie früher ein rollendes Labor zum Einsatz kommen. Auch darüber muss diskutiert werden. Die Mailänder argumentieren, wenn 2017 tatsächlich fettere Reifen kommen sollen, dann brauchen sie mehr Testtage und die mit einem passenden Renngerät. Nur: Wer soll das liefern? Noch weiss das keiner.
Formel-1-Entscheidungsfindung: So geht es
Wie läuft das eigentlich mit Vorschlägen in der Formel 1? Die Ideen der Strategiegruppe gehen an die Formel-1-Kommission. Die hat nur die Möglichkeit, einen Vorschlag abzunicken oder abzulehnen.
Über die gegenwärtige Zusammensetzung der Kommission ist interessanterweise im FIA-Reglement nichts zu finden. Einst bestand sie aus: einem Vertreter von «Formula One Management» (also Bernie Ecclestone) sowie der FIA (üblicherweise der Präsident), aus Vertretern aller Rennställe, aus sechs Rennpromotern (drei aus Europa, drei aus Übersee), die von FOM aufgestellt werden, aus zwei Vertretern von Rennstrecken (eine aus Europa, eine aus Übersee), von den Teams ernannt, dazu aus Repräsentanten des Reifenherstellers (also Pirelli), der Motorenhersteller sowie der Sponsoren (zwei, aus verschiedenen Marktbereichen). Somit kamen wir ungefähr (abhängig von der Anzahl Teams) auf ein Gremium von 24 Fachleuten.
Allerdings haben wir nicht eine Stimme pro Vertreter. Es gibt immer zwölf Team-Stimmen, ungeachtet dessen, ob wir nun zwölf Rennställe haben oder nur neun. Wenn von diesen neun eine interne Abstimmung zum Beispiel 5:4 ausgeht, so werden die restlichen drei Stimmen zur Mehrheit addiert (8:4).
Wir könnten auch sagen: Wenn die grössten fünf Teams zusammenhalten, dann haben die kleinen vier nichts zu sagen.
Auch die Formel-1-Gruppe ist machtvoll: kein Rennpromoter würde es sich mit jener Firma verscherzen, welche die Rennen vergibt! Die FIA hingegen hat hier so gut wie nichts zu melden.
Ist in der Kommission ein Vorschlag gutgeheissen, geht der zum Abnicken an den so genannten Weltrat der FIA, gebildet aus Vertretern der Autoklubs aus aller Welt. Hier könnte die FIA eine Idee blockieren. Das kommt zwar selten vor, ist aber möglich.