Brad Binder (KTM): «Ich sah aus wie ein Idiot»
Im Getümmel hatte Brad Binder (hier vor Schrötter, Martin, Lüthi und Gardner) seine liebe Mühe
Als Dritter der Moto2-Saison 2018 ging Brad Binder im Vorjahr als Mitfavorit in den Titelkampf, aber die Konkurrenz von Kalex hatte zum Beginn der Triumph-Ära die Nase vorne. Mit einem starken Finish (fünf GP-Siege in der zweiten Saisonhälfte) verabschiedete sich der Red Bull-KTM-Ajo-Pilot aber erhobenen Hauptes in die MotoGP-WM. Von Weltmeister Alex Márquez (Kalex) trennten ihn am Ende nur drei Punkte.
Im Interview blickt der 24-jährige Südafrikaner auf sein letztes Moto2-Jahr zurück, ehe er als KTM-Werksfahrer seine Debüt-Saison in der Königsklasse der Motorrad-WM bestreiten wird.
Viele Leute hatten erwartet, dass du 2019 den Moto2-Titel holen würdest. Was lief schief?
Brad Binder: Das größte Problem war, dass mir das 2019er-Bike überhaupt nicht gefiel, als ich es zum ersten Mal gefahren bin. Ich habe gesagt: «Jungs, wir müssen etwas machen, es ist nicht gut genug.»
Sobald man das Motorrad in Schräglage brachte, begann das Hinterrad richtig zu hüpfen, dann hat das ganze Bike angefangen und man war geliefert. Sie haben einige kleine Veränderungen vorgenommen, aber es hat sich nichts verändert.
Ich wusste einfach, dass das Motorrad nicht funktionierte, ich litt unter so starkem Chattering, das war verrückt. Auch gegen Ende der Saison spürten wir es noch stark. Es war wirklich merkwürdig, weil das Chattering am Hinterrad anfing und ging bis zur Front.
Wir haben einfach alles probiert, aber wir wurden es nie los. Wenn wir bedenken, wo wir in der vergangenen Saison angefangen haben und wo wir am Ende gelandet sind, ist es verrückt zu sehen, wie viele Fortschritte wir gemacht haben.
Es war hart. Ich hatte Glück, dass wir ein großes Werk wie KTM hinter uns hatten, denn ich hatte im Vorjahr sieben unterschiedliche Bikes.
Am Ende des Jahres waren wir nahe dran, es war viel besser, aber wir hatten immer noch dasselbe Problem. Wir wurden es nie ganz los, aber wir kamen an den Punkt, als es mit einem neuen Reifen fast nicht mehr da war. Aber sobald wir Grip verloren, wurde es schlimmer und schlimmer. Dadurch wurde es gegen Rennende extrem schwierig.
War das Chassis der KTM zu steif oder wo lag das Problem?
Ich weiß es nicht. Ganz ehrlich, ich habe keine Ahnung. Wir haben so viele unterschiedliche Dinge ausprobiert, einige haben funktioniert, andere nicht.
Ich weiß noch, dass wir für den Brünn-GP auf ein brandneues Bike gewartet haben, nach der Sommerpause. Ich habe mich richtig gefreut, ich dachte, okay, wenn wir jetzt etwas Gutes bekommen, kann ich wirklich für den Titel pushen.
Leider war dieses Bike dann ein Rückschritt, also haben wir das ganze Wochenende verloren und sind schließlich zum alten Motorrad zurückgekehrt, mit dem ich in Assen und auf dem Sachsenring Platz 2 geschafft hatte.
Eine Woche nach Brünn habe ich auf diesem Bike in Österreich gewonnen. Wir sind bis zum Rest der Saison dabei geblieben und haben versucht zu verstehen, wo unsere Probleme lagen, und uns gleichzeitig nicht zu viele Sorgen darüber zu machen. Die Idee dahinter war zu versuchen das Problem zu umgehen und jedes andere Teil des Motorrads so gut wie möglich hinzubekommen.
