Max Chilton über Jules Bianchi: Tragödie unvergessen
Max Chilton mit Jules Bianchi
Am 5. Oktober 2014 erlitt Jules Bianchi beim Japan-GP in Suzuka schwere Kopfverletzungen und fiel ins Koma. Am 17. Juli 2015 verstarb der Franzose im Krankenhaus seiner Heimatstadt Nizza. Bianchi war in Suzuka auf regennasser Bahn von der Ideallinie geraten und unter einen Kranwagen geraten, der eben den zuvor von der Bahn getrudelten Sauber von Adrian Sutil wegschleppen wollte.
Die Trauerfeier in Nizza vom vergangenen Sommer war ergreifend. In der Kirche wurde nicht gesungen, statt dessen wurden Lieder gespielt, welche Bianchi etwas bedeutet hat, so wie «Hotel California» von den Eagles. Mit tränenerstickten Stimmen wurde von verschiedenen Angehörigen Bianchis abwechslungsweise gesagt: «Wir werden für dich stark sein. Deine Stärke, deine Würde, wir werden sie nie vergessen. Wenn wir traurig sind oder Angst haben, dann wissen wir, du bist da oben für uns da. Wisse, dass wir dich immer lieben werden.»
Pater Sylvain Brison sprach in seiner Trauerrede von einer grossen Ungerechtigkeit, «aber Jules war glücklich, denn er hat seinen Traum verwirklichen dürfen, Rennfahrer zu werden. Autorennen, das war sein Leben, seine Berufung. Er war ein Pilot von grossem Talent, vor allem jedoch ein junger Mann, der uns durch seine Bescheidenheit beeindruckt hat.»
Unter den Trauergästen war auch ein tief bewegter Max Chilton. Der Engländer hat das Drama um seinen damaligen Marussia-Stallgefährten bis heute nicht vergessen. «Ich habe bis heute keine Bilder vom Crash ansehen können«, sagt der Engländer gegenüber der Sun. «Der Tod von Jules hat mich schwer getroffen. Unser Auto war damals in Sachen Abtrieb das Schlechteste im Feld. Und ich selber hatte einen üblen Rutscher in der gleichen Kurve. Es hätte auch mich treffen können.»
Max Chilton hat für 2016 bei Ganassi für eine Saison IndyCar unterzeichnet, als vierter Fahrer neben Scott Dixon (vierfacher Champion, zuletzt 2015), Tony Kanaan und Charlie Kimball. Chilton sagt weiter: «Zu jener Zeit, als es um einen IndyCar-Vertrag für die Saison 2016 ging, hatte Justin Wilson seinen schweren Unfall. Kurz darauf erlag er seinen Verletzungen. Das hat meine Entscheidung sehr schwierig gemacht. Aber ich sagte mir: So etwas kann jederzeit passieren. Es war wie bei Jules – gegen die Verkettung aussergewöhnlicher Umstände ist niemand gefeit.»
Die Formel 1 versucht, aus dem schweren Unfall zu lernen. Einen Unfall wie in Japan darf es nie wieder geben. Die virtuelle Safety-Car-Phase wurde eingeführt, wenn die Fahrer ein bestimmtes Tempo halten müssen. Der Autoverband FIA forscht weiter an Möglichkeiten, den Kopf des Piloten besser zu schützen. Wenn es nach der Fahrervereinigung GPDA geht, soll schon 2017 ein Kopfschutz eingeführt werden.
Philippe Bianchi, Vater von Jules, sagt dazu: «Das wäre eine gute Sache. Aber was den Unfall von Jules angeht, so glaube ich, es hätte keinen Unterschied gemacht. Denn die Ärzte haben mir gesagt, was die schwere Verletzung verursacht hat, war nicht ein Fremdkörper von aussen, sondern die extreme Verzögerung. Und die hätte Jules auch verkraften müssen, wenn das Cockpit geschlossen wäre.»
Gleichzeitig ist Bianchi senior vom Vorgehen des Autoverbands und dem Ergebnis der Unfalluntersuchung enttäuscht. Die FIA-Kommission hatte befunden, dass Jules Bianchi selber der Hauptschuldige am tragischen Unfall war. «Die Schlüsse in dieser Untersuchung haben mich schockiert», sagte Philippe Bianchi im Dezember bei unseren Kollegen von AutoHebdo. «Denn jene Leute, welche die Untersuchung durchgeführt haben, waren die gleichen Leute, welche untersucht wurden. Gibt es da keinen Interessenskonflikt?»
«Ich habe das zuvor gesagt und ich sage es noch einmal, in aller Deutlichkeit: Wenn es Verantwortliche gibt, dann müssen sie bezahlen. Auf die eine oder andere Weise. Wir haben Jules verloren, und nichts bringt ihn zurück. Ich habe also nichts zu verlieren. Wir haben nur noch die Erinnerungen an ihn und den Respekt, den wir ihm alle zeigen sollten. Also werde ich mit all meiner Kraft für ihn weiterkämpfen.»