Khan vs. Svoboda: Das Ende einer Geschichte
Im Hintergrund das vorerst letzte Treffen von Khan (innen) und Svoboda (stürzend)
Am vergangenen Sonntag ging ein Foto in den sozialen Medien viral, aufgenommen auf der Start-Ziel-Geraden des Red Bull Rings, während des zweiten Rennes der IDM Supersport 300. Hauptdarsteller der Tscheche Petr Svoboda vom Team Füsport RT Motorsports by SKM Kawasaki und Walid Khan vom Team Freudenberg Paligo KTM.
Die Hintergründe
Svoboda war als Dritter der aktuellen Supersport 300-WM in der IDM nur sporadisch unterwegs und holte unter anderem in seiner Heimat Most einen Sieg. Titelchancen in der IDM hatte der Tscheche keine mehr, dafür winkt eventuell der WM-Titel. In beiden Serien pilotiert er eine Kawasaki im Team des Niederländers Rob Venngoor und des Deutschen Frank Krekeler. In der Vergangenheit hatten die beiden auch schon Walid Khan in der WM betreut, der dann aber nach einer Auszeit zum Team von Carsten und Michael Freudenberg gewechselt war, die mit KTM ebenfalls in beiden Serien unterwegs sind.
Khan liegt nach den Rennen am Red Bull Ring acht Punkte hinter Inigo Iglesias, der als Teamkollege von Svoboda ebenfalls auf Kawasaki unterwegs ist. Die Freudenberg-Piloten Dustin Schneider und Lennox Lehmann, der auch zeitgleich die 300er-WM fährt, liegen schon mit ordentlich Rückstand, 46 und 63 Punkte, hinter dem führenden Spanier. In der Weltmeisterschaft ist der Punkte-Spieß umgedreht. Es führt mit 117 Zählern Jose Perez Gonzalez. Dahinter rangiert mit einem Punkt weniger der Freudenberg-Schützling Dirk Geiger, der im Vorjahr für das Kawasaki-Team unterwegs gewesen war und für die Saison 2023 wieder zum Team Freudenberg wechselte. Als Dritter, drei Punkte hinter Geiger, taucht bereits Svoboda auf. Dass die beiden Teams und deren Fahrer nicht ständig miteinander freundschaftliche Grillpartys feiern, liegt in der Natur der Sache.
Am Red Bull Ring
Es gibt neben Assen wohl keine Rennstrecke im IDM-Kalender, die so gut mit Strecken-Kameras ausgerüstet ist, übertragen in die Race-Control in Kino-Format, wie der Red Bull Ring. Dazu kommen noch die Aufnahmen des Live-Streams, die für jeden frei verfügbar sind. In der vierten Runde des zweiten Rennens waren Svoboda und Khan in der Spitzengruppe unterwegs, in denen es von Kawasaki- und KTM-Piloten der beiden Teams nur so wimmelte. Das Bild zeigt die beiden Fahrer von vorne. Beide liegen hinter ihrer jeweiligen Verkleidung. Beide, aus Fahrersicht am rechten Rand der Strecke. Wobei Khan auf der äußeren Spur unterwegs ist. Während Svoboda stur geradeaus fährt, hat Khan seine linke Hand vom Lenker gelöst und ist mit Unterarm und Hand in der Nähe, ziemlich nah um ehrlich zu sein, von Svobodas rechter Hand, mit der dieser, an passender Stelle, bremst.
So weit sind sich die Parteien einig. Während Svoboda nach dem Rennen erklärt, dass Khan ihm an die Bremse fassen wollte, erklärt Khan einige Zeit später, er habe seine Hand vom Lenker gelöst, um Svoboda auf Abstand zu halten und nicht in der näherkommenden Begrenzungsmauer zu landen. «Als sie sich der Red Bull Brücke näherten, kam es zu einer Annäherung der beiden Fahrer», heißt es anschließend in der Stellungnahme des IDM-Promoters. «In der Perspektive der Live-Übertragung ist eine Handbewegung seitens Fahrer #93 Walid Khan in Richtung Fahrer #53 Petr Svoboda zu erkennen.»
Zu einem Unfall kam es an dieser Stelle nicht. Dafür wenige Runden später. Erneut Khan und Svoboda die Haupt-Akteure. Während Khan bei Svoboda innen reinbremst, kommt Svoboda zu Fall und stürzt aus dem Rennen. Khan wird Vierter. Eben dieser Vorfall wird von der Rennleitung unter die Lupe genommen. Doch noch während des Rennens erscheint auf den Monitoren die Meldung, dass keine weiteren Maßnahmen ergriffen werden. In der Vergangenheit hatte die Rennleitung unter dem Kommando des IDM-Renndirektors Stefan Beck sehr wohl schon Strafen wegen gefährlicher Fahrweise ausgesprochen. In Schleiz wurde z.B. genau aus diesem Grund Freudenberg-Pilot Phillip Tonn disqualifiziert. Am Red Bull Ring eben nicht.
