McLaren-Honda: Fernando Alonso, Jenson Button harmlos
Im ersten Teil unserer Expertenrunde aus Luis Vasconcelos (Portugal), Tony Dodgins (England) und Mathias Brunner sind wir den Fragen nachgegangen, welche Fortschritte McLaren-Honda 2016 erreichen können und wo sie am Ende der Saison liegen werden (siehe erste Story). Im zweiten Titel ging es dann um Timing und Personalentscheide (siehe zweite Story). Im letzten Teil wollen wir ein wenig über die Fahrer sprechen.
Fernando Alonso und Jenson Button sind zusammen 70 Jahre alt. Ist das die richtige Fahrerpaarung, um McLaren-Honda zum Erfolg zurück zu bringen?
Mathias Brunner
Ich bin nicht der Ansicht, dass McLaren grundsätzlich ein Fahrerproblem hat. Natürlich sind die Argumente nicht von der Hand zu weisen, dass beide im Herbst ihrer Karriere stehen. Aber wenn ich sehe, wie Fernando Alonso in Bahrain Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt hat, um vielleicht doch noch fahren zu können, dann kann ich nur über Menschen lachen, die dem Spanier ein Motivationsproblem unterstellen. Und Jenson Buttons entspannte Art sollte keiner mit mangelndem Ehrgeiz verwechseln. Ihre Erfahrung sind in dieser Phase von McLaren-Honda Gold wert. Wenn ich etwas zu kritisieren hätte, dann noch am ehesten, dass sie sich fast schon zu gut verstehen. Etwas mehr Rivalität könnte gewiss nicht schaden.
Tony Dodgins
Fernando ist Fernando, Ehrgeiz ist seine zweite Natur. Was ich bei Alonso aber befürchte – wenn er sieht, dass zu wenig vorwärtsgeht, so wie damals bei Ferrari, dann kann er in einem Team sperrig werden. Alonso bekommt bei McLaren-Honda ein Gehalt wohl jenseits der 30-Millionen-Dollar-Marke. Aber wenn es ihm nur noch ums Geld ginge, dann wäre er in Bahrain nach dem Startverbot durch die Ärzte nach Dubai zurückgereist und hätte sein Leben genossen. Ich erkenne in ihm weiter das Feuer. Ich fürchte nur, dass Leidenschaft auch in Verzweiflung umschlagen kann – wenn er das alles satt hat.
Luis Vasconcelos
Grundsätzlich bin ich ähnlicher Meinung. Sobald die beiden Weltmeister am Lenkrad sitzen, kann ich ihnen nicht viel vorwerfen. Aber geben sie auch ausserhalb des Wagens hundert Prozent? Wieso soll Fernando Alonso Tage im Werk verbringen, wenn ihn das von Platz 14 auf Rang 11 nach vorne bringt? Das geht ihm doch an seinen vier Buchstaben vorbei. Wozu soll er dafür ständig von Dubai nach London fliegen? Ich würde mir Fahrer wünschen, die im Werk ständig Präsenz zeigen und die Belegschaft – auf eine positive Art und Weise – antreiben. Für mich ist Sebastian Vettel da der bessere Motivator. Ich finde, Alonso und Button fühlen sich ein wenig zu behaglich in ihrem Superstar-Lifestyle. Und ich vermisse die Überzeugung, dass ihre Anwesenheit im Werk etwas ausmacht.
Ich bin tief davon überzeugt, dass es ganz wichtig ist, welche Signale Fahrer aussenden. Naürlich wissen weder Button noch Alonso, wie man einen Flügel entwirft. Aber diese Stars um sich zu haben, das motiviert doch die ganzen für uns namenslosen Fachkräfte in den Werken. Ich halte Vettel nicht für den schnelleren Fahrer als Alonso, aber ich halte ihn für weitaus überlegen, was Mitarbeitermotivation angeht. Das beste Beispiel ist für mich Ferrari. Schaut euch doch an, welch frischer Wind da durch die Hallen fegte, als Alonso weg war und Vettel daherkam. Ein Fahrer, der mit allen spricht, der echtes Interesse zeigt, der sich einbringt – das treibt ein Team an.
Ich weiss, dass es 2014 bei Ferrari ein Treffen zwischen James Allison und Fernando Alonso gab. Allison erklärte dem Spanier, was sich bei Ferrari alles ändern werde und was er mit dem italienischen Team 2015 erreichen wolle. Was daraus wurde, das haben wir gesehen: Ferrari machte enorme Fortschritte und konnte mit Vettel drei Rennen gewinnen.
Aber nichts von all dem, was James Allison Fernando sagte, schien bei Alonso anzukommen. Da kam nichts Positives zurück. Alonso hatte seine Meinung gemacht. Wenn sich diese Einstellung bei McLaren-Honda breitmacht, findet das kein gutes Ende. Fernando Alonso ist einer der besten Fahrer der Welt. Und er schlägt sich in Australien mit einem Gutiérrez und einem Auto eines neuen Rennstalls herum. Braucht er das noch? Wieso tut er sich das an?
Braucht McLaren-Honda in Sachen Fahrer also frischen Wind?
Mathias Brunner
Aber sollte Alonso wirklich eines Tages die Nase voll haben – kann ein Stoffel Vandoorne dann diese Schuhe füllen? Ich habe nichts gegen den Belgier. Ganz im Gegenteil halte ich ihn für einen überdurchschnittlich begabten Nachwuchsmann, der sich beim Debüt in Bahrain hervorragend geschlagen hat. Aber hat er innerhalb von McLaren bereits genügend Stellenwert, um als Motivator überhaupt Gehör zu finden? Um eine Richtung vorzugeben?
Luis Vasconcelos
Ich glaube schon, weil ich Präsenz für wichtig halte. Und wenn sie den inneren Antrieb von Vandoorne spüren, dann folgen sie ihm auch.
Ich halte es noch immer für einen Fehler, dass McLaren Ende 2014 Kevin Magnussen aufs Abstellgleis gestellt und Jenson Button verpflichtet hat. Magnussen hätte sich bei McLaren zerrissen, um schneller zu sein als Alonso. Button und Alonso mögen sich, sie kommen prima miteinander aus, sie respektieren sich, sie wollen sich nicht weh tun. Wenn Alonso heute eine Zehntelsekunde schneller ist als Jenson Button, dann ist er zufrieden. Wenn Button ein wenig schneller ist, dann ist er hin und weg. Denn jeder weiss ja, wie stark Alonso ist. Was wir bei McLaren-Honda vielleicht bräuchten, ist ein frecher, junger Kerl, so wie ein Stoffel Vandoorne, der auf einmal eine halbe Sekunde vor dem etablierten Star auftaucht!
Tony Dodgins
So wie 1993 bei McLaren Testfahrer Mika Häkkinen für Michael Andretti zum Stammfahrer befördert wurde und in Portugal gleich mal Ayrton Senna im Qualifying hinter sich liess – was den Brasilianer aus seiner Behaglichkeit aufrüttelte. Ayrton hat dann nach Portugal die folgenden beiden Rennen in Japan und Australien gewonnen.
Darf ich noch einmal fragen, wo McLaren-Honda die WM 2016 beenden wird?
Luis Vasconcelos
Als WM-Sechste.
Tony Dodgins
Nein, als WM-Siebte.
Mathias Brunner
Ach was, auf Rang 5! Einer muss doch hier die Rolle des Optimisten übernehmen.
Die Gesprächsleitung hatte der japanische Fachjournalist Kunio Shibata.