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Sorgen um Anthony West: Hilfe wichtiger als Sperre

Kolumne von Günther Wiesinger
Anthony West

Anthony West

Anthony West hat seinen Vertrag in Brasilien verloren. Er berichtete danach aufrüttelnd von Depressionen und seiner Todessehnsucht. Der Australier braucht dringend Hilfe.

Anthony West bestritt die Supersport-WM 2018 auf einer Kawasaki ZX-6R seines eigenen Teams «Antwest Racing». Im September 2018 wurde er einen Tag vor dem Event in Portimão gesperrt. Wie schon 2012 sprach die FIM von einem positiven Dopingtest. Es ging um die verbotene Substanz Methylhexanamin. Schon 2012 war West wegen dieser Substanz für 1 Monat gesperrt worden, die WADA legte Berufung ein, daraufhin wurde die Sperre auf 18 Monat erhöht. in Valencia 2013 fuhr West wieder auf den achten Platz.

Die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA fand bei West 2018 in Misano bei einer Urinprobe am 8. Juli abermals die stimulierende Substanz Methylhexanamin. West bestritt wie schon 2012 alle Vorwürfe, er wurde neuerlich für eineinhalb Jahre gesperrt und wich dann im Herbst in die Asian Championship und 2019 in die Brasilianische Superbike-Meisterschaft aus.

Selbst als Wiederholungstäter stellte sich West seither als Opfer dar. Tatsächlich ist im Zusammenhang mit dem Vergehen 2018 nicht alles makellos gelaufen, denn der FIM-Rechtsanwalt hat West erst unmittelbar vor Ablauf der vorgeschrieben Frist über die Sperre informiert. Einen Tag vor dem Training in Portimão.

Schon 2012 hatte es nach der Dopingprobe von Le Mans im Mai fünfeineinhalb Monate gedauert, bis West gesperrt wurde. Er verlor dadurch zum Beispiel den zweiten Platz im Moto2-WM-Lauf in Sepang am 21. Oktober und den Podestplatz in Australien und alle weiteren Punkte seit dem Frankreich-GP. Der Grand Prix in Mans fand damals am 19./20. Mai statt.

Dass West offenbar irgendwann auf die schiefe Bahn geraten ist, ist bedauerlich. Aber die FIM sonnt sich gern im Dunstkreis der Sieger, auch West hat zwei GP-Siege errungen – 2003 und 2014 jeweils im Regen von Assen, in der 250er- und Moto2-WM.

Aber wie im Radsport, im Skilanglauf und in der Triathlonszene werden Dopingsünder auch im Motorradsport wie Schwerverbrecher behandelt und von ihren Verbänden fallen gelassen. Anthony West schreibt jetzt auf seiner Facebook-Seite offen von Depressionen. «Sie führten soweit, dass ich wünschte, tot zu sein», schilderte er.

Er wirft der FIM vor, jetzt auch sein Engagement in Brasilien hintertrieben zu haben. West steht mit 37 Jahren vor dem Scherbenhaufen seiner Karriere. Er verfügt über keine Ersparnisse mehr, trotz 20 Jahren Spitzensport, und offenbar braucht er dringend psychologische Betreuung.

Aber für solche Fälle existiert bei der FIM und bei keinem anderen Verband ein Budget. Obwohl die FIM allein von der Dorna für die kommerziellen Rechte für MotoGP und SBK mehr als 8 Millionen im Jahr einnimmt und ein Fahrer wie West 20 Jahre lang brav für seine  internationale Lizenz bezahlt hat.

Der offenbar schlecht oder gar nicht beratene West hat sich auf einen lautstarken, jahrelangen Streit mit dem mächtigen Weltverband eingelassen, eine Auseinandersetzung, die er nie gewinnen konnte.

West: «Ich bin ein mentales Wrack»

«Ich kann mein Maul nicht mehr halten. Ich muss zugeben, die FIM war wie ein Feuer in meinem Leben. Es begann auf kleiner Flamme, aber die FIM ließ sie immer größer und mächtiger brennen. Sie haben zugeschaut, wie sie mein Leben bis auf die Grundmauern abgefackelt haben», empörte sich der Motorrad-Tausensassa.

West schilderte, er habe allein in der Saison 2013 ca. € 33.000.- an Anwaltskosten für den Kampf gegen den Weltverband ausgegeben. «Dabei habe ich damals beim QMMF-Team nur eine Jahresgage von € 20.000.- erhalten.»

Der Australier schildert, der ganze Stress habe zu Problemen mit seiner Familie und seiner Freundin geführt, die ihn nach sechs Jahren verlassen habe. Das Verhältnis mit seiner Familie sei seither zerrüttet. West: «Ich bin zu einem mentalen Wrack geworden.»

Trotzdem fand West 2014 ins Leben zurück. Er siegte auf der Speed-up des QMMF-Teams in Assen und wurde WM-Zwölfter. Dazu gewann er mit QMMF das 24-h-Rennen von Le Mans in der Superstockklasse.

«Die FIM war auch damals sofort zur Stelle. Sie hat eine Urinprobe genommen und nichts gefunden», berichtet West.

2017 nahm West an der Asian Road Racing Championship teil. In Thailand wurde sein Team nach dem Rennen von den Funktionären aufgefordert, den Motor zu zerlegen. Das Team sprach von einem Willkürakt, weil offenbar nur das Bike von West ausgewählt worden war statt drei aus den Top-7. Das Team widersetzte sich deshalb der Öffnung des Motors; West verlor die Punkte und den Titel in der Asian Championship. Der Australier schimpfte auf Facebook – und musste sich dann entschuldigen, sonst hätte er die Lizenz wieder verloren.

Nach dem Misano-Vorfall 2018 wurde West für zwei Jahre gesperrt. Er investierte wieder fast $ 15.000 AUD für einen Anwalt. Er war überzeugt, die Macht der FIM reiche nicht bis in die Brasilianische Superbike-Meisterschaft. Offenbar ein Irrtum.

Nach all diesen Vorkommnissen drängt sich der Verdacht auf, West habe zumindest zweimal gegen das Betäubungsmittelgesetz verstossen und unerlaubte Aufputschmittel genommen. Er bestreitet das vehement – und setzt sich mit 37 Jahren weiter aussichtslos gegen die FIM zur Wehr.

Ich habe «Ant» West als rechtschaffenen Menschen und unermüdlichen Kämpfer in Erinnerung. «Westy» hat einen Hang zur Gutgläubigkeit und vielleicht oft die falschen Freunde. Aber er ist kein übler Geselle. Er sollte im Motorradsport irgendwo noch eine Chance erhalten; es muss nicht als Rennfahrer sein.

Falls «Westy» eine Therapie braucht, sollten sich ein paar Gönner finden, die ihm helfen, seine Menschenwürde wiederzufinden. West braucht eine Vaterfigur, vor der er Respekt zeigt und die ihn auf den richtigen Weg zurückbringt.

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