Die Fortsetzung
Nach Rücksprache mit seinem Team sprach Svoboda mit seinem Crew-Chief Bernd Klockmann bei der Rennleitung vor. «Ihnen wurde durch den Rennleiter mitgeteilt, dass es sich hier um eine normale Rennsituationen gehandelt habe. Ob der Sturz von Petr ein normaler Rennunfall war, darüber kann man diskutieren. Der Vorfall auf Start/Ziel bedarf aus unserer Sicht keiner Diskussion und sollte von der Rennleitung geahndet werden», so die Meinung des Kawasaki-Teams.
Svoboda postete den Vorfall auf seinen sozialen Kanälen und erklärte, nie wieder IDM fahren zu wollen.
Die Möglichkeiten
«Nach Analyse der verfügbaren Videoaufnahmen aus verschiedenen Kameraperspektiven durch die Race Control traf die Rennleitung die Entscheidung, dass die Handbewegung von Fahrer #93 Walid Khan nicht dazu diente, Einfluss auf die Bremse von Fahrer #53 Petr Svoboda zu nehmen. Die Aufnahmen zeigen, dass die beiden Fahrer in Berührung kamen und Fahrer #93 Walid Khan eine Handbewegung ausführte, die als Zeichen gedeutet wird, dass Fahrer #53 Petr Svoboda ihm Platz lassen soll, da die Streckenbreite durch die Sicherheitslinie der Boxenmauer begrenzt ist. Aufgrund dieser Erkenntnisse wurden vor Ort keine weiteren Maßnahmen von der Rennleitung ergriffen und so kommuniziert», lautete nach fast drei Tagen die öffentlich gemachte Stellungnahme des IDM-Promoters.
«Nach Rennende hat der Fahrer #53 Petr Svoboda und sein Team auf die Möglichkeit, gegen diese Entscheidung der Rennleitung Protest einzulegen, verzichtet», lautet das Ende der. Stellungnahme.
Bei einem Protest innerhalb der einstündigen Frist müssen 250 Euro hinterlegt werden. Wird dem Protest stattgegeben, erhält man die 250 Euro zurück. Wird der Protest abgelehnt, werden die 250 Euro einbehalten. Anschließend kann man aber noch Berufung gegen die Ablehnung des Protests einlegen. Dann geht die Sache vor das DMSB-Berufungsgericht.
«Nein, wir machen nichts», erklärt Venngoor den Verzicht auf diese rechtlichen Möglichkeiten, «da das in diesem Fall nicht unsere Aufgabe ist. Das kann allein die Aufgabe der Rennleitung sein. Wir sind generell gegen solche Proteste. Das tut der Stimmung im Fahrerlager nicht gut. Und ein Protest gegen die Entscheidung der Renndirektion, so hat uns die Erfahrung gezeigt, macht überhaupt keinen Sinn.»
Das Nachspiel
«Für die lokale Rennleitung ist immer nach Ablauf der Protestfrist Schluss - wenn kein Protest kommt», erklärt IDM-Renndirektor Stefan Beck.
«In der IDM-Erklärung heißt es, wir würden uns weigern, gegen einen Vorfall zu protestieren», schildert Vennegoor. «Wenn wir also protestieren, dann ergreifen sie Maßnahmen? Warum gibt es eine Rennleitung? Die Welt steht auf dem Kopf und die Rennleitung entscheidet, dass es sich um einen Rennunfall handelt, also muss man gegen die Entscheidung der Rennleitung protestieren. Das macht keinen Sinn, das wissen wir. Eine korrekte Rennleitung wird selbst handeln, ohne vorher einen Protest von einem Team/Fahrer zu erhalten.» Das Kawasaki-Team wird keine weiteren Schritte unternehmen.
Und der IDM-Promoter tut das, was er meistens bei vermeintlich unangenehmen Themen tut. Er schweigt. Ob seitens des Promoters noch Maßnahmen ausstehen, ist nicht zu klären, da IDM-Serienmanager Normann Broy weder auf Whatsapp-Nachrichten noch auf eine offizielle Anfrage per Mail reagiert. Dem Renndirektor oder Rob Vennegoor ist in der Richtung allerdings nichts bekannt.