Kommende KTM 990SMT auf Erprobungsfahrt erwischt
Die KTM AG steckt noch mitten in den Auswirkungen der größten Krise ihrer Geschichte. Zwar ist die Rettung der Firma auf einem guten Weg, jedoch bislang nicht vollends abgeschlossen. Das gerichtliche Sanierungsverfahren wurde Ende Februar durch eine Einigung mit den Gläubigern beendet, doch die Verhandlungen mit Investoren dauern noch an. Diese werden bis zum 23. Mai die Übernahme der verbliebenen 30% der Schulden der drei betroffenen Firmen stemmen müssen, um das Sanierungsverfahren juristisch aufheben zu können.
Bajaj Auto gilt als heißer Kandidat, der als strategischer Investor die Schuldenquote der Österreicher zumindest in Teilen übernehmen soll, möglicherweise auch mit Partnern. Bis es so weit ist, sind noch Verhandlungen zu führen und auch kartellrechtliche Hürden zu nehmen. Voraussichtlich Ende April soll dieser Prozess beendet sein. Soweit der Stand der Dinge.
Die Firma Bajaj Auto ist es auch, die als Vorgriff je 50 Millionen Euro für die Monate März, April und Mai für die KTM AG zur Verfügung stellt, um die Handlungsfähigkeit und den regulären Betrieb des Motorradproduzenten wieder herzustellen. Mit der ersten Tranche wird die Wiederaufnahme der Motorradproduktion in Mattighofen am Montag, den 17. März, auf den Weg gebracht.
Die Fertigung der Einstiegsmodelle bei Bajaj im indischen Pune und der 790 Duke in China (bei CFMoto, einem weiteren Partner und Investmentkandidaten) muss nicht wieder aufgenommen werden, denn sie wurde nie unterbrochen.
Ebenfalls den gesamten Winter über aktiv war die Entwicklungsabteilung der Österreicher, obwohl es sich bei ihr um einen der drei von der Insolvenz betroffenen Firmenteile handelt. Bereits im Februar wurden sowohl in der Firmenzentrale in Oberösterreich als auch bei einer spanischen Tochterfirma die Entwicklungsarbeiten von Sparflamme auf Vollgas umgestellt.
Dies beinhaltet auch und besonders Projekte voranzutreiben, die bereits vor Ausbruch der Krise auf den Weg gebracht wurden. Schwerpunkt bei vielen Neuentwicklungen lag auch letztes Jahr bereits darauf, künftig mehr auf margenträchtige Segmente zu setzen, anstatt wie zuvor auf eine weitere Erhöhung der Stückzahlen.
Entsprechend deuten aktuelle Beobachtungen darauf hin, dass besonders die bereits als Erprobungsfahrzeuge gesichteten 690 Rally und 1390 Rally derzeit Priorität haben, parallel zu letzten Vorbereitungen für die 1390 Super Adventure, die bereits vorgestellt wurde und ab Herbst in Mattighofen produziert werden soll.
Ebenfalls bereits vor dem Sanierungsverfahren angestoßen wurde die Entwicklung eines Mittelklasse-Sporttourers, der sich an Kunden der Yamaha Tracer 9 richten und bei den Österreichern die beliebte 890SMT ersetzen soll.
Das Kürzel «SMT» steht bei KTM seit den Tagen der seligen 990SMT für «Supermoto Touring». Sie war seinerzeit, von 2009 bis 2013, das tourentauglichste Modell der Österreicher diesseits der 990 Adventure - machte jedoch nie einen Hehl daraus, dass sie im Grunde auf einem durch und durch unvernünftigen Konzept basierte. Die aktuelle 890SMT belebte dieses Konzept 2023 wieder und auch sie wird als im Grunde rein spaßorientierte Supermoto vermarktet, mit einem Hauch von Tourentauglichkeit.
Bei ihrer Nachfolgerin soll sich der Schwerpunkt verschieben: Weg von der Supermoto, dafür ein erweiterter Fokus auf Touring. Erste Aufnahmen von frühen Prototypen zeigen, dass sich die Österreicherin, auch was die Ausstattung angeht, an der japanischen Konkurrentin orientieren wird. Bei den Japanern gilt die Tracer 9, besonders in der Variante GT+, als technische Speerspitze im Modellprogramm.
Wie diese bekommt die KTM ein ganzes Arsenal an technischen Gimmicks spendiert. Da wären zunächst der Radartempomat, in größeren KTMs mittlerweile fast obligatorisch. Dieser dürfte wird im Falle der 990SMT noch um Warn- und Staufahrfunktionen erweitert werden, ganz wie in der 1390 Super Adventure. Von dieser wird auch das Kurvenlicht übernommen. Matrix-LED-Beleuchtung nach Art der Yamaha wird es in der 990SMT jedoch vermutlich nicht geben. Ganz im Gegensatz zum semi-aktiven Fahrwerk, das hier erstmals in einer Mittelklasse-KTM angeboten werden dürfte.
All das wird künftig verpackt unter einer Verkleidung klassischen Sporttourer-Zuschnitts. Einzig die Semi-Slicks, die die Prototypen allesamt aufgezogen haben, deuten darauf hin, dass auch die Nachfolgerin der 890SMT äußerst fahraktiv ausgelegt werden dürfte.
Darüber hinaus greift das Styling offenbar Elemente der 1390 Super Duke GT auf. Zudem wird der Tank offenbar um einiges größer als die 16,5 Liter der 890SMT.
Angetrieben werden die Prototypen von der aktuellen Ausbaustufe des 947ccm großen LC8c-Reihentwins mit rund 130 PS, wie er auch in der 990 RC R zum Einsatz kommen wird. Dieser steckt in einem Rahmen, der, ebenso wie die Schwinge, von der kommenden 990 Adventure übernommen wird. Als Modellbezeichnung dürften die Österreicher das Kürzel 990SMT wiederbeleben, auch wenn die Bezeichnung 990 Duke GT möglich erscheint.
Wann die KTM 990SMT Marktreife erlangt, ist derzeit schwer abzusehen. Schließlich dürfte das Sanierungsverfahren die Produktplanung der Österreicher gehörig durcheinandergewirbelt haben.