Wann hast du das erste Bike-Update nach dem Pre-Season-Test bekommen?
Wir sind in Katar mit der dritten Version gestartet, in Le Mans haben sie die vierte gebracht. Um ehrlich zu sein, habe ich selbst ein bisschen den Überblick verloren. Vielleicht bekamen wir die vierte Version – oder zumindest ein Update – schon für Jerez.
Das Bike war, was das Chattering anging, ein bisschen besser, aber wir haben viel Grip am Hinterrad verloren, das war überhaupt nicht gut. Dann kam die fünfte Version, die in Sachen Turning viel besser war, aber wir haben wieder Grip am Hinterrad verloren. Ich habe mir jedes Mal mehr Grip gewünscht, aber wir haben kontinuierlich an Grip verloren.
Die sechste Version war ein kleines Update der fünften Version, die das Bike wendiger gemacht hat. Und wir fanden etwas, das uns mehr Grip am Hinterrad einbrachte.
Die Jungs haben viel verändert – Balance und alles Mögliche – und es hat ein bisschen besser funktioniert. Dann kam die Version 7, die überhaupt nicht funktioniert hat – also ging es zurück zur sechsten.
Wie verhielt sich die KTM im Vergleich zur Kalex, wo hattet ihr Vor- und Nachteile?
Wir haben am Bremspunkt viel gutgemacht, aber wir waren nicht flüssig unterwegs. Wir konnten im Gegensatz zu den Kalex-Piloten keinen Kurvenspeed halten und wir konnten auch nicht so früh den Gasgriff aufdrehen wie sie.
Ich musste bis zur Kurvenmitte bremsen und mit «Front-end» einlenken, mit der Bremse in der Hand. Wenn ich das Gas aufdrehte, musste ich einfach damit klarkommen, während die Kalex-Piloten noch in Schräglage ans Gas gehen und den Kurvenspeed mitnehmen konnten. Wenn ich das versucht hätte, hätte es mir den Grips aus der Birne geschüttelt.
Du musstest also einen radikalen Stil fahren, um vor den anderen Fahrern in die Kurve einzubiegen.
Das war das Problem, ich konnte nicht zwischen den anderen Jungs fahren. Zu Beginn der Saison sah ich wie ein Idiot aus, weil ich in alle hineingerauscht bin. Aber in 90 Prozent der Fälle haben die anderen Jungs 20 oder 30 cm vor mir gebremst, schon eingelenkt und waren dabei, das Gas aufzudrehen, während ich noch mit der angezogenen Vorderradbremse in die Kurve kam. Es war schwierig.
Als das Bike besser wurde, kamen wir der Fahrweise der anderen etwas näher, aber es gab immer noch einen Unterschied.
Du bist als aggressiver Fahrer bekannt. Hat sich das im Vorjahr verschärft, weil du anders als alle anderen fahren musstest?
Ich war immer ziemlich aggressiv, aber vor allem in der letztjährigen Saison. Denn wenn ich ins Getümmel kam, wurde es schwierig, weil ich nicht so fahren konnte, wie ich es musste – und Zeit verlor.
Ich habe herausgefunden, dass es für die anderen Jungs hinter mir schwierig wurde, wenn ich an der Spitze lag und das Motorrad so fuhr, wie es gefahren werden musste. Denn sie konnten mich nicht überholen – und wenn sie es taten, war es für mich ziemlich einfach, auf der Bremse zurückzuschlagen. Wo ich schnell war, waren sie langsam – und wo ich langsam war, waren sie schnell. Es war das Rezept zum Desaster, deshalb musste ich es ein bisschen aufmischen.
Ich erinnere mich daran, dass ich am Anfang der Saison dreimal in den armen Marcel Schrötter reingefahren bin – und nicht ein einziges Mal hätte ich erwartet, dass es passieren würde. Unsere Fahrweisen waren einfach zwei komplett unterschiedliche Dinge und wir kamen zusammen, das tut mir leid.