Alle Hersteller düpiert: Krönt Techeetah das Märchen?
Andre Lotterer und Jean-Eric Vergne
Andre Lotterer kneift sich hin und wieder. Was man bei einem so erfahrenen Piloten gerne vergisst: Er befindet sich immer noch in seiner Rookie-Saison, und er kämpft auf Anhieb um den Titel. Und das mit einem Team, das den großen Herstellern die lange Nase zeigt.
Techeetah ist so etwas wie der David im Kampf gegen Goliath, der Underdog, das einzige Kundenteam, das sich, angetrieben von Renault-Power, gegen namhafte Konkurrenz wie Audi, Jaguar oder Renault durchsetzt. Das chinesische Team übernahm nach der zweiten Formel-E-Saison den Platz vom Team Aguri. Hinter Techeetah steht die Sportmarketing- und Management-Firma SECA, die wiederum zur chinesischen Kapitalgesellschaft Chinese Media Capital (CMC) gehört.
Vor dem Saisonfinale am Wochenende in New York führt der Rennstall, der erst seit zwei Jahren dabei ist, die Teamwertung mit 219 Punkten vor Audi (186) an. Lotterer steuerte 56 Zähler bei.
«Dieses Jahr war der Wahnsinn. Techeetah arbeitet unglaublich hart und der Teamgeist und die Arbeitsmoral passt gut zu mir», sagte Lotterer, der die Serie am Anfang ein Stück weit unterschätzt, sich dann aber schnell zurechtgefunden hat: «Natürlich ist es ein Unterschied zu Teams, in der Formel E und außerhalb, die von Herstellern unterstützt werden, aber es war sehr beeindruckend, was wir als Kundenteam erreicht haben.»
Teamchef Mark Preston wird natürlich oft gefragt, was das Erfolgsgeheimnis ist. «Es gibt keine Zauberei im Rennsport, unser Erfolg liegt an unseren Fahrern», sagt er. Neben einem starken Rookie greift Jean-Eric Vergne beim Finale nach dem Fahrertitel, beide verstehen sich zudem auch abseits der Strecke, harmonieren gut miteinander.
Preston: «JEV hat eine überragende Saison hingelegt. Er war immer schnell, immer konstant und hat reife Entscheidungen getroffen. Seine Konstanz ist genau das, was man in dieser Meisterschaft braucht, um den Titel zu gewinnen.»
Dabei waren die Testtage beschränkt, ganze drei standen vor dem Saisonstart zur Verfügung. Die Hersteller hingegen haben 15 Testtage. Techeetah bekam den Motor kurz vor dem Saisonstart und wurde so ins kalte Wasser geworfen. Ein echter Nachteil. Trotzdem: Serienchef Alejandro Agag weiß, wie wichtig Kundenteams wie Techeetah sind. Auch deshalb werden die Kosten niedrig gehalten und sollen trotz der Herstellerflut niedrig gehalten werden.
Aufholen konnte das Team beim Rookie-Test nach dem Rennen in Marrakesch. Dabei fand man zum Beispiel heraus, dass man eine Aufhängung nutzte, die in einigen Kurven gar nicht funktionierte. Das Team hält sich trotz aller Widrigkeiten an der Spitze, hat beide Titel im Blick.
«Wir werden unsere Herangehensweise beibehalten», kündigte Vergne an: «Wir haben ein unglaubliches Team und jedes Mitglied sollte stolz darauf sein, was wir erreicht haben. Egal, was am Wochenende passiert: Wir haben bewiesen, dass man als Kundenteam gegen Hersteller antreten und erfolgreich sein kann.»