GP-Star Fernando Alonso: Reif für Formel-1-Rücktritt?
Johnny Herbert: «Mir kam der Crash von Michael Schumacher und Jean-Eric Vergne in Singapur in den Sinn»
Dass Fernando Alonso in Bahrain von den FIA-Ärzten zum Zuschauen verdammt wurde, sorgte für hohe Wellen im Fahrerlager. Der McLaren-Honda-Star, der beim Saisonauftakt in Melbourne einen harten Crash verdauen musste, darf wegen angebrochener Rippen und der Gefahr einer Lungenverletzung beim zweiten WM-Lauf des Jahres nicht Gas geben.
Während die meisten Experten im Fahrerlager rätselten, ob der Spanier auch den dritten GP in China verpasst, forderte Johnny Herbert sogar den Rücktritt des zweifachen Champions, der schon 2015 den Saisonauftakt in Australien verpasste, weil er sich bei einem Trainingsunfall eine Gehirnerschütterung zugezogen hatte.
«Ich denke nicht, dass Alonso aus dieser medizinischen Pause zurückkommen sollte», erklärte der ehemalige GP-Pilot und heutige Sky Sports F1-Experte trocken. «Ich sage das, weil wir Fernando auf der Höhe seines Schaffens letztmals 2011 oder 2012 im Ferrari gesehen haben. Damals konnte man immer einen echten Hunger und Vorwärtsdrang erkennen, vor allem wenn er auf einer Qualifying-Runde unterwegs war. Er war immer am Limit.»
Der Brite fügte trotzig an: «Ich weiss, die Dinge haben sich vor allem hinsichtlich der Autos geändert, aber was die Performance angeht, haben wir den zweifachen Champion, von dem alle sagen, er sei der Beste, schon lange nicht mehr gesehen. Ich kann ihn nicht mehr erkennen. Bei McLaren hat er nicht dominiert, Jenson Button hat sogar den besseren Job gemacht.»
Herbert schimpfte: «Alonso sagte, er wäre glücklich, wenn er seine GP-Karriere mit seinen beiden WM-Titeln in der Tasche abschliessen kann. Das sind die Worte eines Piloten, der im Grunde nicht nur die Chance auf einen weiteren Titel-Gewinn, sondern die ganze Rennfahrerei aufgegeben hat.»
Der dreifache GP-Sieger war überrascht, dass sich Alonso gegen die Sperre der Ärzte nicht stärker zur Wehr setzte. Den Grund glaubt der 51-Jährige zu kennen: «Er mag die neuen Autos nicht, und das ist ein weiterer Grund, in Rente zu gehen. Im vergangenen Jahr hatte er diesen Unfall in Barcelona und ging in Melbourne nicht an den Start. Doch wenn ein Fahrer einen Unfall hat, will er für gewöhnlich so schnell wie möglich ins Cockpit zurückkehren. Als ich crashte, sagte ich jedem, dass ich wieder ans Steuer wollte. Er hat das aber auch diesmal nicht gemacht.»
Das stimmt so aber nicht: Hinter den Kulissen haben Alonso und McLaren-Chef Ron Dennis offenbar versucht, doch noch einen Start des Spaniers zu ermöglichen. Das bestätigen Insider wie der frühere Formel-1-Fahrer und heutige Sky-GP-Experte Martin Brundle.
Immerhin räumt Herbert ein: «Wenn es sich um ein titelfähiges Auto handeln und es um die Meisterschaft gehen würde, dann würde er sicher im Cockpit sitzen. Man findet immer einen Weg, wie etwa Niki Lauda 1976 nach seinem Feuer-Unfall. Alonso scheint mir diese Motivation nicht mehr zu haben, und das alles trägt dazu bei, dass er unter den Erwartungen bleibt, die er als zweifacher Weltmeister schürt.»
Der 161-fache GP-Fahrer klagte: «Wir haben von Fernando schon lange nicht mehr gesehen, wie er mit Leidenschaft Rennen bestreitet. Er hat derzeit keinen Biss. Er hat immer noch eine gute Rennübersicht und weiss, wo er sein Auto hinstellen muss, aber das Tempo fehlt. Der Crash in Australien geht auch auf seine Kappe. Mir kam der Crash von Michael Schumacher und Jean-Eric Vergne in Singapur in den Sinn.»
Zum Schluss fügte Herbert an: «Ich kenne es aus eigener Erfahrung, an einem gewissen Punkt deiner Karriere geht es nur noch bergab. Man kann lange an der Spitze seines Schaffens stehen, aber es wird immer der Zeitpunkt kommen, an dem man beginnt abzubauen. Die Dinge, die Alonso sagt, und die Dinge, die auf der Strecke passiert sind, sein Qualifying-Tempo und der Fehler in Australien – das alles sagt mir, dass für ihn die Zeit reif ist, den Helm an den Nagel zu hängen.»
Das sind klare Worte, für die Herbert noch vor dem dritten freien Training die Quittung kassierte. Hamilton begrüsste den ehemaligen GP-Piloten und heutigen Sky Sports F1-Experten und erklärte auf dessen Frage, ob er bald in Rente gehe: «Nein, denn ich bin ein Weltmeister. Du bist TV-Experte geworden, weil du kein Champion warst.» Dann stapfte der stolze Asturier davon.