Ferrari SF16-H: Technik auf Augenhöhe mit Mercedes?
Ferrari-Technikchef James Allison und seine Mitarbeiter haben mit einem frischen Blatt Papier begonnen. Der neue Ferrari ist der erste richtige Ferrari von Allison (der übrigens am Sonntag, 21. Februar 48 Jahre alt wird), und James sagt: «Wir trauen uns zu sagen – das ist ein mutiger Schritt nach vorne. Wir haben wirklich in jeder Abteilung alle erdenklichen Anstrengungen unternommen, um 2016 noch konkurrenzfähiger zu sein. Wir wissen, dass unsere Gegner stark sind. Aber wir sind sehr zuversichtlich, dass wir in der kommenden Saison gute Ergebnisse erzielen. Wir haben überall zugelegt – Motorleistung, Abtrieb, Handling. Wir sind selber unheimlich gespannt darauf, wie sich das alles auf die Rennstrecke übersetzen lässt.»
«Das ist ein sehr aufregender Tag für uns. Nicht nur, weil wir der Welt nun zeigen können, woran wir die letzten Monaten gearbeitet haben, sondern auch, weil wir das Auto heute auch zum ersten Mal am Stück sehen. Ich bin sehr happy und extrem stolz auf unser Team.»
Chefdesigner Simone Resta: «Das Projekt dieses Autos startete so richtig vor einem Jahr, die Richtung und die Ziele waren sehr ambitioniert, wir wollten alle Bereiche verbessern. Die Nase, Frontaufhängung, Seitenkästen, Motor und das Heck, alles wurde verändert.»
«Die Luftführung unter das Auto unterscheidet sich vom vergangenen Jahr, mit einer, wie wir glauben, sehr viel bessere nAerodynamik. Die Seitenkästen unterscheiden sich auch stark, wir haben da die Vorteile des Kühlsystems genützt.»
Motorenchef Matteo Binotto über den verbesserten Motor: «Wir haben uns auf zwei Bereiche konzentriert – zunächst einmal die Architektur des Motors. Wir haben versucht, den V6-Turbo so kompakt als möglich zu gestalten. Das hat es erlaubt, den ganzen Heckbereich schlanker zu machen. Dazu mussten wir die ganzen Zusatzaggregate neu anordnen. Aber die Arbeit ging über die Architektur hinaus. Wir haben den ganzen Zylinderkopf verbessert, wir arbeiten mit einem anderen Turbolader. Alles in allem haben wir bahnbrechende technische Wege beschritten.»
Erste Eindrücke des neuen Ferrari: Abkehr von der langen Nase hin zu einem Kurznasen-Konzept, das an den Williams erinnert. Abkehr von der jahrelang verwendeten Schubstrebenlösung an der Vorderachse. Dazu ein noch engeres Eck und sehr adrett geformte Seitenkästen.
Aber der erste Augenschein ist immer nur ein Appetithappen: Es ist normal, dass während der Testfahrten und dann zum Saisonstart jede Menge neuer Teile an die Rennwagen hinzu kommen.
Zur Aufhängung: Nach vier Jahren einer Vorderradaufhängung nach Zugstrebenprinzip (pull rod) kehrt Ferrari zu jener Schubstrebenlösung zurück (push rod), welche von allen anderen Rennställen verwendet wird.
Der Wechsel erfolgt nicht grundlos: Schub- oder Zugstreben übertragen die Radbewegungen auf die Feder-/Dämpfer-Einheiten, diese Bewegung der am Querlenker angebrachten Streben wird via Kipphebel übertragen. Die vom damaligen Brabham-Designer Gordon Murray Ende der 70er Jahre eingeführte Zugstreben-Lösung (englisch: pull rod) hatte vor allem einen Vorteil – weil die Strebe weiter unten angebracht ist und auch die Feder-/Dämpfer-Einheit näher am Boden eingebaut werden kann, sinkt der Schwerpunkt des Autos.
Vor Ferrari 2012 hatte sich Minardi 2001 als zuvor letztes Team für eine solche Vorderradaufhängung entschieden. Als Ferrari beim Modell F2012 zur Zugstrebe zurückkehrte, nannte der frühere Ferrari-Technikchef Pat Fry auch Gewichtsersparnis als Vorteil. Dritter Vorteil, gewiss einträglicher als das Gewicht: Eine Zugstrebe lässt sich aerodynamisch günstiger platzieren – sie verläuft am Ferrari fast waagerecht, während die von der Konkurrenz verwendeten Schubstreben viel steiler im Wind stehen.
Das grösste Problem der Zugstrebe von Ferrari: eingeschränkte Möglichkeiten der Feinabstimmung und verringertes Fahrgefühl. Fernando Alonso konnte 2014 damit leben, Kimi Räikkönen nicht. Anders formuliert: Es ist mit einer Schubstrebenlösung einfacher, ein gutes Handling in langsamen und schnellen Kurven auszutüfteln als mit dem pull rod.
