Randy Krummenacher: «Will in der MotoE vorn mitreden»
Für Randy Krummenacher beginnt 2023 mit 33 Jahren in der neuen MotoE-Weltmeisterschaft mit den Einheits-Motorrädern von Ducati eine völlig neue Herausforderung. Er wird für das deutsche Dynavolt Intact-MotoE-Team erstmals eine Elektro-Rennserie bestreiten – nach fast 20 Jahren mit lärmenden Verbrennungsmotoren.
Natürlich hat sich «Krummi», der in der 125er-WM 2007 mit 17 Jahren beim Catalunya-GP Dritter war (auf einer KTM des Red Bull-Werksteams) und in der Moto2-WM gleich in seinem Rookie-Jahr 2011 (als Teamgefährte von Stefan Bradl bei Kiefer Racing) einen vierten Platz (Sachsenring) und einen fünften Platz (Catalunya) eroberte, bereits einige Gedanken über die neue Aufgabe gemacht.
Im Interview mit SPEEDWEEK.com spricht der Zürcher Oberländer über die Umstellung auf das E-Bike von Ducati, über die Vorzüge des Dynavolt-Teams und seine Rennfahrer-Karriere als Spätzünder.
Randy, Dynavolt-Teamchef Jürgen Lingg hat mir erzählt, Domi Aegerter habe vor seiner ersten MotoE-Rennsaison 2020 nur drei der Testtage gebraucht, dann hat er mit der Energica Ego Corca konkurrenzfähige Rundenzeiten erreicht. Du hast vier Testtage vor dem ersten WM-Lauf. Wird das reichen?
Ja, wir haben vier Tage. Ich traue mir zu, das auch in drei Tagen zu schaffen. Ich bin ja einige Monate älter als Domi… (Er schmunzelt).
Das Level in der MotoE ist sicher hoch. Aber ich traue mir zu, dass ich in dieser Meisterschaft ein Wort mitreden kann.
Du hast kürzlich erwähnt, dass du bisher in jeder Serie, an der du dich beteiligt hast, gewonnen hast oder zumindest auf das Podest gefahren bist.
Stimmt. Zumindest in den letzten paar Jahren.
Was weisst du inzwischen über die Ducati mit der Codebezeichnung V21L?
Ich habe gehört, die Ducati soll ca. 40 kg leichter sein als die bisherigen MotoE-Maschinen, die ca. 260 kg gewogen haben. Die Batterie wird kompakter sein, deshalb wird man nicht mehr Runden fahren als in der Vergangenheit.
Durch die italienische Superbike-Meisterschaft CIV habe ich Mattia Casadei kennengelernt. Er hat mir erzählt, die Ducati-Testfahrer Michele Pirro und Alex De Angelis seien in Misano bereits 1:40er-Zeiten gefahren, sie sind also drei Sekunden unter den Weltcup-Zeiten von diesem Jahr geblieben.
Ducati hat bei diesem Prototyp noch Potenzial, sie können also noch schneller fahren.
Bei Energica wog die Batterie vier Jahre lang unverändert 100 kg. Bei Ducati schaut das ganze Konzept viel durchdachter und professioneller aus, vom Schwerpunkt her und von der Unterbringung des Elektro-Antriebs.
Ducati weiß natürlich sehr genau, wie man ein Rennmotorrad baut. Ich bin mir sicher, dass es bei der Technik deutliche Fortschritte zu 2022 geben wird.
Die geben richtig Gas.
Oder in diesem Fall Strom… Ducati-Eigentümer Audi in Ingolstadt hat ja mit der E-Mobility durch die e-tron-Modelle auch jahrelange Erfahrung mit Elektro-Antrieben.
Genau. Ich bin überzeugt, dass die MotoE durch Ducati stark aufgewertet wird.
Aber ich kann nicht ganz ohne Lärm leben. Deshalb wollte ich weiter mit einer Yamaha R1 in der italienischen Superbike-Meisterschaft CIV fahren und Lärm erzeugen.
Doch die ganze MotoE-Geschichte motiviert und interessiert mich stark.
Als ich gelesen habe, dass der Weltcup in eine Weltmeisterschaft umgewandelt wird, ist meine Motivation noch weitergewachsen.
Für die CIV gab es Terminkollisionen mit der MotoE. Die Elektro-WM wird aber bei klar Vorrang haben?
