Brexit ohne Auswirkungen? Nur Ecclestone glaubt daran
Grossbritannien und die Formel 1: Der Brexit wird vieles ändern
Der Exit der Briten aus der EU, der so genannte Brexit, wird Tatsache: Mit einem Plus von rund einer Million Stimmen hat das Volk gesprochen – die EU-Gegner haben sich durchgesetzt, die Briten brechen mit der EU. Was nun passiert ist unabsehbar.
Die Börsen reagierten bereits nervös, das britische Pfund knickte ein. Die meisten Wirtschaftsexperten hatten schon gestern davon gewarnt, dass ein EU-Austritt von Grossbritannien das Land schwächen werde, von einem Rückgang der Wirtschaftskraft um sechs Prozent ist die Rede.
Der EU wiederum entgehen Milliardenzuschüsse aus Grossbritannien, rund 1,5 Prozent der Jahresausgaben von Grossbritannien fliessen nach Brüssel.
Bereits wird der Kopf von Premierminister David Cameron gefordert.
Der Austritt von Grossbritannien (der gemäss Politexperten auf 2018 umgesetzt wird) ist das erste Erdbeben von vielleicht vielen: Natürlich wird spekuliert, dass andere EU-Mitglieder ähnliche Wahlen durchführen werden und der Staatenbund damit kollabieren werde.
Ebenfalls denkbar ist jedoch, dass Grossbritannien zerbricht – denn Schottland und Nordirland wollten in der EU bleiben.
Die Wahl spaltet das Land auch in Sachen Altersaufteilung: 64 Prozent der 18- bis 24-Jährigen wollten in der EU bleiben. 58 Prozent der über 65-Jährigen wollten gehen. Der Eindruck entsteht: Verbitterte ältere Einwohner verbauen jungen Menschen die Zukunft.
Was bedeutet der Austritt für die Formel 1? Acht von elf Rennställen haben ihren Sitz in Grossbritannien – nur Ferrari, Toro Rosso und Ferrari haben ihren Hauptsitz ausserhalb der Insel. Toro Rosso betreibt allerdings in England sein Windkanalprogramm.
Was sich mit dem Ausstieg sicher verringert: Freiheiten bei Personen- und Warenverkehr zwischen Grossbritannien und dem Rest von Europa. Transport, Arbeitsbewilligungen, Visa – einfacher wird das alles bestimmt nicht. Rund drei Millionen Ausländer leben in Grossbritannien, das sind mehr als zehn Prozent der Arbeitskräfte.
Die britischen Teams werden künftig für jede Felge Zollpapiere brauchen. In den Zeiten vor dem freieren Personen- und Warenverkehr waren die «Carnets» (Zollbegleithefte, Aufstellung der mitgeführten Teile) ein ständiger Begleiter der Rennställe auf ihren Reisen kreuz und quer durch Europa. Stundenlange Überprüfungen waren an der Tagesordnung, um nachzuweisen, dass alle ausgeführten Waren auch wieder eingeführt werden. Einige Teams werden sich überlegen, zwischen gewissen Grands Prix mit ihren Lastwagen gar nicht nach England zurückzukehren.
Der Automobilbereich (Autoindustrie und Motorsport) steuern gemäss Berechnungen von Wirtschaftsexperten mehr als 20 Milliarden Euro zum Wirtschaftsvolumen bei, mehr als 750.000 Fachkräfte sind in dieser Branche tätig.
Formel-1-Promoter Bernie Ecclestone sagte schon vor der Abstimmung gegenüber der Daily Mail: «Ich habe wiederholt festgehalten, dass ich von Demokratie nicht viel halte. Nichts wird getan. Ich mag David Cameron. Er hat bei den Verhandlungen mit der EU immer das getan, was er für das Beste für Grossbritannien hielt, und das respektiere ich. Aber ich will, dass wir die EU verlassen. Und das beeinträchtig mein Geschäft nicht im Mindesten. Es macht keinen Unterschied hier. Wir wissen, was wir der EU geben, wir wissen aber nicht, was wir zurückerhalten.» Gegenüber «Advertising Week» hatte Ecclestone gemeint: «Europa ist weniger wichtig geworden.»
Von der Abstimmung nicht beeinträchtigt ist die Untersuchung der EU-Kommission, was wettbewerbswidriges Geschäftsgebaren angeht. Sauber und Force India hatten die EU-Kommission gebeten, den Sport zu durchleuchten. Sie halten die Geldverteilung im Sport für unfair.
Was nun im Detail alles passieren wird, ist ungewiss. Es ist fair zu behaupten: Bei einem Verbleib von Grossbritannien in der EU wäre alles wie gehabt weitergelaufen, David Cameron hatte in Brüssel schon zuvor sogar einen Sonder-Deal in verschiedenen Fragen ausgehandelt.
Der Brexit soll gemäss Bernie Ecclestone keine Auswirkungen haben? Schwer zu glauben. In Wahrheit kommt Bürokratie ohne Ende auf Millionen von Menschen zu.