Wilde Diskussion nach Stamms Motorplatzer
Und das war's dann mit Stamms Kawa
Nach dem Rennabbruch im ersten Rennen der IDM Superbike/Superstock 1000 am Lausitzring gingen in der Boxengasse zwischen einigen der Beteiligten ein paar kernige Sprüche hin und her. Vorwürfe inklusive. Kawasaki-Pilot Roman Stamm war als Zweiter der Superstock-Klasse unterwegs, als seine ZX10R durch einen Motorplatzer ihr Leben aushauchte. «Es hat richtig geknallt und da kamen schon die Brocken geflogen», berichtet Luca Grünwald, der dicht hinter Stamm unterwegs war und gerade noch so an ihm vorbei kam.
Lukas Trautmann vom Team MGM Yamaha hatte da weniger Glück und rutschte auf der Ölschmiere auf der Strecke aus. Stamm hatte nach kurzem Blick nach unten die Hand gehoben und war ausgerollt. Schon kurz danach kam Trautmann geflogen und das Rennen wurde mit der roten Flagge abgebrochen.
«Man kann den Abbruchgrund nicht wirklich trennen, zwischen dem Erkennen der Ölspur und dem Sturz lagen nur ganz wenige Sekunden», erklärt Stefan Beck, Vorsitzender der DMSB-Sportkommissare. «Der Funkspruch wegen des Motorplatzers kam, dann schaut man direkt auf den Bildschirm und in dem Moment kommt auch schon der Sturz. Da gibt es dann keine Diskussion mehr und man bricht sofort ab. Der nächste, der auf dem Öl hätte ausrutschen können, hätte womöglich den Verunfallten im Kiesbett getroffen - daher spielt irgendwo beides in den Abbruchgrund hinein, zumal, wie gesagt, das alles Sache von Sekunden war.»
«Ölflaggen wurden bei Posten P17 und P19 gezeigt, auf der linke Seite», schildert Beck weiter. «So hat der Leiter Streckensicherung es über Funk angeordnet, Sekundenbruchteile nach dieser Anordnung kam dann direkt Rot. Man muss dabei immer beachten, dass die Kommunikation ein paar Sekunden dauert, die Reaktionszeit des Marshals usw. Ich gehe aber davon aus, dass die Marshals bei Erkennen des Rauches an Romans Bike direkt die Flagge draußen hatten, so wird es auch bei der Ausbildung der Marshals geschult. Falls die Frage jetzt kommt - nein, ich konnte die Flaggen nicht mit eigenen Augen sehen, die Kameras sind auf die Strecke gerichtet, in dem Fall natürlich direkt auf den Unfallbereich, da hat man nicht immer den Posten direkt mit im Bild. Ich vertraue aber den sehr gut ausgebildeten Marshals am Lausitzring.»
Da hatten in der Boxengasse schon die Diskussionen begonnen, ob Stamms Verhalten auf der Strecke richtig gewesen war. Von «alles richtig gemacht» bis «er ist zu lange auf der Ideallinie weitergefahren, auch weil er wusste, dass er ja nach einem Abbruch als Zweiter gewertet wird» war alles dabei. Auch die Rennleitung schaute sich den Vorfall an und befand das Verhalten des Fahrers als korrekt. Gewertet wurde wie im Reglement stehend eine Runde vorher und da waren sowohl Stamm als auch Trautmann noch in der Wertung. Denn das Verursacher-Prinzip, nachdem der Bösewicht aus der Wertung gestrichen wird, gibt es in der IDM, wie auch in anderen Serien nicht.
«Das mit dem Verursacher-Prinzip habe ich am Wochenende auch öfters gehört», erläutert der Sport-Kommissar. «Allerdings ist mir die Niederschrift dieses Sachverhaltes in den IDM-Bestimmungen in der Historie nicht wirklich bekannt, was nicht heißen muss, dass das vielleicht vor zehn Jahren mal da drin stand. Wann und ob überhaupt es geändert wurde, entzieht sich daher tatsächlich meiner Kenntnis.»
«Der Motor ist ohne Vorwarnung hochgegangen», schildert Stamm. «Ich war im fünften Gang. Soll ich mit 200 km/h rechts in die Wiese abbiegen?» Auch zwischen den anderen Beteiligten wurde die Frage diskutiert. «Hinterher ist man ja immer schlauer», urteilt Stamms Techniker Roman Raschle. «Aber er konnte bei dem Tempo nicht gleich ins Gras fahren. Die Bilder wurden in der Race-Control angeschaut und er hat sich richtig verhalten. Auch mit Trautmanns Teamchef Michael Galinksi habe ich später noch geredet. Sowas kann eben einfach passieren. Wir machen das ja nicht mit Absicht und sind jetzt froh, dass sich niemand verletzt hat.»
Das viel beschriebene Verursacher-Prinzip gibt es auch in anderen Serien nicht. «Wenn der Verursacher zum Zeitpunkt der Wertung, also eine Runde vorher, noch im Rennen war, dann wird er gewertet», heißt es bei der Superbike-WM. «Für einen Re-Start muss er es rechtzeitig an die Box zurück und in die Startaufstellung schaffen. Oder aus der Boxengasse starten.» Auch bei der MotoGP zeigt sich das identische Bild. Dort gibt es allerdings keinen Re-Start und eine Kombiwertung aus beiden Rennen, sondern ein Sprint-Rennen mit eigener Wertung.
«Fakt ist auf jeden Fall, das wir diesen Fall analysieren und vor allem von allen möglichen Seiten betrachten müssen», meint Beck. «Was passiert, wenn plötzlich fünf Leute stürzen und man deswegen abbricht, zwei Maschinen liegen z.B. auf der Strecke. Wer war dann der Verursacher? Das kann theoretisch sogar an zwei verschiedenen Stellen auf der Strecke passieren, wie soll man das dann bewerten? Zumal dann wirklich in Frage steht, aus welchem Grund man nun genau abgebrochen hat. Das lässt sich tatsächlich nicht so leicht lösen, wie man es im Moment vielleicht denkt. Aber trotzdem - wir arbeiten dran. Eine überstürzte Reglementänderung wird es im Moment nicht geben, solange wir nicht alle möglichen Fälle auf dem Papier durchgespielt haben.»