Ja, ich setze alle Karten auf die MotoE.
In der CIV gibt es immer noch zwei Terminüberschneidungen, ich hätte also dort bei zwei Events nicht mitfahren können. Also verzichte ich 2023 auf diese Meisterschaft.
Leider konnte nach der Kritik der Fahrer nur ein CIV-Termin verändert werden. Das Level in der CIV ist hoch, allein wegen Michele Pirro, auch das Material kann sich sehen lassen, das eingesetzt wird.
Aber als Athlet kann man an dieser Serie nicht profi-mässig teilnehmen, denn die Vermarktung dieser Meisterschaft ist null-komma-null im Vergleich zur BSB zum Beispiel.
Für die Teams und Fahrer geht deshalb in der CIV die Rechnung nicht so gut auf.
Noch eine Saison in der CIV-Superbike-Serie hätte mir bestimmt gefallen. Aber durch die Terminüberschneidungen geht's nicht. Zum Glück habe ich noch die Reifentests für die Firma Mitas. Da kann ich mit einer Supersport-Yamaha R6 noch etwas Lärm machen.
Beim deutschen Dynavolt-Team stehst du unter Druck, denn du wirst an Domi Aegerter gemessen, der in den letzten drei Jahren in der MotoE die Gesamtränge 3, 2 und 1 errungen hat.
Ja, aber mit diesem Druck kann ich gut umgehen, ich bin auch älter geworden. Ich weiß, was ich nicht kann. Und was ich nicht kann, kann ich mir erarbeiten. Ich habe genug Erfahrung und spüre sehr schnell, woran es fehlt und wo der Haken liegt.
Dementsprechend nehme ich diese Aufgabe und diese Herausforderung sehr gerne an. Ich werde mich da hineinarbeiten und versuchen, das Bestmögliche draus zu machen. So wie ich das in den letzten Jahren gemacht habe.
Ich denke, ich bin ein ziemlicher Spätzünder. Aber das ist gut so. Ich habe die richtigen Mittel gefunden, um das Bestmögliche aus mir rauszuholen und die Performance auch auf der Rennstrecke zu zeigen.
Einheits-Motorräder bist du seit den 125er-Aprilia im ADAC Junior-Cup vor fast 20 Jahren nicht mehr gefahren.
Es ist ganz klar, das Material und das Team sind ein tragender Teil, vor allem je größer das Motorrad ist. Das habe ich 2022 mit der 1000-ccm-Yamaha gesehen.
So ein Superbike ist einfach viel komplizierter als eine Supersport-Maschine. Wenn wir mit dem Elektronik-Mapping ein bisschen daneben sind, kann ich noch so am Kabel ziehen, es geht trotzdem einfach nicht vorwärts.
In der MotoE habe ich eine super Situation, denn ich habe das Intact-Team, das von der Basis her stark ist und von dem ich merke. Sie geben alles, um zu gewinnen.
Ich werde erfahrene Leute in meiner Crew haben. Patrick Mellauner, den ich noch von meinen KTM-Zeiten her kenne und der mit Domi die Meisterschaft gewonnen hat.
Daher habe ich eine gute Ausgangsbasis.
Der provisorische MotoE-Kalender 2023
13. und 14. Mai: Le Mans/Frankreich
10. und 11. Juni: Mugello/Italien
17. und 18. Juni: Sachsenring/Deutschland
24. und 25. Juni: Assen/Niederlande
05. und 06. August: Silverstone/GB
19. und 20. August: Red Bull Ring/Österreich
02. und 03. September: Catalunya/Spanien
09. und 10. September: Misano/Italien
Die MotoE-Tests 2023
06. bis 08. März: Jerez/Spanien
03. bis 05. April: Catalunya/Spanien
MotoE-Weltcup-Endstand 2022 nach 12 Rennen
1. Aegerter 227 Punkte. 2. Granado 192,5. 3. Ferrari 162,5. 4. Casadei 156. 5. M. Pons 124. 6. Okubo 95.5. 7. Canepa 94,5. 8. Garzo 86. 9. Escrig 79. 10. Zannoni 71,5. 11. Torres 65. 12. Manfredi 58,5. 13. M. Alcoba 46,5. 14. Fores 35,5. 15. Mantovani 25. 16. Maria Herrera 21. 17. Smith 12. 19. Tulovic 10. 20. Finello 9.