Ferrari-Technikchef James Allison sagte, auf die verschiedenen Aufhängungsprinzipien angesprochen: «Jedes Jahr machst du dir Gedanken darüber, in welchen Bereichen du den Wagen verbessern willst. Solche grundsätzlichen Entscheidungen müssen recht vorsichtig gefällt werden. Denn wenn du dich entschliesst, an einem gewissen Teil des Wagens zu arbeiten, dann fehlen die Ressourcen vielleicht, um einen anderen Teil zu verbessern. Du musst also sehr weise wählen, wo du arbeiten willst und was diese Veränderung auf der Stoppuhr bringen kann. Zug- oder Schubstreben an der Vorderradaufhängungen haben beide ihre Vor- und Nachteile. Zugstreben sind schwieriger, was den Leichtbau und die Steifigkeit angeht. Dafür bieten sie aerodynamische Vorteile. Wir hatten 2014 nicht den Eindruck, dass das Zugstrebenprinzip ein wahres Problem des letztjährigen Ferrari gewesen ist. Also fanden wir, wir arbeiten lieber an anderen Bereichen.»
Für 2016 orientiert sich Ferrari an der Aufhängungsanordnung von Weltmeister Mercedes. Und das ist nicht der einzige Bereich, in dem man sich am Silberpfeil orientiert.
James Allison hat schon im Frühling 2015 bestätigt, dass Ferrari an einer kurzen Fahrzeugnase arbeite, so wie sie Mercedes 2014 und 2015 einsetzte. Aber eingeführt wurde sie nie. Das ändert sich 2016.
Ferner hat Allison gemäss des Klassenersten Mercedes-Benz versucht, die Antriebseinheit noch besser ins Chassis zu integrieren. Die grossen Themen sind hier thermische Effizienz (Kühlung), innere und äussere Aerodynamik, Gewichtsverteilung und Schwerpunkt. So werden Wärmetauscher und elektrische Aggregate neu angeordnet, um den Schwerpunkt zu senken. Das Heck soll so aufgeräumt sein wie jenes von Mercedes, um den Aerodynamikern den grösstmöglichen Spielraum zu schenken. Die Seitenkästen werden schlanker, die Verkleidung wird sich noch enger an den Motor schmiegen, das erhöht potenziell Probleme in Sachen Kühlung. Die Hinterradaufhängung ist unverändert.
Einen ersten Vorgeschmack auf die Konkurrenzfähigkeit des neuen Ferrari erhalten wir bei den kommenden Wintertests auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya, ab Montag, 22. Februar.
Auch Teamchef Maurizio Arrivabene meint: «Wir werden am kommenden Montagabend schlauer sein. Aber es ist schon das Ziel, dass wir bis zum Saisonende im Titelrennen bleiben wollen. Einfach wird das nicht, denn die Konkurrenz schläft nie.»
Präsentationen/Roll-out
21. Februar: Präsentation McLaren-Honda (Internet)
21. Februar: Roll-out und Filmtag Ferrari (Circuit de Barcelona-Catalunya)
21. Februar: Roll-out und Filmtag HaasF1 (Circuit de Barcelona-Catalunya)
22. Februar: Präsentation HaasF1 (Circuit de Barcelona-Catalunya, 07.50 Uhr)
22. Februar: Präsentation Williams (Circuit de Barcelona-Catalunya)
22. Februar: Präsentation Manor (Circuit de Barcelona-Catalunya)
22. Februar: Präsentation Force India (Circuit de Barcelona-Catalunya, 08.30 Uhr)
29. Februar: Präsentation Toro Rosso (Circuit de Barcelona-Catalunya)
1. März: Neuer Sauber (Circuit de Barcelona-Catalunya)
Formel-1-Wintertests
22.–25. Februar: Spanien (Barcelona)
1.–4. März: Spanien (Barcelona)
Aufstellung von Ferrari beim ersten Test
Montag 22. und Donnerstag 25.. Sebastian Vettel
Dienstag 23. und Mittwoch 24. Kimi Räikkönen
Formel-1-WM
20. März: Australien (Melbourne)
3. April: Bahrain (Sakhir)
17. April: China (Shanghai)
1. Mai: Russland (Sotschi)
15. Mai: Spanien (Barcelona)
29. Mai: Monaco (Monte Carlo)
12. Juni: Kanada (Montreal)
19. Juni: Aserbaidschan (Baku) *
3. Juli: Österreich (Spielberg)
10. Juli: Grossbritannien (Silverstone)
24. Juli: Ungarn (Budapest)
31. Juli: Deutschland (Hockenheim)
28. August: Belgien (Spa-Francorchamps)
4. September: Italien (Monza)
18. September: Singapur
2. Oktober: Malaysia (Sepang)
9. Oktober: Suzuka (Japan)
23. Oktober: USA (Austin) **
30. Oktober: Mexiko (Mexiko-Stadt)
13. November: Brasilien (Sao Paulo)
27. November: Abu Dhabi (Insel Yas)
* Strecke noch nicht homologiert
** Finanzierung noch nicht gesichert